Leitliniengerecht gegen Nagelpilz

Nagelpilz ist eine der häufigsten Diagnosen in der dermatologischen Praxis. In Deutschland sind schätzungsweise zwei bis 15 Prozent der Bevölkerung betroffen. Dabei sind die Nagelveränderungen kein bloßes kosmetisches Problem, sondern eine ernst zu nehmende Infektion. Es drohen Folgeerkrankungen und Komplikationen. Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) hat nun federführend die S1-Leitlinie Onychomykose aktualisiert. Sie gibt Auskunft über wichtige neue Aspekte bei Diagnostik und Therapie.

Die Onychomykose ist eine chronische Pilzinfektion. Sie betrifft Finger- und/oder Zehennägel und führt zu einer langsamen Zerstörung des Nagels. Oft kommt es zu gelblichen Verfärbungen und zur Anhebung der Nagelplatte aufgrund subungualer Hyperkeratosen. Doch Nagelpilz stört nicht nur ästhetisch, sondern birgt die Gefahr, die Pilzerreger auf andere Personen zu übertragen. Unbehandelt begünstigt er als Keimreservoir zudem das Auftreten einer zusätzlichen kutanen Mykose. Bei Menschen mit Grunderkrankungen wie Diabetes mellitus können sekundär sogar schwerwiegende bakterielle Infektionen wie Erysipel oder Pyodermien entstehen.

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Nagelpilz wird am häufigsten verursacht von Dermatophyten, also Fadenpilzen, mit Trichophyton rubrum als Hauptauslöser. Zu den Erregern zählen aber auch Hefe- und Schimmel­pilze. In der Regel werden keine gesunden Nägel befallen. Vielmehr sind zum Entstehen einer Onychomykose prädisponierende Faktoren erforderlich, etwa Durchblutungsstörungen der unteren Extremitäten, eine Schädigung der Nagelplatte durch zu enge Schuhe oder infolge wiederholter Traumen beim Sport sowie nach Verletzung durch Pediküre.

Fokus auf moderne mykologische Diagnostik

Wichtig vor jeder Therapie ist die Konsultation eines Dermatologen und eine exakte Diagnose. Denn nicht jede Nagelveränderung, die wie eine Onychomykose aussieht, ist auch eine. Differenzialdiagnostisch muss eine Vielzahl infektiöser und nicht infektiöser Nagelveränderungen ausgeschlossen werden, etwa eine 

  • isolierte Nagelpsoriasis, 
  • Ekzemnägel durch parunguale (das Nagelbett betreffende) Ekzeme oder 
  • Lichen ruber des Nagelorgans. 
  • Aber auch eine einfache druckinduzierte Hyperkeratose der Nägel bei Fußfehlstellungen und zu engem Schuhwerk sind zu berücksichtigen. 

Zur Diagnosesicherung empfiehlt die Leitlinie, Nagelmaterial (Nagelspäne) vorsichtig mit Skalpell oder Fräse zu entnehmen und zur Erregerbestimmung eine Pilzkultur anzulegen. Ist die Erregeridentifizierung auf Speziesebene nicht einwandfrei möglich, sollte ein Nachweis mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) erfolgen. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Empfindlichkeit dieser Methode um 15 bis 30 Prozent höher ist als bei der Kultur. Gesetzlich Versicherte müssen die PCR jedoch bisher selbst bezahlen.

Therapeutische Optionen

Die Auswahl des passenden Antimykotikums erfolgt je nach Erreger und Schweregrad der Pilzinfektion. Ob eine rein topische Behandlung ausreicht oder eine Kombination mit systemischen Antimykotika nötig ist, darüber entscheiden folgende Faktoren: 

  • Anzahl der betroffenen Zehen- oder Fingernägel, 
  • Ausmaß der pro Nagel betroffenen Oberfläche, 
  • Matrixbeteiligung, 
  • Multimorbidität der Patienten, 
  • Arzneimittelwechselwirkungen sowie die zu erwartende 
  • Compliance des Patienten.

