Jeder 4. Darmkrebs ist familiär bedingt: Mit zwei Fragen erkennen Sie Ihr Risiko

Jeder vierte Darmkrebs ist familiär bedingt, das hohe Risiko wurde also vererbt. Doch viele wissen nicht einmal, dass sie gefährdet sind.  FOCUS Online sprach mit einem Krebsexperten darüber, wie Sie Ihr familiäres Risiko feststellen und was dann zu tun ist.

Darmkrebs trifft vor allem ältere Menschen. Dass auch jüngere Erwachsene erkranken können, ist weniger bekannt. Dabei steigt bei den unter 50-Jährigen Darmkrebs deutlich an, seit 2002 nahm die Zahl der Neuerkrankungen bei 25- bis 49-Jährigen um elf Prozent zu. Viele von ihnen erkranken deshalb so früh, weil bei ihnen ein familiäres Risiko für Darmkrebs vorliegt.

Familiäre Belastung verdoppelt Darmkrebsrisiko

Doch den meisten ist gar nicht bewusst, dass sie eine familiäre Vorgeschichte haben und dadurch gefährdet sind. Dann hilft nur eines: Darmkrebs in der Familie zu thematisieren. Anlässlich des Darmkrebsmonats März macht die Felix Burda Stiftung deshalb mit der Kampagne „Es gibt kein zu jung. Rede mit deiner Familie!“ darauf aufmerksam.

„Darüber sprechen ist deshalb so wichtig, weil bei einer familiären Belastung das eigene Risiko für Darmkrebs etwa doppelt so hoch ist“, erklärt Korbinian Weigl von der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Von familiärer Belastung sprechen Experten dann, wenn ein Verwandter ersten Grades Darmkrebs oder eine Vorstufe hatte oder hat. Doch auch die Verwandten zweiten Grades sind wichtig, etwa die Großeltern. Ist einer von ihnen betroffen, erhöht sich das Risiko, ebenfalls an Darmkrebs zu erkranken, wenn auch nicht so stark.

Die Diagnose Darmkrebs bedeutet für Betroffene nicht nur einen emotionalen Einbruch, sondern oft auch einen finanziellen. Wer Patienten unterstützen möchte, kann an folgendes Konto spenden:

Felix Burda Stiftung
IBAN: DE35 6808 0030 0730 0323 01
BIC: DRESDEFF680
Commerzbank Offenburg
Stichwort: „patientenhilfe darmkrebs“

Weitere Informationen finden Sie unter diesem Link. Die Felix Burda Stiftung mit Sitz in München wurde 2001 von Dr. Christa Maar und Verleger Prof. Dr. Hubert Burda gegründet und trägt den Namen ihres 2001 an Darmkrebs verstorbenen Sohnes.

Die Stiftung widmet sich ausschließlich der Prävention von Darmkrebs und ist heute eine der bekanntesten, gemeinnützigen Institutionen in der deutschen Health Community.

Nur zwei Fragen reichen

Das eigene familiäre Risiko finden Sie nur heraus, wenn Sie mit Ihren Verwandten sprechen, also mit Vater, Mutter, Geschwistern, Großeltern – auch wenn das Thema Darm und Darmerkrankungen immer noch bei vielen ein Tabuthema ist. Zwei einfache Fragen genügen:

1. Hattest du jemals Darmkrebs und, falls Nein,

2. wurden bei dir jemals Darmpolypen entfernt (dabei vor allem Adenome)?

Jedes Adenom ist gefährlich

Denn bereits Vorstufen bei Verwandten erhöhen das eigene Darmkrebsrisiko. Adenome können, wenn sie nicht rechtzeitig entfernt werden, zu Darmkrebs ausarten. „Einzige Ausnahme ist der hyperplastische Polyp, eine sehr harmlose Vorstufe, bei dem man davon ausgeht, dass er sich nicht zum Darmkrebs weiterentwickelt“, erklärt Korbinian Weigl.

Hat ein naher Verwandter ein Adenom, also eine Vorstufe, oder schon Darmkrebs gehabt, deutet das mit großer Sicherheit auf ein eigenes, höheres Darmkrebsrisiko hin.

Unbestritten ist deshalb das Gespräch in der Familie mit Abstand die einfachste Methode, Hinweise auf das eigene Darmkrebsrisiko zu erhalten.

Bluttest stellt Darmkrebsrisiko fest

In Zukunft könnte außerdem ein Bluttest Aussagen zum individuellen Darmkrebsrisiko liefern. In einer Studie, an der Korbinian Weigl mitarbeitete und die im Fachjournal Gastroenterology veröffentlicht wurde, konnte mit einem einfachen Bluttest ein genetisches Profil bei über 1.000 Probanden erstellt werden, um herauszufinden, ob sich solche Informationen eignen, Personen mit höherem und niedrigerem Risiko für Darmkrebs und dessen Vorstufen zu identifizieren.

Im Fokus standen kleine DNA-Änderungen, die für sich genommen keinen Gendefekt nach sich ziehen. „Mit dem genetischen Risikoscore haben wir alle diese einzelnen Änderungen, die in der Bevölkerung übrigens vergleichsweise häufig sind, zusammengenommen und konnten damit die Probanden in hoch-, mittel- und niedriges genetisches Risikoprofil einordnen“, berichtet der Wissenschaftler.

