Betrug bei Schnelltests: So einfach ist ein Testzentrum aus dem Boden gestampft

Die Zahl der Corona-Schnellteststellen steigt von Woche zu Woche. Angesichts des Verdachts von Abrechnungsbetrug wollen Bund und Länder nun schärfere Vorgaben. FOCUS Online erklärt, wer überhaupt ein Zentrum eröffnen darf und wie es zu dem möglichen Betrug kommen konnte.

Das Kino, das Sonnenstudio, der Parkplatz vor dem Baumarkt – sie alle haben eines gemeinsam: Sie sind in der Corona-Pandemie zum Testzentrum umfunktioniert worden. Während Testmöglichkeiten vor rund einem Jahr noch Mangelware waren, sprießen in den vergangenen Wochen und Monaten täglich neue Zentren aus dem Boden.

Gebraucht und genutzt werden die Einrichtungen für Antigenschnelltests vor allem von all denjenigen, die spontan zum Shopping, Friseur oder ins Restaurant wollen. Auch für Urlauber gilt in den meisten Hotels ein negativer Schnelltest als Eintrittskarte.

Bereits im April erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, es gebe deutschlandweit über 15.000 Teststellen. Wie eine Recherche der „Süddeutschen Zeitung“ gemeinsam mit WDR und NRW ergab, arbeiten jedoch nicht alle dieser Einrichtungen seriös. Demnach hatten einige Zentren offenbar eine deutlich höhere Anzahl an Tests abgerechnet, als sie tatsächlich durchgeführt hatten. Gegen die Betreiber wird mittlerweile in fünf Bundesländern ermittelt.

Wie es dazu kommen konnte und warum sich das Sonnenstudio um die Ecke seit Pandemiebeginn überhaupt Testzentrum nennen darf, lesen Sie im Überblick von FOCUS Online.  

Hinweis: In den jetzt berichteten Fällen wurden von den Zentren keine Tests verfälscht oder schlecht durchgeführt. Sie wurden schlichtweg gar nicht durchgeführt. Demnach handelt es sich hierbei um einen finanziellen Betrug bei der Abrechnung. Es sind dadurch keine falschen Testergebnisse im Umlauf.

Wer darf ein Corona-Testzentrum eröffnen?

Unter den Betreibern von Testzentren unterscheidet die Testverordnung des Bundesgesundheitsministeriums drei Kategorien:

Unter Punkt 2 fällt demnach jedes Unternehmen in Deutschland, das gewisse Mindestanforderungen erfüllt und sich mit einem Konzept beim zuständigen Gesundheitsamt vorstellt. Details zur Zulassung finden sich in den jeweiligen Verordnungen des Bundesländer, häufig mit minimalen Unterschieden.

In einer Anlage der „Corona-Test-Strukturverordnung“ für Nordrhein-Westfalen heißt es etwa, Betreiber müssten „zuverlässig im Sinn des Gewerberechts“ sein und „über Erfahrungen/Qualifikationen“ verfügen, die eine Einhaltung des Standards gewährleisten könnten. Stimmen Konzept und Anforderungen, beauftragt die zuständige Gesundheitsbehörde das Unternehmen als Testzentrum.

Demnach bieten also nicht nur naheliegende Betreiber, etwa Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter oder Malteser Tests an. Unter den Zentren sind auch viele Unternehmen, die bislang nicht mit dem Gesundheitswesen in Berührung kamen. In Bayern können sich laut Staatsministerium etwa „interessierte Drogeriemärkte, Baumärkte usw.“ über ein Formular zur Bürgertestung registrieren.

Gibt es Voraussetzungen bei der Infrastruktur, um ein Testzentrum für Schnelltests zu betreiben?

Damit die Tests stattfinden können, müssen zudem Kriterien an die Räumlichkeiten und Infrastruktur erfüllt werden. So muss etwa die Größe „dem zu erwartenden Testaufkommen entsprechend bemessen sein“.

Zudem müsse „die Möglichkeit zur regelmäßigen Lüftung bestehen“. Alternativ müssten Luftfiltergeräte eingesetzt werden. Auch einen Wartebereich mit ausreichendem Abstand schreibt die Verordnung vor. Zu Aushängen und Arbeitsanweisungen gibt es ebenfalls Vorgaben. Hauke-Christian Dittrich/dpa Coronavirus-Teststelle in Laatzen, Hannover.

Können Testzentren auch ohne medizinisches Personal betrieben werden?

Um ein Testzentrum zu betreiben, ist nicht zwingend medizinisches Personal notwendig. Für den Fall, dass der Betreiber nicht über eine „Ausbildung in einem Gesundheitsberuf als Ärztin oder Arzt, Apotheker oder Apothekerin“ verfügt, schreibt NRW etwa vor, es müsse „eine entsprechende Expertise durch andere Beschäftigte oder mindestens durch eine Kooperationsvereinbarung einbezogen werden“. Der gleiche Passus findet sich in der baden-württembergischen Verordnung – hier allerdings nur als Empfehlung.