Bei leichten oder mäßig ausgeprägten Nagelinfektionen (max. 40 Prozent der Nageloberfläche und/oder höchstens drei von zehn Zehennägeln betroffen) kommt ein antimykotischer Nagellack zum Einsatz, idealerweise nach einem Aufrauen oder Feilen des betroffenen Nagels. Als Wirkstoffe eignen sich Amorolfin (z. B. Amorocutan®) oder Ciclopirox (z. B. Ciclopoli®). Beides sind Breitspektrum-Antimykotika mit Wirksamkeit gegenüber Dermatophyten, Hefe- und Schimmelpilzen. Ciclopirox wird je nach Formulierung mehrmals wöchentlich bis einmal täglich aufgetragen, Amorolfin einmal wöchentlich. Seit 2021 ist zudem ein neuer Terbinafin-haltiger Nagellack (Terbinafin-1A Pharma®) zur Behandlung von Onychomykosen zugelassen. Dieser wird für die ersten vier Wochen täglich angewendet, danach einmal wöchentlich.

Bei mittelschwerer bis schwerer Ausprägung ist die Kombinations­behandlung mit lokal applizierten und oral verabreichten Antimykotika einer systemischen Monotherapie überlegen. Für die orale Therapie stehen die drei Wirkstoffe 

  • Terbinafin (z. B. Terbiderm®), 
  • Fluconazol (z. B. Fluconazol Hexal®) und 
  • Itraconazol (z. B. Itracon­azol Stada®) zur Verfügung – je nach Substanz als kontinuierliche Therapie oder Puls-Behandlung. 

Die Leitlinie gibt eine schnelle Orientierung, welches Medikament in welcher Dosierung über welchen Zeitraum gegeben werden kann und welche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln zu beachten sind. Eine Cochrane Datenanalyse hat ergeben, dass Terbinafin bei Onychomykose im Vergleich zu Azolen hinsichtlich der klinischen und mykologischen Heilung signifikant wirksamer war. Daher bleibt Terbinafin vorerst das systemische Mittel der Wahl, in kontinuierlicher Gabe mit einer Tablette täglich über zwölf Wochen. Daneben wird in Deutschland bei älteren multimorbiden Patienten mit Polymedikation oft eine intermittierende Langzeittherapie mit niedrigdosiertem Terbinafin – einmal wöchentlich – eingesetzt. Die Therapiedauer richtet sich nach dem klinischen Erfolg und kann sich über ein Jahr erstrecken. Bei dieser langfristigen intermittierenden Low-Dose-Behandlung, die es auch für Itraconazol gibt, handelt es sich allerdings um kein zugelassenes Therapieschema, sondern um eine reine Expertenmeinung.

Was gilt für Kinder?

In der aktualisierten Leitlinie finden sich auch detaillierte Empfehlungen für die Therapie einer Onychomykose bei Kindern. Zwar sind die aktuell verfügbaren oralen Antimykotika Terbinafin, Itraconazol und Fluconazol in Deutschland bei Kindern und Jugendlichen nicht zugelassen, gelten nach Meinung der Leitlinienautoren bei dieser Indikation aber als sicher und wirksam. Nach Aufklärung der Eltern und deren schriftlicher Einwilligung ist ein Off-Label-Einsatz gerechtfertigt. Die Dosis ist entsprechend Alter und Gewicht anzu­passen. Eine gleichzeitig bestehende Tinea der Haut ist unbedingt mitzubehandeln.

Rezidivprophylaxe

Zu beachten gilt immer: Die langwierige Behandlung einer Onychomykose über Monate bis Jahre und die Prophylaxe von Rezidiven erfordern Geduld. Ohne Prävention kann ein Nagelpilz schnell wiederkehren. Wichtig sind daher hygienische Maßnahmen, wie täglich die Füße zu waschen und Socken zu wechseln sowie benutzte Socken und Handtücher bei mindestens 60° Celsius zu waschen, Schuhe zu des­infizieren sowie in Schwimm- und Turnhallen oder Saunen nicht barfuß zu laufen. Als dauerhafte Rezidivprophylaxe empfiehlt die Leitlinie zudem antimykotischen Nagellack in reduzierter Anwendungs­frequenz.

 

Literatur

Onychomykose. S1-Leitlinie, Federführung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft unter Beteiligung weiterer Fachgesellschaften, AWMF-Register-Nr. 013-003, Stand: 12. Mai 2022

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