Stand-Up-Comedian Felix Lobrecht sprach kürzlich offen über seine Diagnose ADHS und warum sie ihm geholfen hat, vieles in seinem Leben besser zu verstehen. Lobrecht ist damit nicht allein. Viele Menschen haben ADHS auch im Erwachsenenalter, teils ohne es zu wissen. Wir klären die wichtigsten Symptome.
„Die Diagnose verändert den Blick auf mein Leben“, sagte Comedian und Autor Felix Lobrecht kürzlich in einem Stern-Interview. Seit der ADHS-Diagnose verstehe er nun besser, warum ihm manche Sachen schwergefallen seien. „Dann dieser Bewegungsdrang, oft diese Probleme mit Anpassung und Autorität, teilweise Schwierigkeiten, mich zu konzentrieren – vor allem bei Dingen, die ich nicht mochte“, erklärt er.
Tatsächlich sind das typische Symptome für Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS. Im Erwachsenenalter ist das Krankheitsbild noch immer wenig bekannt und werde unterschätzt, erklärt Astrid Neuy-Lobkowicz, Fachärztin für Psychotherapie und Psychosomatik, in einem Beitrag für den Selbsthilfeverein „ADHS Deutschland“.
Schätzungsweise zwei Millionen Menschen seien in Deutschland betroffen – ohne die geringste Ahnung davon zu haben, so Neuy-Lobkowicz. Wir klären die wichtigsten Hintergründe wie Ursache, Häufigkeit und Symptome.
ADHS im Erwachsenenalter – das sind die Symptome
Die Anzeichen lassen sich gliedern in die drei Kernsymptome
- Aufmerksamkeitsdefizit,
- Hyperaktivität und
- Impulsivität.
Sie sind besonders im Kinder- und Jugendalter stark ausgeprägt. Im Erwachsenenalter gibt dann laut dem vom Bund geförderten Infoportal ADHS einen leichten Shift. Während Kinder mit ADHS häufig die klassischen „Zappelphilippe“ sind, wird die Hyperaktivität im Erwachsenenalter eher durch ein Gefühl der inneren Unruhe und Getriebenheit abgelöst. Sie können dennoch oft schwer abwarten und stillsitzen, wippen mit den Füßen oder trommeln mit den Fingern. Auch ein starker Rededrang oder häufiges Unterbrechen können Anzeichen sein.
Impulsivität kann bei Erwachsenen mit ADHS bestehen bleiben und äußert sich beispielsweise darin, dass Betroffene teils heftige Stimmungsschwankungen haben, vorschnell Entscheidungen treffen und oftmals überzogen reagieren. Auch Wutausbrüche, Kaufrausch und Missachtung von Regeln und Gesetzen können Anzeichen sein.
Als größte Belastung empfinden die meisten Erwachsenen mit ADHS allerdings das Aufmerksamkeitsdefizit und damit verbundene Konzentrationsprobleme. Betroffene sind schnell abgelenkt, vergesslich, sprunghaft und zerstreut, was zu erheblichen Schwierigkeiten im Job, aber auch im Privatleben führen kann. Viele Betroffene bleiben trotz hoher Intelligenz weit unter ihren Möglichkeiten. Ausnahme: Wenn sie sich für eine Sache extrem interessieren, können sie sich sehr gut konzentrieren und Höchstleistungen erbringen (siehe Punkt: positive Symptome).
Laut LMU-Klinikum München bestehen bei etwa einem Drittel der ADHS-Patienten zusätzliche Begleiterkrankungen wie Depression, Angst- oder Suchtstörungen.
ADHS kann Alltag der Betroffenen einschränken
Die genannten Anzeichen deuten bereits an, dass ADHS den Alltag von Betroffenen massiv beeinflussen kann. So gilt zum Beispiel das Unfallrisiko wegen Unaufmerksamkeit und impulsiver, risikoreicher Fahrweise als erhöht. Impulsive Reaktionen wie Wutausbrüche, aber auch Stimmungsschwankungen und das Nicht-Einhalten von Absprachen kann zu Konflikten führen – sowohl im Berufs- als auch im Privatleben. Eine Folge können deshalb häufig wechselnde Jobs oder auch Arbeitslosigkeit sein. Erhöhte Unaufmerksamkeit, selbst in intimen Situation, wird zudem oft als mangelndes Interesse interpretiert, was Beziehungen ebenfalls belasten kann.
