Einige Bundesländer heben die Priorisierung der Impfreihenfolge auf, aber das Misstrauen gegenüber dem Astrazeneca-Impfstoff ist wegen vereinzelten Hirnvenenthrombosen enorm. Der Risiko-Rechner der Cambridge-Universität zeigt, wie hoch die Thrombose-Gefahr für bestimmte Altersgruppen wirklich ist.
Der schleppende Impfprozess in Deutschland hat fatale Folgen. Denn nach wie vor sind immer noch viel zu wenige Menschen geimpft, als dass wir die dritte Welle dadurch schnell brechen könnten. Neben zu wenig Impfstoff hat auch das Fiasko um Astranzeneca der Impfkampagne und der Impfbereitschaft in der Bevölkerung geschadet. Viele lehnen den Impfstoff nun wegen der in Einzelfällen aufgetretenen Hirnthrombosen ab.
Laut Auskunft des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) gab es in Deutschland 63 Fälle von Sinus- und Hirnvenenthrombosen nach der Impfung mit dem britisch-schwedischen Vakzin (bis zum 21.04.2021, 22 Uhr). Davon betroffen waren 49 Frauen und 14 Männer. Zwölf Menschen seien gestorben, sechs Männer und sechs Frauen.
Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) wurden bis einschließlich 28. April insgesamt mehr als 5,6 Millionen Erstdosen und gut 36.000 Zweitdosen des Impfstoffs verabreicht. Seit 31. März werden zudem vorwiegend Menschen ab 60 Jahren damit geimpft – jüngere nur nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung.
Astrazeneca: Gegenüberstellung von Nutzen und Risiko für verschiedenen Altersgruppen
Wie groß das Risiko nun wirklich ist, eine schwere Nebenwirkung durch die Impfung zu erleiden im Vergleich dazu, wie viele schwere Covid-19-Erkrankungen durch die Impfung verhindert werden können, zeigen neue Berechnungen des „Winton Centre for Risk and Evidence Communication“ der Universität Cambridge. Die Berechnungen setzen also Nutzen und Schaden einer Impfung ins Verhältnis zueinander.
- Surftipp: Aktuelle News und Warnungen finden Sie im Wetter-Ticker von FOCUS Online
Die Wissenschaftler nahmen dazu fünf verschiedene Altersgruppen von 20 bis 29, 30 bis 39, 40 bis 49, 50 bis 59 und 60 bis 69 unter die Lupe und verglichen basierend auf wissenschaftlichen Modellierungen, wie viele Menschen pro 100.000 wegen der Impfung potenziell nicht mit Covid-19 auf der Intensivstation landen und wie viele eine Thrombose erleiden. Und das in einem Zeitraum von 16 Wochen bei jeweils leichtem, mittleren oder hohem Ansteckungsrisiko (basierend auf Inzidenzen).
Sie gingen dabei von einer Impfwirksamkeit von 80 Prozent aus. Das Thrombose-Risiko wurden anhand der Fallzahlen, die von der britischen Regulierungsbehörde für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte MHRA übermittelt wurden, bemessen.
1. Nutzen-Risiko-Abwägung bei niedrigem Ansteckungsrisiko
Bei einer niedrigen Inzidenz zeigt sich, dass in der Gruppe der unter 30-Jährigen, das Risiko eine Thrombose zu erleiden demnach höher ist, als der Nutzen. Demnach kann die Impfung in dieser Altersgruppe lediglich verhindern, dass 0,8 Personen von 100.000 mit Covid-19 auf der Intensivstation landen. 1,1 pro 100.000 erleiden aber eine Thrombose durch die Impfung.
Winton Centre for Risk and Evidence Communication University Cambridge Nutzen-Risiko-Abwägung der Impfung bei niedriger Inzidenz bzw. niedriger Ansteckungsgefahr
Die Grafik verdeutlicht, dass sich das Thrombose-Risiko mit zunehmendem Alter durch die Impfung deutlich verringert, gleichzeitig die Anzahl der durch die Impfung verhinderten schweren Verläufe deutlich größer wird.
So bringt die Impfung in der Altersgruppe der 60-Jährigen einen enormen Vorteil: 14,1 schwere Fälle pro 100.000 können so verhindert werden – lediglich 0,2 pro 100.000 erleiden eine Thrombose.
2. Nutzen-Risiko-Abwägung bei mittlerem Ansteckungsrisiko
Bei mittlerem Expositionsrisiko zeigt sich bereits in der jüngsten Altersgruppe eine Umkehrung: Der Nutzen durch die Impfung überwiegt, da 2,2 Intensivfälle potenziell verhindert werden können, aber nur 1,1 eine Thrombose erleiden. Der Nutzen der Impfung pro Altersgruppe überwiegt deutlich die Thrombose-Gefahr.
Winton Centre for Risk and Evidence Communication University Cambridge Nutzen-Risiko-Abwägung der Impfung bei mittlerer Inzidenz bzw. mittlerer Ansteckungsgefahr
3. Nutzen-Risiko-Abwägung bei hohem Ansteckungsrisiko
Bei hoher Inzidenz überwiegt der Nutzen einer Impfung ganz deutlich in allen Altersgruppen – so können auch bei den 20- bis 29-Jährigen 6,9 Intensivfälle durch die Impfung verhindert werden – bei den 50- bis 59-Jährigen 95,6 und bei den 60 bis 69-Jährigen 127,7 Fälle.
Winton Centre for Risk and Evidence Communication University Cambridge Nutzen-Risiko-Abwägung der Impfung bei hoher Inzidenz bzw. hoher Ansteckungsgefahr
Risiken für Astrazeneca überschätzt
Dass der Nutzen einer Impfung mit Astrazeneca höher als die Thrombosegefahr ist, darauf wiesen schon viele Mediziner hin. Auch die Frankfurter Virologin Sandra Cisek äußerte sich diesbezüglich und berief sich auf die Ergebnisse der Cambridge-Studie. Im NDR-Podcast „Das Coronavirus-Update“ sagte sie, dass die Berechnungen klar zeigten, dass der Impfstoff bei weitem sicherer sei als viele denken und das Risiko an einer Sars-CoV-2-Infektion zu erkranken deutlich höher.
Quelle: Den ganzen Artikel lesen