Wie es Betroffenen nach COVID-19 geht
Die Berichterstattung über das Coronavirus SARS-CoV-2 ist geprägt von Infektionszahlen und Todesfällen. Die allermeisten Betroffenen überstehen die Krankheit jedoch unbeschadet. Wie geht es den Personen, die eine schwere COVID-19-Erkrankung hinter sich haben? Sind Folgeschäden bekannt?
Zig Millionen Menschen weltweit haben eine Infektion mit dem Coronavirus bereits überstanden. Die Dunkelziffer gilt als hoch, auch weil SARS-CoV-2 oftmals kaum oder gar keine Symptome verursacht. Wenn die vom Virus verursachte Erkrankung COVID-19 einen schwereren Verlauf nimmt, sind die Patientinnen und Patienten allerdings oft nach Wochen noch nicht wieder vollständig genesen. Ist mit lebenslangen Spätfolgen zu rechnen?
Noch sei insgesamt wenig über Spät- und Langzeitfolgen einer Corona-Infektion bekannt, sagt Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Erste Erkenntnisse über mögliche neurologische Folgen seien etwa erst in den vergangenen Wochen gesammelt worden. „Die waren vorher so noch nicht bekannt, denn die Erkrankung ist ja noch jung.“ Mit Fortschreiten der Pandemie finden Forschende immer mehr über die Krankheitsverläufe und Folgeschäden bei Covid-19-Betroffenen heraus. Muster und Zusammenhänge werden erkennbar. Hier ein Überblick:
Erkrankte mit mildem Verlauf ohne Krankenhausaufenthalt
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt den Anteil der milden Verläufe auf rund 80 Prozent aller Fälle. Bei den Infizierten, die etwas von dem Virus merken, zählen laut Robert Koch-Institut (RKI) vor allem Husten (49 Prozent) und Fieber (41 Prozent) zu den häufigsten Symptomen – ähnlich wie bei einem grippalen Infekt.
„Die Patienten, mit denen wir gesprochen haben, berichteten, dass die Symptome mitunter schon sehr heftig waren“, sagt Matthias Kochanek, Oberarzt am Universitätsklinikum Köln. Sie hätten etwa über zehn bis 21 Tage lang angehalten. „Die Dauer fühlte sich bei vielen Patienten länger an als man sie von einer normalen Grippe beispielsweise kennt“, sagt der Intensivmediziner. Noch könne dieser Wert aber nicht als gesichert gelten.
Bekannt ist, dass sich viele Erkrankte nach einem milden Infektionsverlauf recht zügig wieder fit fühlen. „Die meisten Patienten haben uns danach auch berichtet, dass sie wieder komplett belastbar waren“, so Kochanek. Die Genesung hänge auch vom Einzelfall und möglichen Begleiterkrankungen ab.
Neurologische Symptome
Wenig wissen ist bisher über die Geschmacks- und Riechveränderungen bekannt, die einem Teil der Erkrankten auch bei milden Verläufen auffielen. „Beobachtungsstudien zeigen, dass sich diese Problematik in zwei bis drei Wochen bei der Mehrzahl der Patienten zurückbildet“, sagt der Neurologe Berlit. In etwa fünf bis zehn Prozent der Fälle bleibe die Störung länger bestehen.
Dass viele Erkrankte parallel zu Riechstörungen vermeintlich auch über Veränderungen bei der Geschmackswahrnehmung berichten, könnte laut einer Analyse, an der auch das Universitätsklinikum Dresden beteiligt ist, ein Interpretationsfehler sein. Die meisten der Befragten können demnach die vier Geschmacksrichtungen süß, sauer, bitter und salzig weiter einigermaßen zuverlässig unterscheiden – nicht aber Aromen, für die es ein Zusammenspiel mit dem Geruchssinn brauche.