Ebenso ist eine Schulung „durch fachkundige Personen“, die die Länder vorschreiben, deutschlandweit nicht einheitlich festgelegt. Eine standardisierte Unterweisung von Testpersonal gibt es also nicht. Hier kommen häufig Organisationen wie das Deutsche Rote Kreuz oder die Johanniter zum Einsatz, die für 70 Euro pro Person Einweisungen im Umfang von 30 Minuten bis zwei Stunden anbieten.

So erkennen Sie ein seriöses Testzentrum

Generell sollten die Testzentren nur die vom Paul-Ehrlich-Institut als geeignet festgelegten Tests verwenden. Diese wurden überprüft und garantieren somit die Mindestanforderungen des Robert-Koch-Instituts. Eine Übersicht über die in Deutschland zugelassenen Schnelltests finden Sie hier.

Zudem ist es wichtig, dass im Testzentrum auf die vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen geachtet werden. Dazu zählt etwa die Handdesinfektion beim Betreten der Einrichtung. Das Testzentrum sollte zudem einen Wartebereich haben, in dem Sie mindestens 1,5 Meter Abstand zu anderen Personen einhalten können. Außerdem ist es wichtig, dass das Personal vor Ort hygienische Schutzkleidung und Handschuhe trägt.

Wie rechnen Testzentren die Tests ab? Und wie viel Geld bekommen sie dafür?

Die Bundesländer sind nicht dazu verpflichtet, die Anzahl der durchgeführten Corona-Tests an das Robert-Koch-Institut (RKI) zu melden. Stattdessen erfolgt die Abrechnung über die Kassenärztlichen Vereinigungen.

Die Teststellen erhalten bis zu 18 Euro pro Test. Dieser Betrag setzt sich aus den Beschaffungskosten sowie der erbrachten Leistung, also der Durchführung des Tests zusammen. Ärzte und Zahnärzte erhalten etwa 15 Euro pro Test, zuzüglich Sachkosten. Apotheker sowie alle weiteren Berufsgruppen bekommen stattdessen bis zu 12 Euro plus Sachkosten. Letztere durften im März noch 9 Euro je Test und ab April dann 6 Euro betragen.

Seit März sieht die Corona-Testverordnung der Bundesregierung die Bürgertests vor, im April rechneten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) erstmals die Kosten beim Bundesamt für Soziale Sicherung ab. 660 Millionen Euro seien in den Monaten April und Mai insgesamt überwiesen worden, heißt es von dort auf Anfrage. BMG Die nationale Teststrategie

Allerdings sind darin nicht nur die Kosten für die Bürgertests enthalten, sondern generell für alle vom Bund bezahlten Schnelltests, für die die Proben nicht extra in ein Labor geschickt werden müssen. Neben den Bürgertests sind das etwa auch solche „für Bewohnerinnen und Bewohner von Unternehmen und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens“, wie das Bundesamt mitteilte. Namen und Adressen der Testwilligen dürfen für die Abrechnung aus Datenschutzgründen nicht weitergegeben werden.

Welche Tests benutzen die Testzentren? Und sind alle Tests gleichwertig?

Die Zentren dürfen laut Verordnung lediglich solche Tests verwenden, „welche die durch das Paul-Ehrlich-Institut in Abstimmung mit dem Robert Koch-Institut festgelegten Mindestkriterien für Antigen-Tests erfüllen“. Diese können auf der Website des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte eingesehen werden.

Sein Ergebnis steht nach 15 bis 30 Minuten fest und gilt für 24 Stunden. Ist der Test hingegen positiv, muss ein weiterer Nachweis mittels PCR-Methode erfolgen.

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Nach Betrugsfällen: Gibt es künftig schärfere Kontrollen?

Angesichts des Verdachts auf Abrechnungsbetrug planen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern schärfere Vorgaben. Dafür werden kurzfristig Neuregelungen in der Testverordnung angestrebt. Ansatzpunkte sollen demnach etwa sein, dass Sachkosten zur Zahl der Testkits von den Kassenärztlichen Vereinigungen mit den abgerechneten Tests abgeglichen werden. Die Teststellen könnten dann den Kassenärztlichen Vereinigungen ihre Steuer-Identifikationsnummer angeben müssen, damit Finanzämter abgerechnete Tests mit angegebenen Umsätzen abgleichen können. Die Zentren könnten eine schriftliche Bestätigung des Gesundheitsamtes vorlegen müssen, dass sie Tests ordnungsgemäß vornehmen.

Wie es aus den Teilnehmerkreisen weiter hieß, wurde zugleich betont, dass es gelungen sei, schnell eine funktionierende Testinfrastruktur mit vielen seriöse Anbietern aufzubauen. Testzentren würden auch schon kontrolliert und seien teils geschlossen worden. Ein Missbrauch des Testangebots sei aber nicht hinnehmbar.

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