Mit schweren Schussverletzungen kommt eine 39-Jährige in die Notaufnahme eines Krankenhauses im kanadischen British Columbia. Die Frau scheint großes Glück gehabt zu haben: Sie lebt, obwohl sie aus nächster Nähe mit einer Schrotflinte angeschossen worden war. In ihrer Brust und ihrem Oberkörper stecken zwar Fragmente der Kugeln, doch offenbar hat das Geschoss keine lebensgefährlichen Verletzungen verursacht. Die Patientin ist ansprechbar und redet sogar – bis sich ihr Zustand plötzlich von einem Moment auf den anderen verschlechtert. Sie kann nicht mehr richtig atmen.
Die Ärzte handeln sofort, intubieren die Frau und schieben sie in den OP. Dort öffnen sie den Brustkorb, um nach inneren Verletzungen zu suchen – und sind überrascht: Im Brustkorb der Frau steckt ein verbogener Metalldraht. „Das Ding stand wortwörtlich im 90-Grad-Winkel hervor“, wird Laura Duggan, Anästhesistin an der „University of British Columbia“ von der „Washington Post“ zitiert. Das Ärzteteam ist ratlos: Um was handelt es sich dabei?
Metalldraht verursacht lebensgefährliche Verletzungen
Aus Sorge, es könnte sich um einen Teil einer Spreng-Vorrichtung handeln, kontaktieren sie die Polizei und evakuieren den OP-Raum. „Wir waren gerade dabei, die Leute aus dem Raum zu schicken“, erklärt Duggan weiter. „Dann kam eine Krankenschwester in den Raum und sagte: ‚Hey, das ist ein BH-Bügel.“ Die Medizinerin untersucht die Kleidung der Frau und kann den Verdacht bestätigen: Tatsächlich fehlte bei dem BH ein Draht.
Offenbar hatte sich der Metalldraht durch die Wucht der Schrotflinte in den Oberkörper gebohrt – und großen Schaden angerichtet. Die Ärzte schildern den Fall von vor zwei Jahren in einem Fachblatt und erklären darin auch die Schwere der Verletzungen: Demnach hatte der Bügel den Magen durchtrennt, den linken Oberlappen der Leber abgeschnitten, das Zwerchfell zerrissen und in die Aorta geschnitten. Bei der Aorta handelt sich um das größte Blutgefäß im menschlichen Körper. Nur mit Mühe konnten die Ärzte die Blutung stoppen. Auch der Magen der Patientin musste fast vollständig entfernt werden.
Die Patientin überlebte den Unfall nur knapp, erholte sich nach der Operation aber vollständig. „Ich mache diesen Job jetzt seit 20 Jahren“, sagt Duggan. „Aber ich hätte nie gedacht, dass ein BH-Bügel zu einer solchen Häufung von lebensbedrohlichen Verletzungen des Oberbauchs führen könnte. Deswegen haben wir uns dafür entschieden, es aufzuschreiben.“
Quelle: Washington Post / Canadian Journal of Anesthesia
Quelle: Den ganzen Artikel lesen