„Signalwirkung über DocMorris-Plattform hinaus“

Das Landgericht Karlsruhe hat dem Marktplatz-Modell von DocMorris eine Absage erteilt. Es sieht darin einen Verstoß gegen das Makelverbot sowie das Verbot von Vereinbarungen mit Dritten, die eine am Apothekenumsatz orientierte Vergütung vorsehen. Was bedeutet dies nun für Apotheken, die solche oder ähnliche Verträge mit Plattformbetreibern abgeschlossen haben oder abschließen wollen?

Bei der Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) freut man sich erneut über einen juristischen Sieg: Am gestrigen Donnerstag entschied das Landgericht Karlsruhe, dass der DocMorris-Marktplatz, an den sich deutsche Vor-Ort-Apotheken vertraglich binden können, gegen Regelungen des Apothekengesetzes verstößt. Knackpunkt sind die Gebühren. Zum einen sollen die deutschen Partnerapotheken eine Grundgebühr von monatlich 399 Euro zahlen. Zudem soll bei Bestellungen von nicht ärztlich verordneten Produkten eine Transaktionsgebühr in Höhe von 10 Prozent des Nettoverkaufspreises erhoben werden.

Erstmals hat sich ein Gericht umfassend mit dem erst im Jahr 2020 ins Apothekengesetz eingeführten Makelverbot für (E-)Rezepte, das 2021 noch auf den E-Token erstreckt wurde, auseinandergesetzt. Die Karlsruher Richter:innen hegen keine Zweifel: Die von DocMorris bereitgestellte Marktplatz-Infrastruktur zur Übermittlung von Verschreibungen gegen eine Grundgebühr verstößt gegen das in § 11 Abs. 1a ApoG normierte Verbot.

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Darüber hinaus nahm das Gericht mit Blick auf verschreibungsfreie Produkte einen Verstoß gegen § 8 Satz 2 ApoG an. Demnach sind „Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für dem Erlaubnisinhaber gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist (…), unzulässig“. Ob diese Norm auf derartige Plattform-Konstellationen anzuwenden ist, ist auch unter Apothekenrechtsexperten umstritten. Sind die prozentualen Transaktionsgebühren am (Gesamt-)Umsatz ausgerichtet? Das Landgericht Karlsruhe argumentiert: Bei der Regelung gehe darum, keine Abhängigkeit von Dritten zu schaffen, die die Apothekenleiter:innen in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt. Den Einwand, die umsatzabhängige Vergütung werde nur für einen kleinen Umsatzteil verlangt, sodass es zu keiner Abhängigkeit kommen könne, weisen die Richter:innen zurück. Denn die Situation könne sich unter Umständen schnell ändern, auch mit Blick auf das E-Rezept. Das, so das Gericht, könne man mit Blick auf andere Marktplätze, etwa booking.com, als allgemein bekannt voraussetzen.

Argumente lassen sich auch auf Amazon anwenden

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. DocMorris kann Berufung beim Oberlandesgericht Karlsruhe einlegen – und wird dies mit Sicherheit auch tun. Dennoch gehen Bettina Mecking, Justiziarin und stellvertretende Geschäftsführerin der AKNR, sowie die Prozessanwälte der AKNR, Morton Douglas und Anne Bongers-Gehlert, davon aus, dass die Entscheidung „eine Signalwirkung über die Plattform von DocMorris hinaus entfalten“ werde. 

Mecking sagt gegenüber der DAZ: „Auch wenn im Grundsatz jeder Vertrag und jede Kooperation für sich beurteilt werden muss, findet sich in den Urteilsgründen eine ganze Reihe von Hinweisen, die über den konkreten Sachverhalt hinaus von Bedeutung sind. Dies gilt zunächst insbesondere für andere Online-Marktplätze für apothekenpflichtige Arzneimittel wie Amazon, auf denen bekanntlich Apotheken umsatzabhängige Transaktionsgebühren im großen Stil an die Betreiber zu entrichten haben.“ Insbesondere die Überlegungen zur wirtschaftlichen Abhängigkeit ließen sich mit Blick auf Amazon anwenden, so Mecking.

Apotheker:innen können sich nicht zurücklehnen

Die Justiziarin hat auch einen Appell an die Apotheker:innen: Selbst wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig sei, könnten sich diese nicht mehr schlicht zurücklehnen und auf den Ausgang des zivilrechtlichen Verfahrens warten. Sie müssten es vielmehr aus beruflicher Sorgfalt bei ihren geschäftlichen Entscheidungen berücksichtigen. Denn die Behörden seien nun über diese Sichtweise informiert und könnten sich der Rechtsauffassung unabhängig vom weiteren Fortgang des Verfahrens anschließen und daraus die entsprechenden rechtlichen Konsequenzen gegen die Apotheken ziehen und durchsetzen. „Mit anderen Worten ausgedrückt ist nun jeder Apotheker in Deutschland bösgläubig“, sagt Bettina Mecking. Sofern daher Apotheken solche Verträge, die nach § 8 Satz 2 ApoG zu beanstandende Vereinbarungen enthalten, noch abschließen oder bereits abgeschlossene Verträge weiter erfüllen, nähmen sie billigend in Kauf, einen Berufsrechtsverstoß zu begehen – das heißt, sie handelten vorsätzlich.

Apothekenleiter:innen könne dies zusätzlich Ärger mit der örtlichen Aufsicht einbringen. Denn jede:r Betriebsinhaber:in habe im Zusammenhang mit dem Antrag auf Erteilung der Betriebserlaubnis eidesstattlich zu versichern, keine Verträge geschlossen zu haben, die gegen das Apothekengesetz verstoßen. Sollte eine Aufsichtsbehörde sich der Rechtsauffassung des Landgerichts Karlsruhe anschließen, so könnte für jene, die auf der Durchführung der Verträge beharren, in letzter Konsequenz das Fortbestehen der Betriebserlaubnis auf dem Spiel stehen.

Douglas freut sich überdies, dass die erstmalige Anwendung des § 11 Abs. 1a ApoG durch ein Gericht im Sinne der Apotheken gelungen ist. „Der Gesetzgeber hat die Befürchtungen vor der Marktmacht kapitalgetriebener Plattformen ernst genommen. Dass diese Risiken auch tatsächlich bestehen, wurde vom Landgericht Karlsruhe in aller Deutlichkeit anerkannt.“

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