Warum ist in den Medien eine so große Diskussion um das Arzneimittel Cytotec entbrannt? Liegt es allein an der fehlenden Zulassung in der Geburtseinleitung oder sind die Gründe vielschichtiger? Ein Grund könnte jedenfalls sein, dass es schon seit mehreren Jahren keine gültigen Leitlinien mehr für die Geburtseinleitung gibt und selbige in Deutschland recht uneinheitlich gehandhabt wird. Dennoch äußern sich die Experten grundsätzlich einig dazu, dass Misoprostol seinen berechtigten Platz in der Geburtseinleitung findet – und eine neue Leitlinie steht kurz vor der Fertigstellung.
Wie geht Geburtseinleitung denn „richtig“? Apotheker, die sich selbst zum Fall Cytotec aus der Süddeutschen Zeitung vom vergangenen Mittwoch informieren wollten, haben wahrscheinlich schnell nach den aktuellen Leitlinien zur Geburtshilfe „gegoogelt“. Zunächst werden sie auf die Leitlinie „Anwendung von Prostaglandinen in Gynäkologie und Geburtshilfe“ von 2010 gestoßen sein. Diese ist allerdings abgelaufen und „wird derzeit überarbeitet“ – ein Vermerk von 2013. Dr. Christian Fiala (vom Gynmed Ambulatorium und Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch in Wien), der sich sehr für den Einsatz von Misprostol in der Geburtshilfe einsetzt, erklärte gegenüber DAZ.online, dass es im Jahr 2015 bereits ein fast fertiges Manuskript der Leitlinie gegeben haben soll.
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Bereits in der abgelaufenen Leitlinie kann man nachlesen: „Misoprostol nimmt eine Sonderstellung ein. Es handelt sich um ein Prostaglandin-E1-Derivat, das in der Geburtshilfe weltweit eingesetzt wird, für die Anwendung in der Schwangerschaft aber nicht zugelassen, sondern laut Firmenangabe kontraindiziert ist.“ Es wird auf den Off-Label-Use und die notwendige Aufklärung sowie Dokumentation verwiesen.
Wirkungseintritt der Prostaglandine nicht vorhersehbar
Grundsätzlich heißt es außerdem, dass jede Geburtseinleitung eine kritische und individuelle Risiko-Nutzen-Analyse erfordert. Zudem wird von einer ambulanten Geburtseinleitung mit Prostaglandinen abgeraten, weil der Wirkungseintritt der Prostaglandine nicht vorhersehbar sei. Entsprechende Überwachungsmaßnahmen müssten zur Verfügung stehen. Das scheint aber nicht allein Misoprostol zu betreffen, sondern alle Prostaglandine – auch was die Nebenwirkungen angeht. Speziell wird auf die Risikokonstellation nach Kaiserschnitt eingegangen: Zulassungskonform sei lediglich die Anwendung von PG-E2-Vaginalgel in Terminnähe bei reifem Zervixbefund. Misoprostol ist nach Kaiserschnitt absolut kontraindziert.
„Therapeutische Lücken“
Außerdem heißt es in der abgelaufenen Leitlinie, dass „eine zunehmende Ausweitung der Kontraindikationen“ in den Fachinformationen „therapeutische Lücken“ entstehen lässt, „die den anwendenden Arzt auf seine Erfahrung und das aufklärende Gespräch mit seiner Patientin verweisen“. Die Leitlinien sollten dazu einen Handlungskorridor darstellen.
Medikamente zur Geburtseinleitung
Nach der „SOP Geburtseinleitung“, aus Frauenheilkunde up2date 2018, von Prof. Dr. med. habil. Sven Kehl sind/(waren*) folgende Arzneimittel zur Geburtseinleitung möglich:
- „Oxytocin: zugelassen zur Geburtseinleitung bei einem reifen Zervixbefund
- Dinoproston (Prostaglandin E2): intrazervikale und vaginale Gabe zugelassen, jedoch ist die intrazervikale Gabe der vaginalen Applikation unterlegen
- Misoprostol (Prostaglandin-E1-Analogon): oral im Off-label-Use anwendbar, als Insert* bei unreifer Zervix ab der 37. SSW zugelassen.“
Zu Misoprostol hieß es schon damals, dass eine große Anzahl von randomisierten Studien mit Misoprostol zur Geburtseinleitung existiert. Aus Metaanalysen ergebe sich die Möglichkeit der Geburtseinleitung mit 25 µg intravaginal alle (4-)6h, Oxytocin darf dann frühestens 4 h nach der letzten Misoprostol-Applikation gegeben werden, heißt es.
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