Mein liebes Tagebuch

Beschlossen: Das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz bringt neue Regeln zum Umgang mit Arzneimittel-Lieferengpässen. Manches wird besser, aber die Ursachen bleiben. Ebenso die Frage: Was wird aus dem Apotheken-Stärkungsgesetz? „Wir erwarten ein Go von der EU-Kommission“, tönt es aus dem BMG – erwarten kann man bekanntlich viel. Wir erwarten auch eine behördliche Kontrolle der EU-Versender, doch die scheinen im kontrollfreien Cyberspace zu arbeiten. Und auch in dieser Woche: Neues von der digitalen Front: Eine E-Rezept-App von der Gematik, Telemedizin mit Noventi, Telemedizin à la Hessen, und Pharmazeutische Dienstleistungen, made by TK. Die Zukunft hat uns im Griff. 

10. Februar 2020

Mein liebes Tagebuch, auf deinen Seiten soll es ja eher um unsere kleine Apothekenpolitik gehen, weniger um das ganz Große. Doch das, was in Thüringen passiert ist und die Auswirkungen auf die Berliner Politik lässt uns nicht kalt, das ist schon eine andere Hausnummer – durchaus mit möglichen Auswirkungen auf uns Apothekers. Denn nach dem Rückzug von AKK hat unser Bundesgesundheitsminister Jens Spahn durchblicken lassen: Ich kann Kanzler. Na ja, er hat es ein bisschen subtiler formuliert und gesagt, er sei bereit dazu, Verantwortung zu übernehmen – was letztlich wohl auf das Gleiche hinausläuft. Er könnte gewisse Chancen haben, wenngleich derzeit ganz deutlich Friedrich Merz und Armin Laschet auf der K-Liste stehen, und sogar Markus Söder möglicherweise dort eingetragen werden möchte. Also, da drängt sich die Frage auf: Werden wir schon bald auf Spahn als Gesundheitsminister verzichten müssen? Was wird aus dem Rest unseres Apotheken-Stärkungsgesetzes? Na, mein liebes Tagebuch, wie aktuelle Umfragen zeigen, muss es uns vorerst nicht allzu bange sein, unseren lieben Gesundheitsminister zu verlieren. Laut einer Umfrage von Infratest dimap soll Merz derzeit der aussichtsreichste Kanzlerkandidat der Union sein. Aber wer weiß, was sich da noch tut.

 

Das Apotheken-Stärkungsgesetz mit seinem Vorschlag zur Gleichpreisigkeit liegt derzeit bei der EU-Kommission auf Eis, sie prüft es auf seine Europaverträglichkeit. Das Warten nervt, die Ungewissheit, wie es weitergeht, lähmt, mein liebes Tagebuch. Die parlamentarische Staatssekretärin aus dem Bundesgesundheitsministerium, Sabine Weiss (CDU), versuchte auf dem Zukunftskongress des Apothekerverbands Nordrhein Hoffnung zu machen: „Wir erwarten ein ‚Go‘ von der Kommission“, so Weiß. Mein liebes Tagebuch, go, go, erwarten kann man viel, was ist, wenn’s nicht so kommt? Dann, so lässt Georg Kippels (CDU) wissen: „Wenn nicht bald was kommt, dann fordern die Mitglieder der AG Gesundheit der Union das Rx-Versandverbot.“ Au weia, und was macht dann unsere ABDA, die das Rx-Versandverbot schon mal in die Ablage gelegt hat?

 

Für den GKV-Spitzenverband ist per Gutachten belegt: Zwischen Lieferengpässen und Rabattverträgen besteht kein Zusammenhang. Tja, mein liebes Tagebuch, vermutlich steht da noch in diesem Gutachten, dass die Erde doch eine Scheibe ist. Ist es nicht unglaublich, wie der Kassenverband seine heißgeliebten Rabattverträge hochjubelt? Für den GKV-Spitzenverband liegt die Lösung schlicht und einfach darin, dass die Meldepflicht bei Lieferengpässen in Deutschland verstärkt werden muss. Im Klartext: Auch Apotheken und Großhändler sollen verpflichtet werden, Lieferengpässe bei Arzneimitteln an die Kassen zu melden. Wie putzig, mein liebes Tagebuch, was wäre das wohl für ein bürokratischer Tsunami, wenn 19.000 Apotheken plus die Großhandlungen ihre Lieferengpassdaten im Livestream an den Spitzenverband senden würden. Und wo ist unser finanzieller Ausgleich für diese Mehrarbeit?

 

Da hat Noventi ein Fass aufgemacht: Der Apotheken-Dienstleistungskonzern arbeitet mit der britischen Online-Arztpraxis Zava zusammen und ermöglicht den Online-Docs den Zugriff auf das eigene Apotheken-Netzwerk. Was das heißt: Zava soll an die Arzneimittel-Vorbestell-App „Call My Apo“ von Noventi und damit an das etwa 5000 Apotheken starke Netzwerk angebunden werden. Ein Zava-Kunde kann sein Privatrezept an die Handy-App schicken lassen und es dann an seine „Noventi-Apotheke“ weiterleiten. Noventi sieht darin ein Umsatzplus für deutsche Apotheken. Klar, mein liebes Tagebuch, da ist was dran, besser, als wenn die Rezepte an Doc Morris und Co. weitergeleitet würden. Und was ist, wenn der Kunde nicht die CallMyApo-App hat, sondern Kunde einer anderen Apotheke mit anderem Warenwirtschaftssystem ist? Irgendwie löst das Noventi-Modell Störgefühle aus. Wäre es da letztlich nicht besser, wenn jede Arztpraxis verpflichtet wäre, ein E-Rezept an einen neutralen Server zu schicken, beispielsweise an den Gematik-Server, von dem aus dann der Patient sein Rezept zur Apotheke seiner Wahl weiterleiten kann?

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