US-Studie zeigt: Wo Restaurants öffnen, steigen die Fallzahlen

Nach Monaten des Stillstands hoffen Gastronomie-Betreiber in Deutschland auf erste Lockerungen. Doch ab wann Gäste wieder in Restaurants essen gehen können, ist derzeit vollkommen offen.

Bund und Länder wollen in zwei Wochen erneut zu dem Thema sprechen. Frühestens ab dem 22. März könnten erste Lockerungen drin sein, zumindest für die Außengastronomie – so sieht es der letzte Bund-Länder-Beschluss vor. Das Zugeständnis ist allerdings an bestimmte Bedingungen geknüpft, allen voran die Sieben-Tage-Inzidenz. Steigt der Wert über 100, wird der Öffnungsschritt wieder gestrichen. Liegt die Inzidenz von vornherein über dieser Schwelle, kommt es erst gar nicht zu der Lockerung.

Virologe Yong-Zhen Zhang


Dieser Mann entschlüsselte das Coronavirus – danach musste sein Institut schließen

Warum, so fragen sich derzeit wohl viele, wird die Gastronomie so gegängelt? Eine Untersuchung des Robert Koch-Instituts (RKI) aus dem September 2020 legt nahe, dass es vor allem in Haushalten sowie Alten- und Pflegeheimen vermehrt zu Corona-Ausbrüchen kommt. In Restaurants waren dagegen nur vereinzelt Ausbrüche gemeldet worden. Die Analyse hat aber Tücken. So können Infektionsketten je nach Umfeld unterschiedlich leicht nachvollzogen werden. Vor allem an öffentlichen Orten gestaltet sich die Kontaktnachverfolgung schwierig. Hinzu kommt: Von den damals knapp 202.225 übermittelten Fällen konnten nur gut 27 Prozent (55.141) einem Ausbruchsgeschehen zugeordnet werden. Wo sich die große Mehrzahl der Personen infiziert hatte, blieb unklar. 

Sollte für Restaurants dann nicht die Unschuldsvermutung gelten und Wirtshäuser und Co. wieder für Gäste öffnen dürfen? Ganz so einfach ist es nicht. Allein das Fehlen von Belegen ist in der Wissenschaft noch kein Beweis dafür, dass es tatsächlich keine Belege gibt. Forschende kennen diesen Leitsatz unter dem Spruch "Absence of evidence is not evidence of absence".

US-Studie liefert neue Hinweise

Neue Hinweise liefert nun auch eine Analyse der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC. Die Wissenschaftler haben untersucht, wie sich die Corona-Fallzahlen in Gegenden entwickelten, in denen Restaurants für den Vor-Ort-Verzehr von Getränken und Speisen öffneten – unabhängig davon, ob die Speisen im Freien oder in Innenräumen verzehrt wurden. Das Ergebnis: Die Fallzahlen stiegen etwa sechs Wochen nach den Öffnungen. Gut zwei Monate später stieg auch die Covid-19-Sterblichkeitsrate.

Den gegenteiligen Effekt – sinkende Fall- und Sterbezahlen – verzeichneten die Forscher dagegen in Regionen nach der Einführung einer Maskenpflicht. Erste Besserungen zeigten sich hier bereits nach 20 Tagen.

"Es gibt weniger Fälle und Todesfälle, wenn Menschen Masken tragen, und es gibt mehr Fälle und Todesfälle, wenn Menschen vor Ort in einem Restaurant speisen", sagte die Ärztin und CDC-Direktorin Rochelle Wallensky in der vergangenen Woche mit Blick auf die Analyse. Sie rief dazu auf, den beobachteten Zusammenhang bei der Entscheidung für oder gegen bestimmte Maßnahmen zu berücksichtigen. 

Auch aus Sicht des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach ist die Analyse interessant. Sie liefere "erneut Hinweise", dass die Öffnung von Restaurants mit einer Erhöhung der Fallzahlen und Covid-Todesfälle einhergehe, so Lauterbach. Er geht zudem davon aus, dass der Zusammenhang für die als ansteckender geltende Corona-Mutante B.1.1.7 "noch stärker" ausfallen könnte. 

Für die aktuelle Untersuchung spielt die Mutante keine Rolle. Die Daten stammen aus den USA, untersucht wurde der Zeitraum zwischen dem 1. März und dem 31. Dezember 2020. 

Zusammenhang, aber nicht zwingend Ursache

Wichtig zu wissen: Bei der Untersuchung handelt es sich um eine Beobachtungsstudie. Sie kann lediglich Zusammenhänge aufzeigen, nicht aber Ursache und Wirkung nachweisen. Denkbar wäre etwa, dass gesellige Restaurant-Abende die Menschen dazu verleiten, auch privat weniger auf Kontaktbeschränkungen zu achten – was ebenfalls steigende Corona-Fallzahlen zur Folge hätte. Oder aber, dass sich die Menschen auf dem Weg in die Restaurants eher in Bussen und Bahnen anstecken.

Kritik an der Untersuchung kommt deshalb von der US-amerikanischen "National Restaurant Association", wie die "New York Times" berichtet. "Würde ein Zusammenhang zwischen Eis-Verkäufen und Hai-Attacken nachgewiesen, bedeutet das nicht, dass Eis Hai-Angriffe verursacht", heißt es in einem Statement, aus dem die Zeitung zitiert. Das Beispiel besagt nur, dass an warmen Tagen mehr Menschen schwimmen und gleichzeitig mehr Eis verzehrt wird.

Der Verband kritisiert demnach außerdem, dass die Forscher nicht den möglichen Einfluss weiterer Corona-Maßnahmen berücksichtigt haben, darunter Geschäftsschließungen.

Joseph Allen, Professor an der "Harvard’s T.H. Chan School of Public Health", bezeichnete das Ergebnis der Studie dagegen als "nicht überraschend". Allen forscht unter anderem zu der Corona-Ausbreitung durch Aerosole. Überraschend sei für ihn nur, dass einige Staaten die vorliegenden Belege ignorierten, Restaurants schnell für den Vor-Ort-Verzehr öffneten oder Masken-Gebote aufheben würden. 

Fokus auf Hygienemaßnahmen

Der Public Health-Experte Gery Guy ist Studienautor der aktuellen Untersuchung. Im Gespräch mit der "New York Times" betonte er, wie wichtig Hygienemaßnahmen für Restaurants seien, sollten sie wieder Speisen für den Vor-Ort-Verzehr anbieten. Mitarbeiter, die sich kränklich fühlten oder Kontakt zu Covid-19-Patienten hatten, sollten nicht zur Arbeit erscheinen, so Guy. Auch sollte das Personal stets eine Maske tragen; ebenso wie Gäste, die nicht aktiv essen oder trinken. Nach Möglichkeit sollten zudem Sitzgelegenheiten im Freien angeboten und in Innenräumen auf eine gute Belüftung geachtet werden.

Harvard-Wissenschaftler Allen sprach sich dafür aus, nicht allein den Restaurants den Schwarzen Peter zuzuschieben. "Es spielt keine Rolle, ob es sich um ein Restaurant, einen Spinning-Kurs, ein Fitnessstudio oder um eine Chorprobe handelt – sobald wir uns in Innenräumen ohne Masken, mit keiner oder geringer Belüftung aufhalten, ist das Risiko erhöht", wird Allen von der "New York Times" zitiert. "Aerosole bilden sich in Innenräumen. So einfach ist das."

Quelle: CDC – Morbidity and Mortality Weekly Report / New York Times 

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