Auszahlungsverzögerung durch Serverumzug, hieß es in der vergangenen Woche. Mittlerweile ist klar: Beim privaten Abrechnungszentrum AvP warten die meisten der rund 3.500 angeschlossenen Apotheken auf die Auszahlung ihrer Augustumsätze – bisher vergeblich. Es soll um einen dreistelligen Millionenbetrag gehen und die betroffenen Apothekeninhaberinnen und -inhaber befinden sich zum Teil in einer existenzbedrohenden Notlage. AvP-Chef Mathias Wettstein schürte in der Branchenpresse Hoffnung. Inzwischen hat die Bankenaufsicht BaFin die Kontrolle über die Geldgeschäfte übernommen.
In den sozialen Medien begannen sich betroffene Apothekerinnen und Apotheker vergangene Woche über Auszahlungsverzögerungen beim privaten Abrechnungszentrum AvP zu unterhalten – noch relativ unaufgeregt und sachlich. Es ist üblich, dass die Geldbeträge je nach verhandelter Kondition zu unterschiedlichen Zeiten die Konten der AvP-Kunden erreichen. Hinzu kommen die jüngsten Erfahrungen der Branche mit der missglückten Apobank-IT-Umstellung und den sich daraus ergebenen Verzögerungen.
Doch als sich die Beschwerden häuften und lauter wurden, als immer mehr Apothekeninhaber merkten, dass weder der Außendienst noch die Firmenzentrale von AvP zu erreichen waren, begann die Stimmung allmählich zu kippen. Verunsicherung breitete sich aus. Für die meisten AvP-Kunden wird eine Meldung auf dem Branchenportal „Apotheke adhoc“ wohl das erste und langersehnte Lebenszeichen aus dem Rechenzentrum gewesen sein: „Das private Rechenzentrum AvP hat aktuell Probleme mit der Auszahlung“, hieß es am Mittwoch vergangener Woche. Firmenchef Mathias Wettstein kommt in dem Artikel zu Wort. Er macht einen Serverumzug für den Ausfall des Geldtransfers verantwortlich. Man sei optimistisch, dass bald wieder alles läuft.
AvP für Kunden und Presse unerreichbar
Es ist Mathias Wettstein, der in den Folgetagen immer wieder über das Branchenportal an die Öffentlichkeit tritt. AvP selbst bleibt für Kunden und Pressevertreter nicht erreichbar. Wettstein ist in der Branche kein Unbekannter. Wegen eines Steuervergehens ist er vorbelastet, darf keine BaFin-Lizenz führen und muss die Geldgeschäfte in seinem Unternehmen daher Geschäftsführern überlassen. Ein Blick in das Handelsregister offenbart die Firmenstruktur von AvP: Mathias Wettstein ist Chef der AG und nicht der GmbH, die in der Unternehmensdatenbank der Bankenaufsicht BaFin als Finanzdienstleistungsinstitut geführt wird. Konkret heißt das: Die Apotheken sind auf die Zahlungen aus der GmbH und nicht der AG angewiesen und dafür ist das Vorhandensein eines Geschäftsführers nötig. Jochen Brocher verließ laut Medieninformationen Ende letzter Woche das Unternehmen und wurde inzwischen durch einen Nachfolge-Geschäftsführer ersetzt.
Doch abgesehen von dieser Personalie, muss es bei AvP wesentlich drastischere Gründe für das Versiegen der Geldflüsse an die Apotheken geben. Über Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen wird hinter vorgehaltener Hand gesprochen. Die Finanzdienstleistungsaufsicht soll sogar einen Sonderbeauftragten in das Unternehmen geschickt haben, der die Vorgänge überprüft, heißt es aus Finanzmarktkreisen. „Dieses Factoring-Institut unterliegt unserer Aufsicht“, bestätigt ein BaFin-Sprecher gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Einzelheiten nennt die Bankenaufsicht aufgrund der Verschwiegenheitspflicht nicht. Inzwischen soll laut dpa auch die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft eine Anfrage zu AvP an die BaFin gestellt haben. Nach derzeitigem Stand gäbe es aber kein Ermittlungsverfahren.
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