Wer sich in den letzten 24 Stunden auf Twitter rumgetrieben hat, konnte kurz den Eindruck bekommen in einer Selbsthilfegruppe gelandet zu sein. Tausende Nutzerinnen und Nutzer stellten sich unter dem Hashtag #allesindenArm mit Name, Alter und Beruf vor und erzählten auf ernste oder humorvolle Weise, wieso sie sich haben impfen lassen.
Eine Krankenschwester schrieb, dass sie drei Wellen lang die Pandemie auf einer Intensivstation erlebt und "Menschen elendig und alleine sterben gesehen habe". Ein Barkeeper verwies darauf, dass andere zwar besser über mRNA aufklären könnten, er aber einen ganz guten Überblick darüber habe, "was Ihr Euch nachts so #allesindieKehle schüttet". Im Gegensatz dazu würde ein Impfstoff als "Absacker" einsortiert werden.
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Richtig Fahrt nahm der Impfaufruf jedoch auf, als auch prominente Persönlichkeiten, wie "Fanta Vier"-Rapper Smudo, die frisch wiedergewählte Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig (SPD) und die Virologin Melanie Brinkmann plötzlich Tweets absetzten. "Hallo. Ich bin Igor Levit und ich bin Pianist. Ich bin geimpft. Wissenschaft und Solidarität sind der Weg aus der Pandemie. Deshalb: Lasst Euch impfen! #allesindenArm", schrieb beispielsweise der Star-Pianist Levit.
Experte: Aktion kann verzerrte Wahrnehmung korrigieren
Doch es gibt auch kritische Kommentare. Einige Userinnen und User zweifeln schlicht daran, dass Aufforderungen in Tweets diejenigen von einer Corona-Impfung überzeugen werden, die bisher dagegen waren. Für den Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Schweiger hat der Impfaufruf dennoch schon ein wichtiges Ziel erreicht.
"Es ist immer gut, der Minderheit der Impfgegner zu zeigen, dass es eine starke und laute Mehrheit von Menschen und Prominenten gibt, die sich impfen lassen und das für solidarisch halten", sagte Schweiger dem stern. Gerade in den sozialen Medien seien Impfgegner erstaunlich laut und bekämen durch Phänomene wie Filterblasen und Echokammern die eigene Meinung häufig bestätigt.
Wie schnell das gehen kann, zeigte der parallel trendende Hashtag #ImpftEuchInsKnie unter dem Impfgegnerinnen und -gegner gegen den Piks und eine Impfpflicht wetterten. Zahlenmäßig lag #allesindenArm am Montagabend mit mehr als 88.000 Tweets jedoch weit über dem Anti-Impf-Hashtag, der auf knapp 5000 Tweets kam. Eine solche Aktion könne daher die verzerrte Wahrnehmung des Meinungsklimas unter Impfgegnern ein bisschen korrigieren, so Schweiger, der an der Universität Hohenheim lehrt.
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Promi-Stimmen wichtig für den Impferfolg
Neben zahlreichen Politikerinnen und Politikern sprachen sich auch Moderatorin Dunja Hayali, Wetterexperte Jörg Kachelmann und Schauspieler Marcus Mittermeier unter dem Hashtag für eine Impfung aus. Für den Erfolg des Impfaufrufs spielen besonders Letztere laut Kommunikationsexperte Schweiger eine wichtige Rolle.
"Prominente und Influencer sind für ihre Fans oft Rollenvorbilder, denen sie nacheifern", sagte Schweiger. "Sie gelten – anders als viele Politiker – als authentisch, glaubwürdig und unabhängig." Deshalb sei es auch so wichtig, dass diese Aktion nicht als staatliche Impfkampagne wahrgenommen werde.
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