Damit lässt sich nicht nur der Zeitpunkt der Darmspiegelung gemäß des genetischen Risikoprofils anpassen. In einer weiteren Studie wurde der genetische Risikoscore mit dem Risiko bei familiär vorliegendem Darmkrebs verglichen. Dabei zeigte sich, dass beide Informationen zusammen genommen eine noch bessere Einteilung des Darmkrebsrisikos liefern können. Der Bluttest ist allerdings noch nicht auf dem Markt, es sind noch weitere Studien nötig, später könnte er jedoch im Rahmen eines Gesundheits-Checks unaufwändig mit durchgeführt werden.

Jeder zehnte Deutsche hat eine familiäre Vorbelastung

In der Allgemeinbevölkerung weisen etwa zehn Prozent eine familiäre Vorbelastung auf, die das Darmkrebsrisiko deutlich erhöht. Für die 90 Prozent, die nicht diese familiäre Belastung haben, wäre der Bluttest besonders sinnvoll. „Bei ihnen gehen wir momentan davon aus, dass einige aufgrund ihres genetisches Risikoprofils ein etwa gleich hohes Risiko haben wie die Hälfte der familiär Vorbelasteten“, erklärt der Experte.

Familiäre Belastung bedeutet einerseits Gene, andererseits gewohnter Lebensstil in der Familie

Rund 65.000 Menschen pro Jahr erkranken an Darmkrebs, jeder Vierte hat eine familiäre Belastung, „die sich wiederum aufteilt in:

  • 5 Prozent gehen auf vererbbare Syndrome,
  • 20 Prozent auf eine familiäre Vorbelastung zurück, bei der auch der Lebensstil eine Rolle spielt, der bei vielen von Generation zu Generation weitergegeben wird“,

führt der Forscher aus. Bei dem Lebensstil, der unter anderem auch das Darmkrebsrisiko erhöht, handelt es sich um die bekannten ungünstigen Faktoren wie Rauchen, rotes Fleisch essen, übermäßiger Alkoholkonsum, Übergewicht und Bewegungsmangel.

Erhöhtes Darmkrebsrisiko – keine Angst vor der Darmspiegelung

Gibt es Hinweise auf eine familiäre Belastung, ist auf jeden Fall ein Besuch beim Arzt anzuraten, um die Notwendigkeit einer Darmspiegelung zu besprechen. Mit der Koloskopie lassen sich Veränderungen frühzeitig entdecken und werden, falls nötig, meist bereits im Rahmen der Untersuchung entfernt.

Zwar herrschen teilweise immer noch Vorbehalte gegen das Einführen des Endoskops in den After – doch die Untersuchung ist normalerweise schmerzlos, weil sich der Patient im Dämmerschlaf befindet und das Ganze nur rund 15 Minuten dauert. „Das Risiko behandlungsbedürftiger Nebenwirkungen bewegt sich im Promillebereich und ist somit äußerst gering“, beruhigt der Epidemiologe.

Der richtige Zeitpunkt für die erste Koloskopie

Der Zeitpunkt für die erste Darmspiegelung bei familiärer Belastung sollte mindestens zehn Jahre vor Entdeckung der Darmveränderung des Verwandten liegen, spätestens jedoch zwischen 40 und 45 Jahren. „Hat der Vater also mit 60 Jahren Darmkrebs bekommen, sollten seine Kinder bereits mit 40 oder 45 Jahren zur Darmspiegelung gehen“, rät Korbinian Weigl und bezieht sich auf die deutschen Leitlinien. Wie oft danach erneut untersucht wird, hängt vom Ergebnis der ersten Untersuchung ab.

Dass Früherkennung und Vorsorge lebenswichtig sind, zeigen die Überlebensraten. Wird Darmkrebs in einer frühen Stufe entdeckt, liegt die relative fünf-Jahres-Überlebensrate bei circa 90 Prozent. „Wird eine Vorstufe, etwa ein Adenom, entdeckt und im Rahmen der Koloskopie gleich abgetragen, setzt man sozusagen die Uhr zurück auf Null“, erklärt Korbinian Weigl die Vorteile der Darmkrebsvorsorge per Spiegelung. Darmkrebs bildet sich in der Regel eher langsam, bis auf wenige, besonders aggressive Formen.

Fazit: Wenn bei einem oder mehreren Familienmitgliedern bereits Darmkrebsvorstufen entfernt oder Darmkrebs festgestellt wurde, sollten die Angehörigen auf jeden Fall einen Gastroenterologen konsultieren, auch wenn sie noch deutlich jünger als 50 Jahre sind. Diese Vorsorgeuntersuchung wird zwar von den Krankenkassen für Frauen erst ab 55 Jahren vorgeschlagen, für Männer wird in Kürze die Grenze auf 50 Jahre gesenkt. Allerdings gelten diese Altersbeschränkungen nicht, wenn sich auch nur der kleinste Verdacht auf eine Darmveränderung abzeichnet und/oder bei einer familiären Vorbelastung.


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