Die AOK Baden-Württemberg sieht keinen Mehrbestellaufwand in kleinen Apotheken durch Rabattverträge. Der Aufwand richte sich nicht nach dem Rabattstatus, heißt es in einem Positionspapier. Vielmehr erfolgten der Bestellvorgang wie auch die Lagerhaltung in der Realität digital und praktisch per Knopfdruck. Das ist zwar grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen, aber den Aufwand in der Apotheke allein auf den technischen Bestellvorgang reduzieren, geht an der Realität kleiner und auch großer Apotheken vorbei, findet DAZ.online-Chefredakteurin Julia Borsch.
Lieferengpässe bestimmen derzeit den Alltag in den Apotheken. Die Unionsfraktionen haben kürzlich den Entwurf eines Positionspapiers vorgelegt, in dem sie verschiedene Vorschläge machen, um das Problem zu lösen. Zum Beispiel sollen die Verträge zukünftig kassenübergreifend und auf regionaler Ebene ausgeschrieben werden. Das soll insbesondere kleinere Apotheken auf dem Land logistisch entlasten. Konkret wären dann für alle Patienten einer Region dieselben Firmen (mehrere) Rabattpartner, unabhängig davon, bei welcher Kasse sie sind. Begründet wird der Vorschlag damit, dass die Apotheken aufgrund der Vielzahl der Rabattverträge viel Zeit und Geld dafür aufwenden, die Medikamente zu beschaffen. Der Vorschlag der Union würde das Ende der kassenspezifischen Rabattverträge bedeuten – AOK, Ersatzkassen, die BKKen etc. müssten dann alle gemeinsam einen Rabattvertrag mit dem Hersteller unterschreiben.
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Apotheker müssen derzeit ziemlich häufig auf den Knopf drücken
Dass die AOK Baden-Württemberg nichts davon hält, war absehbar. Ihr Statement, das sie einem Positionspapier veröffentlicht hat, wirft jedoch die Frage auf, ob sich die Verantwortlichen dort jemals mit der Realität in der Apotheke, egal ob groß oder klein, beschäftigt haben. Dort heißt es, dass sich der Bestellaufwand einer kleinen Apotheke nicht nach dem Rabattstatus des Arzneimittels richtet und der Bestellvorgang wie auch die Lagerhaltung in der Realität digital und praktisch per Knopfdruck erfolgten.
Wenn man die Arbeit in der Apotheke rein auf den technischen Vorgang des Bestellens reduziert, trifft das tatsächlich zu. In der Realität ist es damit aber aus vielerlei Gründen nicht getan. Ganz unabhängig von der Größe der Apotheke. Denn dummerweise ist die AOK nicht die einzige Kasse in Deutschland. Und zig Kassen haben jeweils mit unterschiedlichen Herstellern Verträge. Das heißt, für jede Kasse braucht es für jeden Wirkstoff in jeder Packungsgröße und Wirkstärke einen separaten „Knopfdruck“. Und mehrere Packungen eines Herstellers, die in der Regel aus einer Charge stammen, ließen sich im Backoffice zudem mit viel weniger Aufwand verbuchen als je eine Packung von 20 Herstellern.
Vom benötigten Lagerplatz mal ganz zu schweigen. Gängige Wirkstoffe wie Pantoprazol oder Ramipril, die früher in eine Schublade passten, belegen heute gefühlt halbe Regalwände oder Automaten – schließlich hat man Patienten quer durch die Kassenlandschaft zu versorgen. Dazu kommt, aktuell mehrmals täglich die Verfügbarkeit abzufragen. Denn vielleicht bekommt man ja doch mal was und wenn nicht, muss es rabattvertragskonform nachgewiesen werden. Auch das geht zwar auf Knopfdruck und digital, aber leider müssen Apothekenmitarbeiter diesen „Knopf“ derzeit ziemlich häufig drücken. Auch für jede Kasse für jeden Wirkstoff in jeder Packungsgröße und Wirkstärke. Nicht vergessen darf man natürlich die rahmenvertragskonforme Dokumentation nicht lieferbarer Rabattartikel – jedes Mal ein weiterer Knopfdruck. Kein Aufwand sieht anders aus.
Regionale kassenübergreifende Rabattvereinbarungen würden vermutlich an den Engpässen selbst wenig ändern, aber den Lager- und Bestellaufwand in den Apotheken würden sie definitiv reduzieren. Wer das bestreitet, dem sei ein Praktikum in jeder beliebigen deutschen Vor-Ort-Apotheke empfohlen.
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