Reanimationen in Altenheim: Virologe sagt, wann Sie mit Drittimpfung warten sollten

Drei Tage nachdem sie die dritte Corona-Impfung bekommen haben, mussten Mediziner zwei Bewohner eines Altenheims reanimieren. Ob ein Zusammenhang besteht, ist bisher unklar. Viele Senioren sind verunsichert. Experten warnen vor voreiligen Schlüssen.

In einem Seniorenzentrum in Oberhausen mussten Ärzte zwei Bewohner wiederbeleben. Weil sie drei Tage zuvor die dritte Corona-Schutzimpfung erhalten hatten, steht nun die Frage im Raum, ob und inwiefern ein Zusammenhang besteht.

Der Leiter des Gesundheitsamtes geht laut "WDR"-Informationen zwar derzeit davon aus, dass eine Kombination aus Dehydrierung, dem warmen Wetter vor Ort und der Dauer-Medikation der Senioren zu den Komplikationen geführt hat. Aber könne die Ursache "zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend gedeutet werden". Entsprechend habe man die Fälle an das Paul-Ehrlich-Institut gemeldet. Dieses ist in Deutschland dafür zuständig, solche Verdachtsfälle zu dokumentieren und zu überwachen.

Experten: Sechs Monate nach Zweitimpfung warten

Den beiden reanimierten Personen gehe es nach anfänglicher Behandlung auf einer Intensivstation wieder besser, teilte die Stadt mit. Sie seien wieder auf eine Normalstation verlegt worden. Doch auch bei sieben weiteren von insgesamt 90 geimpften Personen im Seniorenzentrum sei es zu "auffälligen gesundheitlichen Störungen gekommen". Im Wesentlichen seien Herz-Kreislaufbeschwerden sowie Atemwegs- und neurologische Störungen aufgetreten.

Kein Zusammenhang mit Todesfall

Am Dienstag war es neben den Zwischenfällen nach der Drittimpfung auch zu einem Todesfall in dem Oberhausener Heim gekommen. Dieser steht „entgegen anderslautender Berichterstattung“ jedoch explizit nicht in Zusammenhang mit den Impfungen, wie die Stadt erklärt. „Die Person, die leider verstorben ist, war palliativ und wurde vorher nicht geimpft“, hieß es am Mittwoch.

Das Mülheimer Impfzentrum hat sein Impfangebot daraufhin diese Woche angepasst: Über 80-Jährige, die ihren Immunschutz seit vergangener Woche offiziell mit einer dritten Impfung auffrischen können, bekommen die Booster-Dosis vorerst nur noch dann, wenn die ersten Impfungen mindestens sechs Monate zurück liegen. JLU/Rolf K. Wegst Virologe Friedemann Weber

Virologe Friedemann Weber hält diese Entscheidung für richtig. Zwar ist es "viel zu verfrüht, um aus diesen Einzelfällen eindeutige Rückschlüsse zu ziehen", erklärt der Leiter der Virologie der Universität Gießen auf Nachfrage von FOCUS Online. Es handele sich schließlich um Bewohner eines Altenheims, die ja generell oft gesundheitliche Störungen hätten.

"Aber man muss selbstverständlich untersuchen, ob es einen Zusammenhang mit der Impfung gibt, oder eben nicht." Bis das geklärt ist, sei die Sechs-Monats-Regel des Impfzentrums "vernünftig".