Laut Expertin Neuy-Lobkowicz treten Probleme in folgenden acht Bereichen auf:
- Selbstorganisation
- Zeitmanagement
- Finanzmanagement
- Beziehungsgestaltung
- Arbeitsorganisation
- Teamfähigkeit
- Kindererziehung
- Straßenverkehr
Positive Symptome von ADHS
Doch es gibt auch positive Merkmale. „Die Betroffenen sind originelle, kreative Menschen, oft die unbequemen mutigen Vordenker, weil sie sich nicht an Regeln halten und alles in Frage stellen können“, erläutert Neuy-Lobkowicz. „Wenn diese Menschen für sich die richtige berufliche Nische gefunden haben, sind sie häufig genial und unschlagbar in ihrem sprühenden Eifer und ihrem unermüdlichem Aktionismus.“
ADHS sei häufig „ein Phänomen, das sich zwischen Genie und Wahnsinn bewegt.“
Ursache und Häufigkeit
Die genaue Ursache von ADHS ist noch nicht abschließend geklärt. Klar ist allerdings, bei der Entstehung der Erkrankung spielen vielfältige Faktoren eine Rolle, dazu zählen:
- genetische Ursachen, denn ADHS kann vererbt werden,
- äußere Einflüsse wie Frühgeburt oder Geburtskomplikationen,
- Störung im Neurotransmitterbereich (Botenstoffe im Gehirn), insbesondere von Dopamin und Noradrenalin
Fünf bis neun Prozent der Kinder und Jugendlichen im Alter von drei bis 17 Jahren sind von ADHS betroffen. Ein Teil von ihnen, laut Schätzungen sind es fünf bis 15 Prozent, erfüllen die ADHS-Kriterien im Erwachsenenalter weiter. Vereinzelte Symptome treten zudem bei etwa 70 Prozent auf.
Diagnose
Weil sich ADHS so unterschiedlich äußert, wird es teils gar nicht oder erst spät diagnostiziert. Im Internet gibt es mehrere Selbsttests, auch einen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dennoch sollten Sie die Ergebnisse immer mit einem Experten abklären. Dazu zählen ADHS-erfahrene Psychotherapeuten oder Fachärzte der Neurologie, Psychiatrie oder Psychosomatik.
Mit Unterstützung von Gesprächen, Fragebögen, Tests und gegebenenfalls körperlichen Untersuchungen, um andere Erkrankungen auszuschließen, wird hier eine klare Diagnose gestellt.
Hier geht's zum ADHS-Selbsttest der WHO (Achtung: Ersetzt kein Gespräch mit einem Experten!)
Therapie
ADHS gilt als gut behandelbar, wenn auch nicht als heilbar. Bei Erwachsenen mit ADHS ist der Nutzen von Medikamenten sowie einer Psychotherapie wissenschaftlich belegt. Oft ist eine Kombination beider Behandlungsformen sinnvoll. Auch das sollte mit einem entsprechenden Facharzt geklärt werden. Hilfreich ist auch, wenn Betroffene umfassend über das Krankheitsbild informiert und beraten werden. Denn je besser man über ADHS Bescheid weiß, desto einfach wird es, damit im Alltag umzugehen.
Daneben gibt es einfache Strategien, die im Alltag helfen können:
- Routinen für eine bessere Organisation und Struktur
- Wichtige Gegenstände (Schlüssel, Handy etc.) immer am gleichen Ort ablegen
- To-Do-Listen, damit wichtige Termine und Aufgaben nicht vergessen werden
- Aufklärung von Familie und Freunden hilft und schafft Verständnis
- Achtsamkeits- und Entspannungsübungen helfen bei der Impulskontrolle, Sport beim Abbau überschüssiger Energie
Lobrecht ist extrem erfolgreich, will sich nun aber erst einmal aus der Öffentlichkeit zurückziehen
Menschen mit ADHS können ein sehr erfolgreiches Leben führen. Lobrecht selbst ist das beste Beispiel. Er wurde als Comedian deutschlandweit bekannt, sein Podcast „Gemischtes Hack“ mit Tommi Schmitt ist einer der meistgehörten des Landes und sein Debütroman „Sonne und Beton“ wurde verfilmt und läuft seit 2. März im Kino.
Überraschend hatte Lobrecht am Donnerstag verkündet, sich für eine Zeit aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Er hätte sich „zu Tode gearbeitet“, sagte er. Ob und inwieweit das auch mit seiner Rastlosigkeit durch ADHS zusammenhängt, ist nicht bekannt. Aber es zeigt, dass eine extreme Fokussierung nur sehr schwer dauerhaft aufrechtzuerhalten ist.
Infos für Betroffene
Infoportal für Erwachsene mit ADHS: www.adhs-ratgeber.com
Selbsttest für Erwachsene der WHO (World Health Organization): www.adhs-ratgeber.com
ADHS Deutschland e.V.: Selbsthilfe für Menschen mit ADHS: www.adhs-deutschland.de
Vom Bundesministerium für Gesundheit gefördertes ADHS-Infoportal: www.zentrales-adhs-netz.de
Quelle: Den ganzen Artikel lesen