Wie wirksam ist die Impfung? Das schätzt das Robert-Koch-Institut (RKI) in seinen regelmäßigen Berichten. Liegt sie für Fünf- bis Elfjährige im Negativen oder bei null? Versteckt die Behörde die tatsächliche Impfeffektivität? Das RKI erklärt die Ungereimtheiten.
Gegen die Omikron-Variante schützt die Impfung nicht mehr so gut wie gegen vorherige Varianten. Das ist ein Grund, warum die Ständige Impfkommission (Stiko) den Pieks nicht allen Kindern ab fünf Jahren empfiehlt. Nun gibt es neue Fragezeichen zur Impfeffektivität bei den Fünf- bis Elfjährigen. Darüber berichtete die „Welt“.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) führt in seinem Wochenbericht regelmäßig in einem Kapitel die Impfeffektivität aus. Um diese auszuweisen, schätzt die Behörde diese nach einem bestimmten Verfahren. Dafür vergleicht das RKI den Anteil Geimpfter unter allen Covid-19-Fällen (Impfdurchbrüche) mit dem Anteil Geimpfter in der Bevölkerung.
Vergangene Woche war einem Twitter-Nutzer aufgefallen, dass im Wochenbericht des RKI (7.4.22) die Wirksamkeit der Impfung gegen eine symptomatische Infektion in der Altersgruppe der Fünf- bis Elfjährigen für die vorangegangenen beiden Wochen mit exakt null Prozent angegeben wurde. Zuvor war die Kurve, die die Impfeffektivität für die Grundimmunisierten zeigt, bereits stark abgefallen.
Aus der dazugehörigen Excel-Tabelle mit den Rohdaten zog der Nutzer den Hinweis: „Bei niedriger Effektivität kann es insbesondere bei niedrigen Fallzahlen zur Berechnung von negativen Werten kommen, diese werden mit 0 ausgewiesen.“
Sein Vorwurf: Das RKI versuche, die – tatsächliche – negative Impfeffektivität zu verstecken. Auf „Welt“-Anfrage teilt die Behörde allerdings mit: „Ein geschätzter negativer Wert kann nicht sinnvoll interpretiert werden und wird deshalb mit einer 0 ausgewiesen. 0 bedeutet, dass in diesen Fällen eine Grundimmunisierung im Vergleich zu keiner Grundimmunisierung keinen zusätzlichen Schutz gegenüber symptomatischer Erkrankung bietet. Ein negativer Schätzwert bedeutet nicht, dass die Impfung an sich das Risiko, zu erkranken, erhöht.“
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RKI gesteht: Passage ist „missverständlich formuliert“
Es sei so nicht richtig, dass die negativen Werte auf eine zu geringe Anzahl von Fällen zurückgehen. In die Schätzung der Impfeffektivität würden diejenigen Fälle einbezogen, die als symptomatisch übermittelt wurden und für die Informationen zum Impfstatus vorliegen. Die Passage in der Excel-Tabelle sei aber „etwas missverständlich formuliert“, gestand das RKI ein.
Die Berechnung der Impfeffektivität könnte jedoch dadurch verzerrt sein, dass die Impfquote bei den Fünf- bis Elfjährigen mit 19 Prozent sehr niedrig sei, ergänzte das Institut. Gleichzeitig könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein großer Anteil der Kinder, die doppelt geimpft sind, Risikofaktoren wie Vorerkrankung oder eine Immundefizienz haben und daher trotz Impfung generell im Hinblick auf eine Covid-19-Erkrankung besonders gefährdet seien. Denn die Stiko rät in dieser Altersgruppe bisher nur Kindern mit Vorerkrankungen zur Corona-Impfung.
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FDP-Gesundheitsexperte: Darstellung ist „logisch und konsequent“
Nachvollziehbar fand FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann die Darstellung „Dass die Impfeffektivität vom RKI nicht negativ dargestellt wird, halte ich für logisch und konsequent“, sagte Ullmann der „Welt“. „Schließlich sind mir bisher keine Studien oder wissenschaftlich publizierte Fallsammlungen bekannt, die belegen, dass Corona-Impfungen eine Covid-19-Erkrankung begünstigen. Daher muss man auch bei einer mathematisch negativen Impfeffektivität mit niedrigen Fallzahlen im Bericht davon ausgehen, dass die Impfeffektivität bei null liegt.“ Nichtsdestotrotz sollte die Zahl einen Anreiz bieten, den Sachverhalt weiter wissenschaftlich zu verfolgen.
Weniger Verständnis für die erklärungsbedürftigen Zahlen zur Impfeffektivität zeigte der FDP-Abgeordnete Wolfgang Kubicki: „Leider mussten wir in den vergangenen zwei Jahren feststellen, dass die RKI-Zahlen mindestens missverständlich, manchmal sogar irreführend, jedenfalls oft nicht hilfreich gewesen sind. Für das Vertrauen in diese eigentlich so wichtige Institution ist es unerlässlich, wenn man dort die nötige Transparenz walten ließe – auch und gerade, wenn die Zahlen im Gegensatz zum politischen Willen des Bundesgesundheitsministers stehen.“
Was die Impfeffektivität der Fünf- bis Elfjährigen verzerrt
In einem Punkt hat das Institut inzwischen nachgebessert: Im aktuellsten Wochenbericht (14.4.22) konkretisierte das RKI die erwähnte missverständliche Passage. In den Erläuterungen des Excel-Blattes heißt es nun zur verzerrten Impfeffektivität:
„Bei den Altersgruppen 5-11 Jahre und 12-17 Jahre kann es zur Berechnung von negativen Impfeffektivitäten kommen. Ein negativer Punktschätzer bedeutet jedoch nicht, dass die Impfung das Risiko einer Covid-19-Erkrankung beziehungsweise Hospitalisierung erhöht, sondern muss vielmehr als Ausdruck der statistischen Unsicherheit oder einer Verzerrung in den Daten interpretiert werden. Folglich wird in der hier präsentierten Tabelle die Effektivität mit einer 0 ausgewiesen, was bedeutet, dass eine Grundimmunisierung im Vergleich zu keiner Grundimmunisierung keinen zusätzlichen Schutz gegenüber dem jeweiligen Endpunkt bietet. Speziell bei der Altersgruppe 5-11 kann eine Verzerrung der Daten stattfinden, da es für diese Altersgruppe bislang nur eine eingeschränkte Impfempfehlung für Risikogruppen gibt und da bei der aktuell nur niedrigen Impfquote möglicherweise ein größerer Anteil von Kindern mit Vorerkrankung geimpft sind, die auch ein erhöhtes Risiko für eine Covid-19-Erkrankung haben.“
Anders formuliert, bedeutet das: Hier liefert das RKI Daten, die geschätzt sind und wenig aussagen, weil viele Faktoren hierfür unsicher bleiben. Eltern, die vor der Frage stehen, ob sie ihr siebenjähriges Kind impfen lassen sollten, bekommen hiermit wenig Hilfreiches an die Hand.
Der Fall ist ein weiteres Beispiel dafür: Wenn das RKI Zahlen aufbereitet, stellen sich so manche Fragen. Dabei wünschen sich Mütter und Väter zur Kinderimpfung vielmehr konkrete Antworten.
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