Wie gut schützen die aktuellen Impfstoffe gegen die stark veränderte Omikron-Variante des Coronavirus? Weltweit gehen Forschende dieser Frage mit Hochdruck nach. Mittlerweile liegen erste Daten aus Laborversuchen vor, die nahelegen, dass die Wirkung der Impfstoffe gegen Omikron abgeschwächt ist – zumindest, was die Neutralisation durch Antikörper betrifft.
Die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek veröffentlichte am Mittwochmorgen vorläufige Daten zur Wirksamkeit der Impfstoffe gegen Omikron auf Twitter. Demnach hatten sie und ihr Team im Labor beobachtet, dass die Antikörperreaktion von Geimpften gegen die Omikron-Variante deutlich schwächer ausfällt. Sie berichtete von einer bis zu 37-fachen Reduktion im Vergleich zu Delta. Ciesek schrieb weiter: "Die Daten bestärken, dass die Entwicklung eines an Omikron angepassten Impfstoffs sinnvoll ist."
Ciesek betonte, dass aus ihrer Auswertung nicht herauszulesen ist, ob Geimpfte bei Omikron vor einem schweren Verlauf geschützt sind. Die Virologin verwies auf sogenannte T-Zellen, die neben den Antikörpern eine weitere wichtige Säule des Immunsystems bilden.
Drosten: „Sehr wichtige Daten“
Um die Wirkung eines Impfstoffs gegen eine bestimmte Variante von Sars-CoV-2 zu untersuchen, machen Forscher in der Regel sogenannte Neutralisationstests. Es wird geschaut, wie viele Antikörper ein Geimpfter im Blut hat, die an die Virusvariante binden können und sie damit ausschalten. Der tatsächliche Schutz von Geimpften kann damit aber nicht bestimmt werden, dafür braucht es klinische Studien mit Tausenden Probanden oder Auswertungen des laufenden Infektionsgeschehens.
Die Daten des Forscherteams um Ciesek sind bislang noch nicht in einem Fachjournal veröffentlicht und damit auch noch nicht von unabhängigen Experten begutachtet worden. Die Ergebnisse ähneln aber unter anderem jenen von Forschenden des "Africa Health Research Institute" in Südafrika. Diese hatten bereits am Vortag Daten vorgelegt, wonach die Antikörperantwort bei Geimpften gegen Omikron schwächer ausfällt. Auch diese Daten wurden noch nicht in einem Fachjournal veröffentlicht und sind deshalb als vorläufig anzusehen.
Der Berliner Virologe Christian Drosten bezeichnete die Daten aus Frankfurt auf Twitter als "sehr wichtig". Demnach gebe es nun schon Daten von drei Forscherteams, die einen circa 40-fachen Verlust der Serumneutralisationsaktivität bei vollständig immunisierten Personen gefunden haben. Für Menschen, die bislang nur zwei Impfstoffdosen erhalten haben, sehe es "nicht gut" aus, schrieb Drosten. Er erneuerte seinen Appell für die Booster-Impfung. Die dritte Impfdosis sei "notwendig".
"Es braucht deutlich mehr Antikörper, um Omikron zu neutralisieren", schrieb der Immunologe Carsten Watzl mit Blick auf die Daten. Es werde deshalb bei Genesenen und ausschließlich zweifach Geimpften "deutlich mehr" Durchbruchsinfektionen geben. Nach dem Booster oder einer durchgemachten Infektion plus Impfung habe man aber deutlich mehr Antikörper und sei damit auch besser gegen Omikron geschützt, so Watzl. "Die Impfungen sind weniger effektiv, aber nicht nutzlos", betonte der Experte und ergänzte: "Selbst wenn Geimpfte oder Genesene sich eher mit Omikron anstecken können, Ungeimpfte sind noch weniger geschützt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich anstecken und schwer erkranken ist mit Omikron deutlich gestiegen!"
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Mit Spannung werden nun weitere Labortests zur Impfstoffwirkung gegen Omikron erwartet, unter anderem jene von den Impfstoffherstellern Biontech/Pfizer. Deren Vakzin bildet das Rückgrat der Impfkampagne in Deutschland. Biontech-Chef Ugur Sahin rechnet angesichts der stark mutierten Omikron-Variante damit, dass das Vakzin angepasst werden muss, wie er bereits vor einigen Tagen erklärt hatte. Nach Einschätzung des Unternehmers dürfte der aktuelle Impfstoff aber weiterhin einen Schutz gegen schwere Verläufe bieten.
Eine geringere Wirkung der bestehenden Impfstoffe gegen Omikron bedeute nicht, dass sie gar keine Wirkung haben, betonen auch weitere Experten. "Alle Menschen, die sich impfen lassen, fangen nicht bei Null an, wenn sie einer neuen Variante begegnen", sagte etwa der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, Ende November.
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