Betroffene mit schwerem Krankheitsverlauf ohne Beatmung
Rund 20 Prozent der Corona-Infektionen verlaufen laut WHO so schwer, dass eine stationäre Behandlung erforderlich wird. Je nach Krankheitsverlauf unterscheidet sich dabei die Behandlung. Manche brauchen wegen Atemnot zwar Sauerstoff, können aber auf einer Normalstation behandelt werden. „Diese Patienten weisen in etwa einen gleichen Verlauf auf wie die Patienten mit mildem Verlauf“, erklärt Intensivmediziner Kochanek. „Sie brauchen mitunter lediglich etwas länger bei der Genesung.“
Andere erkranken etwas schwerer und brauchen noch etwas mehr Sauerstoff – etwa über einen kleinen Plastikschlauch unter der Nase. Diese Betroffenen bräuchten im Vergleich zu einem milden Verlauf deutlich länger, etwa drei bis vier Wochen, um wieder richtig fit zu sein, sagt Kochanek. „Nachdem diese Patienten das Krankenhaus verlassen haben, haben sie uns erzählt, dass sie sich noch eine ganze Zeit lang schlapp und müde und nicht so leistungsfähig gefühlt haben.“
Intensivpatienten mit schwerem Krankheitsverlauf und Beatmung
Ist die Lungenfunktion von COVID-19-Patienten so stark eingeschränkt, dass eine solche Versorgung mit Sauerstoff bei zunehmender Atemnot nicht mehr ausreicht, werden sie auf die Intensivstation verlegt, in ein künstliches Koma versetzt und bekommen eine Beatmung über einen Schlauch in der Luftröhre. Eine solche Intubation birgt Risiken.
So ist das Aufheben der Beatmung ein schwieriger Prozess – je länger sie dauerte, desto stärker sind neben anderen auch die zum Atmen benötigten Muskeln abgebaut. Gerade bei Älteren ist es schwierig, sie wieder bis zum Zustand zuvor aufzubauen. Auch reagiert die Lunge empfindlich auf Überdruck und auf den Sauerstoff, der der Beatmungsluft zugesetzt wird. Lungengewebe kann irreparabel geschädigt werden. Auch in anderen Organen kann eine künstliche Beatmung zu Schäden führen.
Über die Schläuche kann zudem zusätzlich zur Viruserkrankung eine bakterielle Infektion in der Lunge entstehen. Bei fast allen COVID-19-Betroffenen am Kölner Universitätsklinikum sei eine solche zweite oder gar dritte von Bakterien ausgelöste Lungenentzündung festzustellen, berichtet Kochanek.
Langzeitfolgen von Lungenentzündungen
Über Langzeitfolgen etwa solcher Lungenentzündungen lassen sich Experten zufolge noch keine gesicherten Aussagen machen. Bei heftigeren Verläufen, etwa mit schwerem Lungenversagen und langer Beatmungsdauer, seien durchaus Restsymptome wie ein vermindertes Lungenvolumen zu erwarten, sagt der Mediziner Sven Gläser vom Vivantes-Klinikum Neukölln.
Es sei ein Muster zu erkennen, sagt Kochanek: Schwer erkrankte COVID-19-Betroffenen bräuchten im Vergleich zu Erkrankten mit anderen Formen der Lungenentzündung sehr viel länger für ihre Genesung. Eine seiner ersten Patientinnen, 80 Jahre alt, wurde erst vor kurzem in eine Rehaklinik entlassen. Sie war etwa drei Wochen nach Karneval in die Klinik gekommen – also Mitte März.
Schädigungen im Gehirn
Bei einigen Patienten werden zudem schwere neurologische Erkrankungen sichtbar – sogenannte Enzephalopathien, also Schädigungen im Gehirn. „Das drückt sich in Unruhe und Verwirrtheit aus, auch die Leistung des Gedächtnisses kann beeinträchtigt sein“, erklärt Berlit. Noch fehle es auch dazu an Langzeiterkenntnissen. Zu befürchten sei aber, dass solche Einschränkungen über längere Zeit bleiben könnten.
Thrombosen und Schlaganfälle
Ein weiteres Risiko seien die Langzeitfolgen durch Schlaganfälle, die laut Berlit nicht nur bei schwer erkrankten COVID-19-Betroffenen bedingt durch eine höhere Thromboseneigung gehäuft beobachtet werden. Welche Symptome zurückbleiben, hänge vor allem vom betroffenen Hirnareal ab. Unklar seien auch noch die Folgen epileptischer Anfälle, die im Zusammenhang mit einem Zytokinsturm, einer Immunantwort auf die Coronainfektion, beobachtet wurden. Ob eine Epilepsie als dauerhafte Folge nach der Infektion zurückbleiben kann? „Das ist denkbar, aber wir wissen es noch nicht“, sagt Berlit. (vb; Quelle: Lennart Stock, dpa)
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