Forscher waren sich bisher weitgehend sicher, dass einmal Infizierte und wieder Genesene für längere Zeit immun sind gegen Sars-CoV-2. Eine Studie aus China stellt das infrage und hält Immunitätsausweise für „sinnlos“.
Solange es noch keinen Impfstoff auf dem Markt gibt, können sich Ärzte bei der Therapie eines Covid-19-Infizierten nach wie vor nur auf die Linderung seiner Symptome beschränken. Erfreulich ist dabei immerhin die Tatsache, dass Patienten nach überstandener Erkrankung immun sind gegen Sars-CoV-2. Denn gab es in der Vergangenheit noch einige Skeptiker, sind sich die meisten Wissenschaftler heute doch einig, dass ein Genesener nach der Krankheit wenigstens eine Zeit lang immun ist.
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So schreibt etwa das Robert-Koch-Institut: „Die Erfahrungen mit anderen Coronaviren-Infektionen (Sars und Mers) deuten darauf hin, dass die Immunität bis zu drei Jahre anhalten könnte.“ Die Experten sehen damit ein geringes Risiko für bereits Genesene, sich noch einmal zu infizieren. Auch die WHO und mehrere Experten verweisen auf die Erfahrungen mit anderen Coronaviren und sind optimistisch, dass eine überstandene Infektion wenigstens zeitweise zu einer Immunität führen kann. Und: „Es gibt derzeit keinen medizinisch dokumentierten Fall, in dem jemand ein zweites Mal an Covid-19 erkrankte“, erklärte Immunologe Thomas Kamradt in einem Gespräch mit FOCUS Online. .
Auch er stützt sich auf die Erfahrungen aus der ersten Sars-Epidemie sowie mit Erkältungs-Coronaviren. Sie sprechen ihm zufolge sehr für eine Immunität, die wenigstens „ein paar Jahre“ anhalte. Während dieser Zeit habe Sars-CoV-2 auch keine Möglichkeit mehr, in den Körper der Person einzudringen: „Immun heißt: Ich bin geschützt und ich schütze die anderen.“
Neue Studie zweifelt an Immunität nach Infektion
Den Nachweis für eine Immunität bilden bestimmte Antikörper im Blut. Wer mit Sars-CoV-2 infiziert war, bildet diese in der Regel in den Wochen nach der Infektion. Allerdings ist das offenbar nicht immer so. Eine im Preprint-Server Medrxiv veröffentlichte Studie der Universität Lübeck zeigte, dass es Menschen gibt, die nachweislich mit dem Coronavirus infiziert waren, bei denen die Forscher aber keine Antikörper nachweisen konnten.
Nun wirft eine neue Studie aus China Fragen zur Immunität nach einer Sars-CoV-2-Infektion auf. Die Forscher haben untersucht, ob Menschen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben und unter Symptomen litten, nach überstandener Krankheit länger immun sind als diejenigen, bei denen die Infektion unbemerkt verlief.
Ihr Ergebnis: Bei asymptomatischen Patienten sank die Konzentration der Antikörper in der Tat schon nach kurzer Zeit, bei einigen waren nach drei Monaten bereits keine mehr nachzuweisen. Was wiederum bedeuten könnte, dass sich diese nach überstandener Infektion bald wieder mit dem Virus anstecken könnten. Ihre Studie haben die chinesischen Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlicht.
Nach drei Monaten keine Antikörper mehr nachweisbar
Die Forscher verglichen 37 Corona-Infizierte ohne Symptome in der chinesischen Region Wanzhou mit der gleichen Anzahl von Menschen, bei denen Symptome auftraten. Dabei fanden sie heraus, dass aus der asymptomatischen Gruppe bereits drei bis vier Wochen nach der Infektion nur noch 62,2 Prozent Kurzzeit-Antikörper im Blut hatten – verglichen mit 78,4 Prozent der Patienten, die Symptome hatten.
Nach acht Wochen war die Anzahl der Antikörper in der ersten Gruppe schon um 81,1 Prozent zurückgegangen, bei den Menschen mit Symptomen um 62,2 Prozent. Und nach drei Monaten war der Antikörperspiegel bei 40 Prozent der asymptomatischen Menschen auf ein nicht mehr nachweisbares Level gesunken, verglichen mit nur 13 Prozent bei den symptomatischen Personen. Darüber hinaus wurden bei den asymptomatischen Patienten weniger an der Immunabwehr beteiligte Zellproteine festgestellt, was auf eine schwächere Immunantwort auf das Coronavirus hindeute.
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Dennoch hatte etwa ein Drittel der asymptomatischen Patienten die für Covid-19 charakteristischen „Lungen-Schatten“ und weitere Anomalien bestimmter Zellen. Die Studie fand zudem heraus, dass auch symptomfreie Menschen Viren ausschieden und dies sogar über 19 Tage – und damit vier Tage länger als diejenigen, die Symptome hatten. Ein weiterer Hinweis, dass auch Menschen ohne Symptome andere infizieren können.
Immunitätsausweise laut Forschern sinnlos
Diese Daten machten deutlich, dass die Einführung von Immunitätsausweisen, wie es Gesundheitsminister Jens Spahn auch für Deutschland vorschlug, wahrscheinlich wenig sinnvoll sei, konstatieren die Autoren der Studie. Der Nachweis einer solchen Immunität wäre vermutlich über diese Antikörper im Blut erfolgt – doch ihre Ergebnisse lassen daran zweifeln, dass jeder, der eine Infektion hinter sich hat, gegen künftige Ansteckungen immun sei.
Bisher stammten viele immunologische Daten zur Coronavirus-Pandemie von Krankenhauspatienten mit schweren Verläufen, sagte Danny Altmann, Professor für Immunologie am Imperial College London. Die meisten Infizierten hätten aber nur leichte oder keine Symptome. Es sei daher eine entscheidende Frage, ob auch sie eine dauerhafte, schützende Immunität besäßen. Deutsche Welle Kann eine App wirklich helfen, die Pandemie einzudämmen?
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