Trotz seltener spezieller und schwerer Thrombosen der Hirnvenen und des Bauchraums ist das Urteil der EMA, STIKO und anderer Behörden zur Impfung mit AstraZeneca klar: Der Gesamtnutzen überwiegt die Risiken. Beim Einzelnen bleiben aber Zweifel, auch weil die Wissenschaft noch nicht versteht, wie es genau zu den Thrombosen kommt. Bei der individuellen Entscheidungsfindung hilft es, sich vor Augen zu führen, dass auch eine COVID-19-Infektion diese besonderen Thrombosen zu verursachen scheint. Der Mechanismus könnte beim Impfstoff dennoch ein anderer sein als bei der Infektion.
Die EMA hat laut Mitteilung dieser Woche acht Thrombosefälle in Kombination mit Thrombozytopenie begutachtet, die nach Gabe des COVID-19-Impfstoffs von Johnson & Johnson in den USA aufgetreten waren. Die Fälle seien sehr ähnlich zu denen gewesen, die bei Vaxzevria beobachtet wurden, es wird ein ähnlicher Mechanismus angenommen. Somit wurden nun auch die gleichen Maßnahmen empfohlen. Doch auch beim Vektor-Impfstoff von AstraZeneca gibt es wie bei Janssen auch noch offene Fragen.
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Relativ klar scheint indes, dass die Wissenschaft tatsächlich davon ausgeht, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der Verabreichung des COVID-19-Impfstoffs von AstraZeneca (Vaxzevria) / Janssen und seltenen schwerwiegenden Thrombosen in Verbindung mit Thrombopenie besteht. Der Mechanismus dahinter ist allerdings weiterhin nicht abschließend geklärt. Die EMA verwies aber darauf, dass es immerhin bereits erste Therapieempfehlungen zur Behandlung der beobachteten (potenziellen) Nebenwirkungen gibt.
In vielen Ländern – auch in Deutschland – wurden jedenfalls schnell Konsequenzen aus den sehr seltenen, speziellen und schwerwiegenden nach Impfung mit Vaxzevria beobachteten Thrombosen gezogen. Unter 60-Jährige sollen in Deutschland den Impfstoff nur noch auf eigenes ausdrückliches Verlangen nach Aufklärung erhalten, auch diejenigen, die bereits einmal mit Vaxzevria geimpft wurden. Sie erhalten die Zweitimpfung standardmäßig mit einem der beiden verfügbaren mRNA-Impfstoffe. Daten zur Kombination von mRNA- und Vektor-Impfstoffen gibt es derzeit aber noch keine.
Abschnitt 4.8 der Fachinformation
„Thrombozytopenie wurde als unerwünschte Reaktion mit einer Häufigkeit von häufig eingefügt, basierend auf Daten aus klinischen Studien.
Weiterhin wurde Thrombose in Kombination mit Thrombozytopenie mit einer Häufigkeit von sehr selten aufgenommen.“
Rote-Hand-Brief vom 13.04.2021
Die EMA war aber schon (bzw. immer noch) am 7. April vom Gesamtnutzen-Risiko-Verhältnis der AstraZeneca-Vakzine überzeugt. Auch wenn sie empfahl, dass die ungewöhnlichen Blutgerinnsel als sehr seltene Nebenwirkung von Vaxzevria benannt werden sollen, konnte sie zur Vermeidung solcher Nebenwirkungen jedoch keine klaren Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht oder vorbestehende Gerinnungsstörungen ausmachen. Dem PRAC lagen zu diesem Zeitpunkt Berichte über 62 Fälle von zerebralen Sinusvenenthrombosen (CVST) vor sowie 24 Fälle von Splanchnikusvenenthrombosen (Thrombosen in Venen des Abdomens), die bis 22. März 2021 in der EU-Datenbank für Arzneimittelsicherheit (EudraVigilance) gemeldet worden waren. 18 Menschen waren bis dahin gestorben. Bis heute ist die EMA von diesem Urteil nicht abgewichen.
Ursprünglich begonnen hatte die öffentliche Diskussion um die thromboembolischen Ereignisse bei Vaxzevria am 11. März. Auch wenn danach immer wieder betont wurde, dass der Nutzen der Impfung die Risiken weiterhin überwiegt, blieb in der Bevölkerung ein ungutes Gefühl zurück. Vor allem, wenn es konkret die Option auf eine Impfung mit AstraZeneca gibt, fällt vielen die Entscheidung nicht leicht: „Lasse ich mich impfen oder nicht?“
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Am 13. April war schließlich auch ein weiterer Rote-Hand-Brief zu Vaxzevria erschienen. Dort heißt es, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Impfungen mit Vaxzevria und dem Auftreten von Thrombosen in Kombination mit Thrombozytopenie als „plausibel“ angesehen wird. Und es heißt: „Bisher traten die gemeldeten Fälle nach Verabreichung der ersten Vaxzevria-Dosis auf. Die Erfahrungen nach der zweiten Dosis sind noch immer begrenzt.“ Es werde als wahrscheinlich erachtet, dass das Syndrom, das der aHit (atypische Heparininduzierte Thrombozytopenie) ähnelt, durch einen Autoantikörper mit einer hohen Bindungsaffinität zu PF4 ausgelöst wird. Eine Reihe von Studien wurden angekündigt, „um den genauen pathophysiologischen Mechanismus für das Auftreten dieser thrombotischen Ereignisse zu identifizieren und das genaue Ausmaß des Risikos zu definieren“.
Eine Tatsache, die schon früh bei der Entscheidung für die Impfung helfen konnte, war, dass schon am 4. März sich Hinweise im Internet darauf finden ließen, dass zerebrale Sinusvenenthrombosen auch im Zusammenhang mit COVID-19-Infektionen beobachtet wurden. Man konnte also vermuten, dass man sich mit einer COVID-19-Infektion einem mindestens ebenso großen Risiko für die seltene und spezielle Nebenwirkung aussetzt, wie durch die Impfungen, die gegen die Infektion schützen – und damit auch gegen all die Risiken, welche die Infektion zusätzlich zu den speziellen Thrombosen mit sich bringt.
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