Am 29. Januar erhält Astrazeneca die Zulassung für seinen Covid-19-Impfstoff in der EU. Doch schnell macht der Vektorimpfstoff negative Schlagzeilen. Dann verlieren viele Bürger das Vertrauen in den Impfstoff – ehe er schließlich nur noch älteren Menschen verabreicht werden soll. Über ein kommunikatives Desaster, das nur Verlierer kennt.
Bund und Länder drücken seit Dienstag bei den Impfungen mit Astrazeneca vorsorglich auf die Bremse: Ab sofort sollen in Deutschland nur noch Menschen über 60 Jahren uneingeschränkt das Präparat des britisch-schwedischen Herstellers bekommen – außer Jüngere wollen die Impfung mit Astrazeneca nach Klärung mit dem Arzt auf eigenes Risiko.
Hintergrund sind Fälle von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen, die im zeitlichen Zusammenhang mit den Impfungen standen.
Für den britisch-schwedischen Impfstoff ist das eine Hiobsbotschaft – und eine Botschaft, die sich nahtlos einreiht in eine turbulente Chronik.
FOCUS Online gibt einen Überblick, was seit der weltweit ersten Zulassung von Astrazeneca in Großbritannien geschah.
Astrazeneca: Die chaotische Chronik eines Impfstoffs
- Am 30. Dezember 2020 wird das Astrazeneca-Vakzin per Notfallzulassung in Großbritannien zugelassen. Danach erhält der Impfstoff auch noch in weiteren Ländern wie Argentinien, Mexiko und Marokko eine Notfallzulassung.
- In England wird am 4. Januar 2021 der erste Brite mit dem Impfstoff der Uni Oxford und des Pharmakonzerns Astrazeneca geimpft. Der 82 Jahre alte Dialyse-Patient Brian Pinker aus Oxford erhält den schützenden ersten Piks in der dortigen Uniklinik.
- Am 29. Januar bekommt der britisch-schwedische Impfstoff schließlich auch in der EU eine Zulassung. Allerdings wird der Vektorimpfstoff von Astrazeneca in der EU zunächst nur bedingt für den Markt zugelassen. So sollen mit dem Vakzin alle Personen über 18 Jahren geimpft werden.
Nach Angaben der Arzneimittelbehörde EMA waren die meisten Teilnehmer an den einschlägigen Studien zwischen 18 und 55 Jahre alt. Bei älteren Teilnehmern (über 55 Jahre) liegen noch keine ausreichenden Ergebnisse vor, um konkret beziffern zu können, wie gut der Impfstoff in dieser Gruppe wirkt. Daher soll er zunächst nicht älteren Menschen verabreicht werden. - Die am Robert Koch-Institut (RKI) angesiedelte Ständige Impfkommission empfiehlt den Astrazeneca-Impfstoff nur für Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren.
- Im Laufe des Februar häufen sich Berichte über Nebenwirkungen nach Impfungen mit dem Präparat.
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Im Februar wurden Zweifel beiseitegewischt
- Bundesgesundheitsminister Jens Spahn tritt Zweifeln an dem Impfstoff von Astrazeneca klar entgegen: "Ein sicherer und wirksamer zugelassener Impfstoff schützt", sagt Spahn.
- Auch nach negativen Erfahrungen von Geimpften haben die deutschen Behörden keine besonderen Bedenken gegen den Vektor-Impfstoff. "Das Nutzen-Risiko-Profil wird für alle drei Impfstoffe als weiterhin positiv bewertet", berichtete das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) am 18. Februar. Sowohl eigene Analysen als auch internationale Daten "weisen nicht auf ein neues Risikosignal hin", heißt es. Bei den gemeldeten Reaktionen handelt es sich dem PEI zufolge um "bekannte und in der Fachinformation aufgeführte systemische, vorübergehende unerwünschte Reaktionen".
- Anfang März droht der Impfstau mit dem Astrazeneca-Vakzin weiter zu wachsen. Trotz großer Mengen zunächst ungenutzten Impfstoffs will die Bundesregierung das Präparat aber nicht für Impfungen jenseits der festgelegten Vorranggruppen freigeben.
- Das Astrazeneca-Vakzin wird am 4. März nun auch für Menschen ab 65 Jahren empfohlen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt ab sofort die Impfung für alle Altersgruppen über 18 Jahren.
- 15. März: Deutschland setzt die Impfungen mit dem Impfstoff von Astrazeneca vorerst aus. Vorausgegangen waren Meldungen von Blutgerinnseln im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung mit dem Präparat.
- Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) betont am 18. März die Sicherheit des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca. Allerdings werde eine extra Warnung hinzugefügt vor möglichen seltenen Fällen von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen. Die EMA sieht aber keine erhöhten Gesundheitsgefahren und empfiehlt die Fortsetzung der Impfungen.
- 25. März: Astrazeneca selbst legt mit neuen Daten zu seinem Impfstoff nach, die eine hohe Wirksamkeit in älteren Altersgruppen bestätigen sollen. Demnach schütze der Impfstoff mit einer Wirksamkeit von 76 Prozent vor Covid-19, bei über 65-Jährigen betrage dieser Wert 85 Prozent.
Nächste Kurskorrektur bei Astrazeneca
- Am 30. März folgt die nächste Kurskorrektur in Deutschland: Vorsichtshalber soll Astrazeneca generell nicht mehr für Jüngere unter 60 Jahren genutzt werden. Hintergrund sind Fälle von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen. Damit gilt nun genau das Gegenteil dessen, was die Behörden unmittelbar nach der EU-Zulassung Anfang Februar empfohlen hatten.
- Der Impfstoffhersteller Astrazeneca betont nach der erneuten Einschränkung seines Corona-Impfstoffes in Deutschland den Nutzen des umstrittenen Präparats. Der Nutzen des Mittels überwiege die Risiken in allen Altersgruppen deutlich, teilt das Unternehmen am 31. März mit.
Wieder Wirbel um Astrazeneca: Infektiologe erklärt, was Sie jetzt wissen müssen
FOCUS Online/Wochit Wieder Wirbel um Astrazeneca: Infektiologe erklärt, was Sie jetzt wissen müssen
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