Ein kleiner Lichtblick? Wieso die neuesten Omikron-Studien Hoffnung machen

Am 24. November meldeten Labore aus Südafrika, dass eine neue Virusmutation kursiert. Die Mutante "B.1.1.529", besser bekannt unter dem Namen "Omikron", weist zwischen 26 und 32 Mutationen am Spike-Protein auf, mit dem das Virus im menschlichen Körper andockt und gilt als weit infektiöser als die bisher dominierende Delta-Variante. Knapp vier Wochen nachdem die ersten Fälle aus Südafrika bekannt wurden, konnte das Virus bereits in 90 Ländern nachgewiesen werden. Mit Blick auf die hohe Reproduktionszahl verwarfen Politiker schnell die Beschreibung einer bevorstehenden "Corona-Welle". Stattdessen sprach die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon von einem "Tsunami".

Großbritannien steht in Europa bisher beispielhaft für diesen "Tsunami". Am Mittwoch zählte das Vereinigte Königreich mit 106.122 Neuinfektionen so viele Fälle innerhalb eines Tages wie noch nie. Bereits Anfang Dezember hatte sich die Zahl der Omikron-Fälle allein in England verdoppelt. Noch vor einer Woche warnten Gesundheitsexperten vor einer Überlastung der Krankenhäuser. Die neue Virusvariante werde die Zahl der Krankenhauseinweisungen über die Weihnachtsferien massiv erhöhen, warnte Boris Johnsons medizinischer Chef-Berater, Chris Whitty. Auch in Deutschland besteht die Sorge, dass die neue Variante im Januar dominieren und das Gesundheitssystem weiter belasten könnte.

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Die Omikron-Variante breitet sich rasend schnell in London aus. Bericht aus einer pandemiemüden Stadt

Erste Studien bestätigen diese Befürchtungen jedoch nur teilweise. Untersuchungen aus Südafrika hatten zunächst nahegelegt, dass sich das Virus zwar schnell verbreitet, die Fälle im Krankenhaus dadurch aber nicht anstiegen. Ähnliches zeigen Studien aus Schottland und England.

Omikron nimmt zu, Hospitalisierung sinkt

Nun kommt auch eine Untersuchung aus Australien zu diesem Schluss. Daten aus Krankenhäusern im Bundesstaat New South Wales (NSW) legen nahe, dass die neue Virusmutation einen milderen Krankheitsverlauf auslöst, als vorhergehende Varianten. Die Ergebnisse, die der Forscher und Ökonom der Diem Association Andrew Lilley, per Twitter veröffentlicht hat, zeigen, dass das Risiko für einen Krankenhausaufenthalt bei einer Infektion mit der Omikron-Variante um mehr als 50 Prozent geringer ausfällt als bei einer Infektion mit Delta.

In NSW war der erste Omikron-Fall Anfang Dezember entdeckt worden. Gut zwei Wochen später machte die Variante 75 Prozent der Neuinfektionen aus. Lilley, der zudem als Doktorand an der Harvard Universität tätig ist, hat anhand offizieller Statistiken über Krankenhausaufenthalte aus der vergangenen Woche eine "Gefährdungsrate" erstellt. Er schätzt, dass die Zahl der Covid-19-Hospitalisierung in den letzten Wochen von knapp sieben auf 3,6 Prozent gesunken ist.

Dass sich die Hospitalisierung damit beinahe halbiert hat, sei nicht mit der Impfquote zu erklären. Behördenangaben zufolge sind in NSW 93,5 Prozent aller Bürger ab 16 Jahren doppelt und knapp 95 einmal geimpft (Stand: 23.12.2021). Die Impfkampagne sei damit weitestgehend abgeschlossen, so Lilley. 75 Prozent der gemeldeten Neuinfektionen seien Impfdurchbrüche und Erkrankungen unter ungeimpften Kindern gewesen. Gleichzeitig melden die Behörden, dass unter den doppelt Geimpften positiv getesteten Personen 80 Prozent eine Omikron-Infektion aufwiesen.




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Omikron löst vermutlich nur milden Krankheitsverlauf aus

NSW eigne sich besonders gut, um die Infektiösität von Omikron zu beobachten, weil sich insgesamt bisher nur wenige Personen mit Corona infiziert hätten, die Auffrischungsimpfung kaum fortgeschritten ist und die Zahl der Delta-Fälle in den vergangenen Wochen konstant geblieben war. All das habe für stabile Ausgangswerte gesorgt, die nur einen Schluss zuließen, so Lilley.

