Google, Netflix, Amazon, Zalando – in dieser Reihe sieht sich zukünftig die Schweizer Zur-Rose-Gruppe. Der DocMorris-Mutterkonzern will Marktführer beim E-Commerce mit Arzneimitteln werden und fiebert dem deutschen E-Rezept entgegen. Dieses Versprechen formulierte Zur Rose gegenüber Investorenvertretern beim „Capital Market Day“ am vergangenen Mittwoch. Doch wie realistisch sind die Pläne? Gegenüber DAZ.online äußert sich ein Finanzmarktbeobachter.
Die Einführung des E-Rezepts ist aus Sicht von Zur Rose eine Gelegenheit, die sich nur „einmal im Leben“ bietet. Die Erwartungen sind bei den Schweizern offenbar riesig. Es gehe um die Positionierung in einem Markt, der in mehreren europäischen Ländern zusammen mit 146 Milliarden Schweizer Franken (knapp 134 Milliarden Euro) angesetzt wird und in dem der E-Commerce-Anteil bisher minimal und damit sehr steigerungsfähig sei. So formulierte man es vor Investorenvertretern beim „Capital Market Day“ am vergangenen Mittwoch. Das Zur-Rose-Management rechnet damit, dass der Marktanteil des Rx-Versands in Deutschland innerhalb von drei bis fünf Jahren von aktuell rund 1 auf etwa 10 Prozent steigen und langfristig weiteres Potenzial haben wird. Doch für wie realistisch halten Finanzmarkt-Beobachter diese vollmundigen Versprechungen?
Gegenüber DAZ.online äußert sich nun ein Experte, der die Aktivitäten der Zur-Rose-Gruppe seit Jahren beobachtet. Auch mit dem deutschen Apothekenmarkt setzt er sich auseinander. Er will anonym bleiben – weder seine Herkunft noch sein Unternehmen dürfen genannt werden. Im Interview weist er auf massive Gefahren für das deutsche Apothekenwesen hin und sieht große Versäumnisse des Gesetzgebers – vor allem im Ressort von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
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Zur Rose plant massive Marktoffensive zum E-Rezept
DAZ.online: Mit der Einführung des E-Rezepts in Deutschland sieht sich die Schweizer Zur-Rose-Gruppe am langersehnten Ziel. Ihren Aktionären verspricht sie gewaltige Zuwächse beim Rx-Marktanteil. Für wie realistisch halten Sie diese Prophezeiungen?
Aktuell würden gemäß einer ABDA-Umfrage etwa 5 Prozent der Bevölkerung nach der Einführung des E-Rezepts rezeptpflichtige Medikamente bei einem Versandhändler bestellen. Während starke Preisnachlässe im OTC-Bereich dazu geführt haben, dass inzwischen rund 20 Prozent vom Umsatz bei Online-Anbietern landet, werden folgende Kriterien schlussendlich entscheidend sein, wie stark Rx-Arzneimittel online bei EU-Versendern nachgefragt werden: Datensicherheit, Gesundheits- und Arzneimittelberatung, Lieferzeit und -sicherheit, Vertrauen zum pharmazeutischen Personal, Kundenfreundlichkeit und nicht zuletzt die soziale Interaktion. Ob Zur Rose mehrere Milliarden Schweizer Franken bzw. Euro Zusatzumsatz von stationären Apotheken wegnehmen kann, hängt stark davon ab, wie DocMorris bei den genannten Kriterien aus Patientensicht punktet. Ich bin da eher skeptisch.
Bei einer virtuellen Veranstaltung vor Investorenvertretern am Mittwoch in der vergangenen Woche skizzierte DocMorris-Deutschlandchef Walter Hess jedoch, wie die digitalen Verordnungen statt in die Vor-Ort-Apotheken ins eigene Unternehmen flattern sollen. Dabei setzt Zur Rose offenbar auf die peripheren Wege abseits der Gematik-App. Was halten Sie davon?
In unserem digitalen Zeitalter, wo mit sensiblen Daten sehr viel Unfug betrieben werden kann, muss es im Interesse des Gesetzgebers sein, vor allem des Bundesgesundheitsministeriums, in Bezug auf das E-Rezept stringente und universelle Datenschutz- und Informationssicherheitsregeln aufzustellen. Anscheinend gibt es seitens des Ministeriums bzw. der beauftragten Gematik diesbezüglich keine klare Linie. Es wird so sein, dass jeder, der im Besitz des E-Rezept-Tokens ist, die Einlösung des E-Rezepts veranlassen kann, ohne sich mittels elektronischer Gesundheitskarte identifizieren zu müssen. Gleichzeitig arbeitet die Gematik aber streng nach den Datenschutz- und Informationssicherheitsregeln und sorgt für die technische Voraussetzung, dass nur die jeweiligen Versicherten die Hoheit über die eigenen E-Rezepte haben. Das heißt, jeglicher Zugriff ist nur dem Versicherten oder einem beauftragten Vertreter erlaubt. Das sieht mir nach einem Widerspruch, einem Paradoxon aus.
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