Hygiene- und Abstandsempfehlungen anstatt rigoroser Lockdowns – Schwedens Weg durch die Corona-Pandemie war und ist eigen im Vergleich zu Deutschland. Dennoch ist die Lage der Skandinavier aktuell deutlich entspannter. Das hat mehrere Gründe, deren Preis aber auch hoch war.
Wird über die Corona-Lage in Europa gesprochen, erregt ein Land immer wieder besondere Aufmerksamkeit:: Schweden. Die Skandinavier haben sich über die mittlerweile 21 Monate andauernde Pandemie einen Namen damit gemacht, immer wieder einen eigenen Weg entgegen des Mainstreams zu gehen. Rigorose Maßnahmen wie vollständige Lockdowns? Gab es nicht. Stattdessen setzte man auf Hygiene- und Abstandsempfehlungen.
Schweden: Inzidenz nur bei 59,8 – 11,7 Prozent der Bevölkerung infiziert
Bis heute verloren in Schweden 15.000 Menschen durch Covid-19 ihr Leben, in Deutschland sind es 98.000. Mit Blick auf die Einwohnerzahlen (10,6 Mio. zu 83,2 Mio.) wird allerdings deutlich, dass die Bundesrepublik achtmal mehr Einwohner als die Skandinavier, aber nur sechseinhalb Mal so viele Opfer zu beklagen hat. Während sich bei uns etwa 6,25 Prozent der Bevölkerung schon mit dem Virus infiziert hat, sind es in Schweden schon 11,7 Prozent.
Dennoch steht Schweden heute im positiven Sinne an der Spitze Europas. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt Stand 19.11. bei gerade einmal 59,8, während sie in Deutschland bei 340,7 liegt. Von einer Überlastung der Intensivstationen sind die schwedischen Krankenhäuser meilenweit entfernt. Ende September hatte man den "Freedom Day" ausgerufen, fast sämtliche Corona-Beschränkungen waren aufgehoben worden. Wie passt das zusammen?
Ü60-Jährige fast komplett geimpft – großes Vertrauen in Regierung
Auch wenn die generelle Impfquote der Schweden nur marginal besser ist als der Deutschen, ist diese bei genauerer Betrachtung ein Faustpfand. Der Grund: Die besonders gefährdeten Altersgruppen sind fast vollständig geimpft, zudem haben 44 Prozent der über 80-Jährigen ihre Booster-Impfung erhalten.
- 90,6 Prozent bei den 60 bis 69-Jährigen
- 93,3 Prozent bei den 70 bis 79-Jährigen
- 93,2 Prozent bei den 80 bis 90-Jährigen
- 89,2 Prozent bei den über 90-Jährigen
Außerdem scheint der psychologische Aspekt ein entscheidender Faktor gewesen zu sein. "Ich denke, dass wir Schweden es mehr gewohnt sind als andere Länder, die milden, aber wirksamen Maßnahmen wie 'Social Distancing' anzuwenden, weil wir während der gesamten Pandemie weiterhin am öffentlichen Leben teilgenommen haben", erklärt Matti Sällberg, Professor für Biomedizinische Analyse am Karolinska-Institutet in Solna, gegenüber der "Welt". Auch dass das Land deutlich weniger dicht besiedelt ist als die Bundesrepublik trug seinen Teil dazu bei. imago images/TT Ende September feierten die Schweden ihren „Freedom Day“, das Ende der Corona-Beschränkungen
Zudem herrsche in Schweden im Gegensatz zu Deutschland ein hohes Maß an Vertrauen in die handelnde Regierung, die vorausschauend und transparent bereits im Mai einen Fünf-Punkte-Plan im Kampf gegen die Pandemie mit Aussicht auf schrittweise Lockerungen aufstellte. "Wenn die Regierung sagt 'Setz dich hin', dann setzen wir uns hin.", so Sällberg. "Das bedeutet nicht, dass wir blöd sind. Wir vertrauen unserer Regierung." Dadurch entstand auch ein hoher Grad an Verantwortungsbewusstsein jedes einzelnen Bürgers. Entsprechend sei die Zahl an Impfgegnern auch sehr gering.
"Schweden war ein Nettoexporteur des Sars-CoV-2-Virus"
So gut es den Schweden derzeit auch gehen mag, die Rolle des Landes in der Pandemie ist durchaus kritisch zu betrachten. Schwedens zurückhaltende Corona-Strategie hat einer Studie zufolge nämlich dazu beigetragen, dass das Virus in andere Länder getragen werden konnte. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher der Universität Uppsala in Schweden, des Norwegischen Instituts für öffentliche Gesundheit und der Universität Sydney in Australien. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift "Eurosurveillance" veröffentlicht.
"Schweden war im ersten Jahr der Pandemie ein Nettoexporteur des Sars-CoV-2-Virus in unsere nordischen Nachbarländer", sagte John Pettersson von der Universität in Uppsala am Dienstag dem schwedischen TV-Sender SVT. Der Studie zugrunde liegt die Analyse von 71.000 Patientenproben, anhand derer eine Art genetischer Stammbaum für die Ausbreitung des Virus in den nordischen Ländern erstellt werden konnte. Es stellte sich heraus, dass Infektionsketten mit Ursprung in Schweden in mehreren hundert Fällen die Landesgrenzen überschritten.
Klarsichthülle: aufklappbar, transparent & leicht mattiert
"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Schwedens Eindämmungsstrategie einen Einfluss auf die epidemiologische Situation im Land und in der gesamten nordischen Region hatte", heißt es in der Studie. Man müsse allerdings berücksichtigen, dass Schweden – wie auch Dänemark – ein Transitland sei.
Schweden führt Corona-Impfpass für öffentliche Veranstaltungen ein
Noch hat die vierte Welle das skandinavische Land nicht erreicht, doch auch hier steigen langsam die Infektionszahlen an. Angesichts dessen führt Schweden ab 1. Dezember einen Corona-Impfpass ein. Dieser gilt vorerst für öffentliche Veranstaltungen in geschlossenen Räumen mit mehr als hundert Teilnehmern, wie die Regierung am Mittwoch mitteilte. Im Vergleich zu den umliegenden Ländern hat Schweden zuletzt geringe Infektionsraten gemeldet.
Das Land rechne im Winter jedoch mit einem Anstieg der Fälle und sei "nicht vom Rest der Welt isoliert", sagte Gesundheitsministerin Lena Hallengren. Der Impfpass wird bei Veranstaltungen wie Konzerten, Theatern und Sportereignissen verlangt, nicht aber in Restaurants und Bars. Für Veranstalter, die den Ausweis nicht verlangen, sollen andere strenge Beschränkungen in Bezug auf die Anzahl der Besucher und die Abstandsregeln gelten.
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