Dem arabischen Sender "Al Jazeera" sagte er, er sei "ziemlich zuversichtlich", dass der Virusstamm von Natur aus milder sei. Allerdings könne es noch dauern, bis die Zahl der Krankenhauseinweisungen im Zusammenhang mit Omikron eindeutig bestimmt werden könnten. "Die exakte Prozentzahl ist schwer abzuschätzen bevor wir mehr Daten über die Zunahme an Fällen haben. Aber es ist wahrscheinlich, dass es [Omikron] weniger virulent ist."

Vielversprechende Ergebnisse?

Catherine Bennett, Gesundheitsexpertin und Epidemiologin an der Deakin Universität in Melbourne, bezeichnete die Analyse bei "Al Jazeera" als "ermutigend", auch wenn es noch früh sei. Die letzten Neuinfektionen seien überwiegend auf Spreader-Ereignisse unter 20- bis 30-Jährigen zurückzuführen. Diese Altersgruppe sei ohnehin seltener im Krankenhaus.

Alexandra Martiniuk von der medizinischen Fakultät an der Universität in Sydney  betonte, dass die Hospitalisierung von mehreren Faktoren abhänge. Insofern sei es schwierig, schon jetzt Schlüsse über den Krankheitsverlauf bei Omikron abzuleiten. "Bis wir mehr Daten über vollständig geimpfte Infektionsfälle und deren möglichen Krankenhausaufenthalt haben und wir vermehrt Omikron-Fälle in höheren Altersgruppen und bei Ungeimpften verzeichnen, wird es schwierig, den Rückgang bei der Hospitalisierung mit Omikron zu erklären", sagte sie.

Obwohl die Untersuchung noch ein Peer-Review-Verfahren durchläuft, also geprüft werden muss, wurde sie in Deutschland bereits gewürdigt. Der Chef-Virologe der Charité, Christian Drosten, teilte die Studienergebnisse per Twitter und schrieb dazu: "Klar, man muss immer dazu sagen: Ein schneller Inzidenzanstieg macht den Effekt zunichte. Aber dennoch erfreulich!"

Zwar belegen auch zwei jüngst veröffentlichte britische Studien diesen Trend, Experten warnen jedoch davor, dass die Infektiösität die Hoffnung auf einen milderen Krankheitsverlauf wieder zunichte machen könnte. Penny Ward, Professorin für Pharmazeutische Medizin am King's College London betonte mit Blick auf die britischen Studien die "außergewöhnliche Ausbreitung dieser Variante in der Bevölkerung". Diese würde dazu führen, dass "selbst ein kleiner Anteil von Menschen, die wegen Covid im Krankenhaus behandelt werden müssen, zu einer sehr großen Zahl werden kann, wenn die Zahl der Ansteckungen in der Bevölkerung weiter ansteigt."

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Expertenrat warnt vor Überlastung des Gesundheitssystems

"Omikron zeichnet sich durch eine stark gesteigerte Übertragbarkeit und ein Unterlaufen eines bestehenden Immunschutzes aus", heißt es in einer Stellungnahme des Expertenrates der Bundesregierung, die der "Ärztezeitung" vorliegt. Mit Blick auf Dänemark, Norwegen, die Niederlande und Großbritannien weisen die Corona-Experten auf eine mögliche "explosionsartigen Verbreitung" mit Verdopplungsraten von zwei bis drei Tagen hin.

Eine Überlastung des Gesundheitssystems könne deshalb nicht ausgeschlossen werden. "Sogar wenn sich alle Krankenhäuser ausschließlich auf die Versorgung von Notfällen und dringlichen Eingriffen konzentrieren, wird eine qualitativ angemessene Versorgung aller Erkrankten nicht mehr möglich sein", heißt es in dem Papier. Die strategische Patientenverlegung könne dann auch nicht mehr zur Entlastung von betroffenen Regionen beitragen.

Inwiefern die Impfung hilft, steht noch nicht ganz fest. Eine erste Laborstudie, die vergangene Woche im Fachblatt "MedRxiv" erschienen ist, deutet darauf hin, dass sich die neue Variante dem Immunschutz durch eine doppelte Impfung entzieht. Dies ist möglicherweise auf die vielen Mutationen am Spikeprotein zurückzuführen, wie das "Ärzteblatt" schreibt. Gesundheitsexperten halten daher die Auffrischungsimpfungen für den besten Weg aus der Pandemie. So wirbt etwa die Johns Hopkins Universität mit einem Spot per Twitter für die Booster-Impfung.

Dem Tenor schließt sich auf der Bonner Virologe Hendrik Streek an. Allerdings rät er von einer Impfpflicht ab. Die Begründung: Es sei noch nicht eindeutig geklärt, inwiefern die Corona-Impfung vor der neuen Virusmutante schützt. Jeder müsse sich darauf vorbereiten, einmal positiv auf Corona getestet zu werden, so Streek.

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