Auf den ersten Blick scheint es ein großes kindliches Corona-Durcheinander zu sein: Studien, die nahelegen, dass die Jüngeren kaum zur Verbreitung des Virus beitragen – und solche, die darauf hindeuten, dass Kinder doch infektiöser sein könnten als vermutet.
Daten sind nicht widersprüchlich
„Bei näherer Betrachtung widersprechen sich die Daten gar nicht“, erklärt die Leiterin der Abteilung für Pädiatrische Pneumologie der Uni-Kinderklinik Bochum, Folke Brinkmann. Denn man muss stets berücksichtigen, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Kontext diese erhoben wurden.
„Wenn sich mehr Erwachsene infizieren, infizieren sich auch mehr Kinder“, fasst Brinkmann zusammen. Das sage allerdings wenig über die Infektiosität von Kindern und die Ansteckungswege aus.
Als ärztliche Leiterin ist sie an zwei Studien beteiligt: Eine untersucht Kinder ohne Symptome und deren Eltern auf Antikörper für Sars-CoV-2, um unbemerkte Infektionen zu entdecken. Bei der anderen werden Kinder nach Meldung von Symptomen aus Kinderarztpraxen getestet.
Bis Dezember waren es etwa 4.500. Der Anteil der infizierten Kinder sei hier parallel zu dem der Infizierten in der Gesamtbevölkerung auch gestiegen, so die Ärztin. Bei den Kindern bis zum Grundschulalter etwa habe man jedoch die geringsten Raten.
Hinweise: Bis zum Jugendalter weniger ansteckend
Wie infektiös die Jüngeren sind, lässt sich bislang nicht exakt sagen. Doch es gibt klare Hinweise, dass sie bis zum Jugendalter weniger ansteckend sind. So haben relativ viele Kinder kaum oder keine Symptome und scheiden weniger Viruspartikel aus.
Sie seien körperlich grundsätzlich gar nicht in der Lage, in dem Maße Aerosole zu produzieren wie Erwachsene, ergänzt Brinkmann.
Die jüngsten Ergebnisse einer großangelegten Studie in Island – die noch nicht in einem Fachmagazin publiziert wurden – deuten darauf hin, dass Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren sich etwa halb so häufig mit Sars-CoV-2 infizieren und es weitergeben wie Erwachsene.
Meldedaten aus Deutschland bestätigen dies tendenziell, erläutert der Epidemiologe Timo Ulrichs von der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin. Die unter 15-Jährigen seien bei den neu gemeldeten Infektionen unterrepräsentiert. Allerdings ist bei solchen Daten auf die Dunkelziffer der unbemerkten Covid-19-Erkrankungen hinzuweisen.
Schulen keine Treiber – aber Schließungen seien sinnvoll
Schulschließungen hält Ulrichs in der derzeitigen Situation für geboten – und verhältnismäßig. Der Infektionsdruck von außen sei so groß, dass auch Schulen als Verteilungsplattformen fungierten. „Sie sind ein Risikofaktor – auch weil da eben andere Bereiche über die Haushalte dranhängen.“
Sie seien zwar kein Treiber der Pandemie. Aber sie könnten dazu beitragen, dass sich das Virus noch weiter ausbreite.
Geschlossene Schulen können dafür sorgen, die Mobilität der Menschen deutlich zu reduzieren und damit die Verbreitung des Virus zu verlangsamen. Das zeigt eine Analyse aus der Schweiz, für die Wissenschaftler anonymisierte Telekommunikationsdaten aus dem Frühjahr auswerteten.
Strategien für die Wiederaufnahme des Schulbetriebs
Wann und wie sollte man die Schulen nun wieder öffnen? Es müsse klar sein, dass die Jüngeren zuerst wieder hingehen, sagt Kinder-Pneumologin Brinkmann.
Das findet auch Epidemiologe Ulrichs: Die Schulen sollten mindestens den ganzen Januar geschlossen bleiben – danach könne man mit den Kleinen vorsichtig wieder anfangen.
Die Konzepte seien da, um das Risiko stark zu reduzieren: Wechselunterricht für geteilte Klassen, Tragen von (FFP2-)Masken. „Ziemlich entscheidend ist, dass sich Gruppen nicht durchmischen.“
Quellen
- ArXiv (2021): Monitoring the COVID-19 epidemic with nationwide telecommunication data, abgerufen am 14.01.2021: https://arxiv.org/pdf/2101.02521.pdf
- National Geographic (2020): Exclusive: Kids catch and spread coronavirus half as much as adults, Iceland study confirms, abgerufen am 14.01.2021: https://www.nationalgeographic.com/science/2020/12/we-now-know-how-much-children-spread-coronavirus/
Deutsche Presse-Agentur (dpa)
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