COVID-19-Umfrage: Deutliche mentale Belastung durch Corona-Pandemie
Kontaktverbote, Ausgehbeschränkungen, geschlossene Kitas und Schulen: Seit Mitte März galten bzw. gelten in Deutschland drastische Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie. Schon in anderen Ländern hat sich gezeigt, dass der sogenannte Lockdown enorme psychische Belastungen mit sich bringt. Nun liegen erste Ergebnisse zu den Auswirkungen hierzulande vor.
Die Corona-Pandemie bringt auch für die Psyche eine große Herausforderung mit sich. Die enormen Einschränkungen und der Kontrollverlust macht Menschen zu schaffen. So stellten etwa Forschende aus den USA in einer Studie fest, dass die COVID-19-Pandemie die Entwicklung von Depressionen und Angstzuständen begünstigt. Auch Fachleute aus Hannover berichten nun über schwerwiegende psychosoziale Auswirkungen.
Sorge bereitet vor allem häusliche Gewalt
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Zentrums für Seelische Gesundheit der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) berichten in einer aktuellen Mitteilung über eine erste Auswertung der am 1. April gestarteten „COVID-19 Umfrage Deutschland: Seelische Gesundheit in Krisenzeiten“.
Die Fachleute sehen Belege für eine deutliche mentale Belastung mit einem Anstieg von Stress, Angst, depressiven Symptomen, Schlafproblemen, Reizbarkeit und Aggression.
Sorge bereitet insbesondere, dass fünf Prozent der Teilnehmenden angaben, häusliche Gewalt in den vergangenen vier Wochen erfahren zu haben. Diese kann verbaler, körperlicher oder sexueller Natur sein. Zudem gaben die Befragten mehrheitlich an, dass die Gewalt zuletzt zugenommen habe (Stand: 30. April 2020).
Großer Teil kommt gut mit der veränderten Situation klar
Den Angaben zufolge bezieht sich die Erstauswertung auf den Zeitraum vom 1. bis zum 15. April 2020 und umfasst damit den Rahmen der schärfsten Lockdown-Maßnahmen in Deutschland. Insgesamt 3.545 Freiwillige nahmen an der Studie teil, das mittlere Alter lag bei 40 Jahren. Von den Befragten sind 83 Prozent Frauen und 15,2 Prozent Männer.
Wie es in der Mitteilung heißt, ist diese Umfrage eine der ersten und größten Umfragen zu seelischer Gesundheit in Deutschland.
Laut den Fachleuten beinhaltet die aktuelle Erhebung eine webbasierte systematische Erfassung des psychischen Befindens, des Stresserlebens, der Bewältigungsmechanismen und des Erlebens von unterschiedlichen Formen von Gewalt mithilfe von Selbstbeurteilungsskalen.
Die Mehrheit der Befragten – 60 Prozent – gab an, sehr gut oder gut mit der veränderten Situation und den entsprechenden Maßnahmen klarzukommen.
Frauen wiesen signifikant höhere Depressions- und Angstwerte auf
26,9 Prozent der Teilnehmenden hingegen erklärten, schlecht oder sehr schlecht mit der Situation umgehen zu können. Dabei wiesen die befragten Frauen signifikant höhere Depressions- und Angstwerte auf.
45,3 Prozent der Befragten haben angegeben, im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie schlechter zu schlafen. Bemerkenswert ist, dass 50,9 Prozent aller Befragten ausführten, reizbarer zu sein und sich 29 Prozent als wütender und aggressiver erlebten.
Diejenigen Personen, die sich als wütender und aggressiver erlebten, richteten ihre Wut und Aggression zu 65,5 Prozent gegen andere, während 32,6 Prozent dies gegen sich selbst richteten.
Besondere Aufmerksamkeit verdient laut den Fachleuten der Befund, dass fünf Prozent aller Teilnehmenden angaben, häusliche Gewalt auf verbaler (98, 4 Prozent), körperlicher (41, 9 Prozent) oder sexueller (30, 2 Prozent) Ebene zu erleben.
Hilfsangebote ausbauen
Die Studien-Autorinnen und -Autoren appellieren, dass die seelische Gesundheit der Bevölkerung während der akuten Pandemie und auch im Nachgang fortlaufend im Blick zu behalten ist und Hilfsangebote kontinuierlich vorzuhalten oder auszubauen sind.
Das Erleben von häuslicher Gewalt sowie deren Risikofaktoren wie Stress, Schlafprobleme und Reizbarkeit sollten dabei besonders sorgfältig erhoben werden.
„All diese Themen sind uns nicht unbekannt. Aber die Restriktionen während der Coronavirus-Pandemie und die damit assoziierte räumliche Enge in Familien können zu einem erheblichen Aufflammen dieser Probleme führen“, so Professor Dr. Tillmann Krüger, Leiter der Studie.
Zudem werden Langzeiteffekte durch die Corona-Pandemie auf die seelische Gesundheit erwartet. Deshalb erfolgt jetzt die zweite Welle der Erhebung, zu der alle Interessierten unter diesem Link eingeladen sind. (ad)
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