Corona-Tests nur noch für bestimmte Gruppen? So könnte die optimale Teststrategie aussehen

In Österreich macht eine anfängliche Euphorie nun Ernüchterung und Ratlosigkeit Platz. Das Land hatte zuletzt eine beispiellose Teststrategie gefahren. Vor allem die Landeshauptstadt Wien war durch ihr umfassendes Angebot in Deutschland positiv aufgefallen. Kostenlose PCR-Tests für alle lautete die Devise. Neidisch linsten die Deutschen, denen die hochwertigen Tests gerade gekürzt wurden, hinüber in die Alpenrepublik. Im Schlaraffenland Wien gab es die PCR-Tests an jeder Ecke – und die Proben konnte man direkt dort wieder abgeben. Dank des flächendeckend eingesetzten Pooling-Verfahrens konnte sich jeder Bürger jederzeit testen.

Doch nun regen sich Zweifel. Die Inzidenz war seit Jahresbeginn kontinuierlich gestiegen, aktuell verzeichnet das Land knapp 2600 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der letzten sieben Tage. Es scheint nicht so, als habe Österreich die Pandemie besser im Griff, nur weil mehr getestet wird.

Für Epidemiologen steht nun fest: "Zielloses Kreuz-und-quer-Testen durch die gesamte Bevölkerung (hat) epidemiologisch nur mehr ganz geringen Einfluss auf das Gesamtgeschehen". Das Problem: Das Contact-Tracing ist unter den zahlreichen Testergebnissen zusammengebrochen, Konsequenzen für positiv Getestete und Kontaktpersonen gibt es keine mehr. "Es braucht eine Strategie, auf wen wir uns mit den Tests konzentrieren wollen", plädiert unter anderem Epidemiologe Gerald Gartlehner von der Donau-Uni in Krems im "Standard".

In Hamburg bei 80 Prozent


Deshalb gibt es gerade so viele falsche positive Corona-Tests

Könnte Deutschland zum Vorbild werden?

Auch hierzulande sind sich Experten schon lange einig: Anlass- und zielloses Testen in der Bevölkerung hat keinen großen Nutzen. Bereits vor zwei Wochen warnten die Labore vor einer Überlastung, durch zu viele PCR-Proben. Und der Anstrum ist weiterhin enorm. Wie der Verband der Akkredtierten Labore (ALM) mitteilte, wurden seit dem 31. Januar in allen 182 fachärztlichen Laboren 2.477.154 PCR-Untersuchungen durchgeführt. Die Positivrate stieg auf 45 Prozent. "In vielen Bundesländern sind bereits mehr als die Hälfte aller ausgewerteten Proben positiv", heißt es in der Pressemitteilung.

Laut der zuletzt angepassten nationalen Teststrategie sollen künftig Risikgruppen bei den PCR-Tests priorisiert werden. Für alle anderen sind demnach die Antigen-Schnelltests vorgesehen. Ein Sprecher des Laborverbunds Bioscientia sagte gegenüber dem stern, dass dadurch potentiell weniger positive Fälle erkannt würden. Es bestehe beispielsweise das Risiko, dass sich Reisende oder Personen in Quarantäne fälschlicherweise freitesteten, weil die Viruslast für die Antigen-Tests zu niedrig sei – was jedoch nicht bedeutet, das die Personen nicht mehr ansteckend sind. Keine Priorisierung würde allerdings bedeuten, das Gesundheitswesen und vulnerable Gruppen zu gefährden.

Der ALM ließ wissen, dass man die "Umsetzung einer sinnvollen und an medizinischen Grundsätzen ausgerichteten Priorisierung" begrüße. Man könne sich nicht aus der Pandemie heraustesten. "Der Nutzen anlassloser Massentestungen mit zu geringer Beteiligungsrate durch die Bevölkerung wurde bisher wissenschaftlich nicht belegt."

Tests lieber dosieren?

Eine Forschergruppe um Petra Dickmann, die an der Uniklinik in Jena unter anderem zu globalem Pandemie- und Ausbruchsmanagement forscht, hat bereits im Sommer 2020 ein Konzept für strategisches Testen entwickelt. Um mögliche bundesweite Gesundheitsmaßnahmen einzuführen sei es etwa wichtig, auch die Rolle der Schulen zu beobachten. "Dabei ging es nicht um Individualmedizin und die Frage, ob Marie und Jonas positiv sind, sondern wie viele Infektionen in Schulen (und Kitas) auftreten und mit welchen Maßnahmen sie am besten eingedämmt werden", sagte sie dem stern.





Tatü Tata, der Corona-Test ist da

Hierbei setzte die Forschungsgruppe auf gepooltes Testen. Dabei werden mehrere Testproben zusammen analysiert. Fällt das Ergebnis positiv aus, werden die Proben noch einmal einzeln untersucht. Dickmann sieht darin "eine sinnvolle, ressourcenschonenende Maßnahme". So könnte auch auf Entwicklungen in der Gesamtbevölkerung geschlossen werden. In Zeiten mit niedriger Inzidenz empfiehlt die Expertin in spezifischen Gruppen mit dem Pooling-Verfahren zu testen. Wie niedrig die Inzidenz dafür sein muss, sei allerdings schwer zu sagen. "Wenn das Ziel ist, Infektionen oder auch besonders disponierte Infektionsorte frühzeitig zu erkennen und zu unterbrechen, ist flächendeckendes strategisches Testen gut." Bestünde das Ziel darin, schwere Krankheitsverläufe zu verhindern, sei es sinnvoller, medizinische Einrichtungen und vulnerable Gruppen zu bevorzugen und um diese zu schützen. So könnten auch begrenzte Ressourcen geschont werden.

In sogenannten Niedrig-Risiko-Bereichen, wie etwa an Schulen, wo keine schweren Krankheitsverläufe auftreten, seien die Tests dagegen hinderlich, weil sie den Schulbetrieb unterbrechen. Insgesamt spricht sich die Forscherin für gepooltes Testen in spezifischen Bereichen aus. "Gerne auch mit wissenschaftlicher Begleitung, damit wir endlich mehr Evidenz darüber bekommen, wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt", sagte sie dem stern.

Dickmann betont jedoch: "Der beste Schutz vor einer schweren Erkrankung ist die Impfung – ein Test gibt mit unterschiedlicher Aussagekraft immer nur eine Momentaufnahme wieder."

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