Vielleicht war es ihm lange zu peinlich, ärztliche Hilfe suchen? Als ein 22-Jähriger Mann in Saudi-Arabien in einem Krankenhaus erscheint, lebt er nach eigener Angabe bereits seit vier Jahren mit einer acht Zentimeter langen Pinzette in seiner Harnröhre.
Probleme beim Pinkeln, Fieber oder Schüttelfrost hat der Mann trotz des Fremdkörpers in seinem Penis nicht, sagt er den Ärzten. Bei der Untersuchung stellen die Mediziner fest, dass seine Blase nicht gedehnt ist und der Harnröhrenausgang normal aussieht. Der Fremdkörper lässt sich von der Mitte des Penis bis zum Ansatz ertasten, schreiben die Mediziner in einem Fallbericht im Fachblatt „Urology Case Reports“. Röntgenbilder zeigen eine Metallzange von etwa acht Zentimetern Länge im vorderen Harnröhrenbereich.
Die Haarentfernungszange sei mit ihrem geschlossenen Ende in die Harnröhre eingeführt worden, berichten die Ärzte. Etwa sieben Zentimeter des geöffneten Endes zeigen in Richtung der Harnröhrenöffnung an der Eichel. Aus welchem Grund der Mann sie sich eingeführt habe, will er den Ärzten nicht sagen.
„Dass der Mann gar keine Beschwerden hatte, klingt für mich sehr unglaubwürdig“, sagt Christian Wülfing, Chefarzt der Urologie an der Asklepios-Klinik in Hamburg. „Die menschliche Harnröhre ist etwa so dick wie ein kleiner Finger. Wenn dort ein Fremdkörper steckt, dann hat man eigentlich Probleme beim Wasserlassen und starke Schmerzen – die Harnröhre ist sehr schmerzempfindlich.“
Fremdkörper in der Harnröhre seien zwar selten, doch jeder Urologe mit ein paar Berufsjahren Erfahrung habe das schon einmal gesehen, so Wülfing. Bei Männern komme das häufiger vor als bei Frauen.
Urologische Fallberichte stützen diese Behauptung: Immer wieder werden Fälle bekannt, in denen sich vor allem Männer Gegenstände in die Harnröhre einführen, die sie selbst nicht mehr herausbekommen. Im September etwa führte sich ein 28-Jähriger Mann in China 159 magnetische Kugeln in die Harnröhre ein, die sich in der Blase zu einem Klumpen sammelten. Fünf Stunden danach begab er sich in die Notaufnahme, wo die Kugeln per Not-OP wieder herausgeholt werden konnten.
2014 ereignete sich ein ähnlicher Fall in den USA. Während der Masturbation führte sich ein 16-Jähriger wiederholt 25 starkmagnetische Kugeln in die Harnröhre ein, die er alleine nicht mehr herausbekam. Sie mussten operativ entfernt werden.
22-Jähriger erscheint nicht zur Nachuntersuchung
Im Fall des 22-Jährigen aus Saudi-Arabien habe die Pinzette entfernt werden können, indem der OP-Assistent die beiden Enden der kleinen Zange von außen am Penisschaft zusammendrückte, heißt es in dem Fallbericht. Mithilfe eines Endoskops sei der Fremdkörper dann auf dem Weg entfernt worden, auf dem er hinein gelangt war.
Der Patient habe den Eingriff gut überstanden und sei danach entlassen worden. Die Ärzte hätten ihm zu einer psychiatrischen Untersuchung geraten, die er ablehnte, heißt es in der Fallbeschreibung. Er sei auch nicht zur Nachuntersuchung erschienen.
Der häufigste Grund für das Einführen von Fremdkörpern in die männliche Harnröhre sei dem Bericht zufolge sexuelle Befriedigung, insbesondere während der Masturbation. Meistens ist es den Patienten demnach zu peinlich, ärztliche Hilfe aufzusuchen. So wie wahrscheinlich auch im Fall des 22-Jährigen.
Auch Wülfing hat beobachtet, dass Patienten sich meist aufgrund von Lustempfinden Dinge in die Harnröhre einführen. „Ich habe schon von Telefonkabeln, Zahnbürsten und sogar Rasierklingen gehört. Patienten haben mir auch von speziellen Harnröhren-Sextoys erzählt.“ Es scheine also bei manchen in die menschliche Sexualität hineinzupassen.
„Wenn sie den Gegenstand dann in der Harnröhre ‚verlieren‘, ist die Scham zu groß, zum Arzt zu gehen.“ Dabei sei es wichtig, sich damit einem Urologen anzuvertrauen, sonst könne es zu narbigen Verengungen führen, die schmerzhafte Beschwerden hervorrufen könnten.
Im Gegensatz zu den autoerotischen Unfällen gäbe es auch einige Patienten, die aufgrund von psychiatrischen Erkrankungen handelten: „Ich hatte mal einen Patienten, der kam alle drei bis vier Wochen mit den unterschiedlichsten Fremdkörpern in der Harnröhre“, sagt Wülfing. „Da liegt dann schon ein ganz anderes Krankheitsbild vor.“
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