Immunologen-Chef hält Impf-Stopp für "zu ängstliche Reaktion"

Ein Hausarzt aus Oberhausen hat Drittimpfungen bei seinen Patienten indes am Dienstag komplett gestoppt. Er wolle abwarten, bis die Ständige Impfkommission (Stiko) eine offizielle Empfehlung für die dritte Impfdosis ausspricht. Diese wird in den kommenden Wochen erwartet. Eine Drittimpfung "ohne Impfempfehlung jetzt schnell durchzuführen, ist aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehbar", zitiert der "WDR" den Mediziner. IfADo Immunologe Carsten Watzl

Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, hat diese Reaktion als "zu ängstlich" bezeichnet. Dem "WDR"-Bericht nach warnt er vor voreiligen Schlüssen. Von den beschriebenen Einzelreaktionen könne nicht auf das Gros geschlossen werden. In Israel habe es bisher keine Probleme mit der Auffrischungsimpfung gegeben – obwohl dort bereits mehr als eine Million Menschen ab 60 Jahren den dritten Corona-Pieks bekommen haben.

Einen Mindestabstand von sechs Monaten nach der zweiten Impfung erachtet aber auch Watzl für sinnvoll. "So lange sollte man warten, damit sich die Gedächtniszellen beruhigen."

Warum Mediziner die Drittimpfung für Ältere empfehlen

Generell halten Mediziner die dritte Impfung gegen Covid-19 für ältere Menschen und Personen mit eingeschränkt arbeitendem Immunsystem für sinnvoll. Dies betont auch Infektiologe Leif Erik Sander von der Berliner Charité.

Jüngst als Preprint veröffentlichte Zwischenergebnisse einer Studie seiner Forschungsgruppe hätten bestätigt, dass die Immunantwort von älteren Menschen auf die Impfung deutlich stärker nachlässt als bei jüngeren.

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    Bei vier von zehn Menschen in einer Gruppe, deren Durchschnittsalter in der Studie bei 82 Jahren lag, seien nach einem halben Jahr keine neutralisierenden Antikörper mehr gegen die Delta-Variante feststellbar. Im Vergleich dazu bestimmte die Forschungsgruppe auch den Antikörperspiegel bei Charité-Mitarbeitern. Sie waren im Durchschnitt 35 Jahre alt – und hatten immer noch zu über 97 Prozent neutralisierende Antikörper gegen die Delta-Variante. Und das, obwohl beide Studiengruppen zur gleichen Zeit mit dem gleichen Vakzin von Biontech geimpft worden waren.

    Ein signifikanter Unterschied zeigte sich auch in der T-Zell-Antwort. "Insgesamt deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass das etablierte Zwei-Dosen-Impfschema bei älteren Menschen im Vergleich zu jungen Erwachsenen weniger dauerhafte Immunreaktionen hervorruft", heißt es im Preprint. Entsprechend sei die Empfehlung, ältere Menschen noch einmal zu boostern, unbedingt nachvollziehbar, urteilt Sander. Zumal deren Risiko, schwer zu erkranken, je nach Altersgruppe hundertfach erhöht sei.

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    Abgesehen von Risikogruppen und unter Umständen deren Umfeld brauche derzeit allerdings niemand, der erst vor kurzem geimpft worden sei, eine dritte Impfung, erklärt Sander. Natürlich könnten Booster-Impfungen die Zahl der Durchbruchsinfektionen senken, wie eine Studie aus Israel erst kürzlich gezeigt habe. "Auf das Infektionsgeschehen hat aber die Impfung von bislang Ungeimpften einen viel stärkeren Einfluss als eine dritte Impfung für junge gesunde Menschen." 

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    Für die dritte Dosis könnte darüber hinaus eine geringere Dosis ausreichen. Das legte kürzlich ein Team um den Epidemiologen Benjamin Cowling von der Universität Hongkong im Fachblatt "Nature Medicine" nahe.

    Dieses "Fraktionierung" genannte Verfahren ist bereits von anderen Impfstoffen bekannt und könnte, so die Autoren der Studie, eine mögliche Lösung für den weltweiten Mangel an Impfstoffen sein, die bisher nicht ausreichend beachtet und berücksichtigt worden sei. Auch der Hersteller Moderna hat die Zulassung für die dritte Impfdosis nur noch für die Hälfte der Dosierung seiner bisherigen Impfstoffe beantragt.

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