Maskenpflicht für ganz Deutschland? Jena macht vor, wie es funktioniert

Seit Tagen wird in Deutschland diskutiert, wann und wie die Corona-Maßnahmen hierzulande gelockert werden können. Experten und Politiker empfehlen dafür auch eine Pflicht zum Tragen einer Maske. Die nationale Wissenschafts-Akademie Leopoldina etwa hatte am Montag für einen „realistischen“ Zeitplan zurück zur Normalität plädiert. Maßnahmen dazu seien die Öffnung von Schulen und eine Mundschutzpflicht für den öffentlichen Personenverkehr.

Die Stadt Jena in Thüringen ist was Maskenpflicht angeht dem Rest der Bundesrepublik schon voraus. Dort wurde bereits am 2. April eine schrittweise Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung eingeführt. Im ersten Schritt galt diese, wenn man Dienstleistungen „in Anspruch nimmt oder erbringt, bei denen der Abstand von 1,5 Meter nicht einzuhalten ist“. Dies gelte beispielsweise für Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden oder Dienstleistungen der Optiker und Hörgeräteakustiker, heißt es auf der Internetseite der Stadt. 

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Die Menschen in Jena nähen ihre Masken selbst

Seit dem 6. April gilt die Pflicht zum Tragen einer Maske im öffentlichen Nahverkehr sowie in Supermärkten. Und nach dem Ende der Osterfeiertage gilt die Maskenpflicht auch am Arbeitsplatz, „wenn mehr als eine Person in einem Raum arbeitet“. Eine Ausnahme gelte, wenn sichergestellt sei, dass „in einem Raum 20 Quadratmeter pro Person zur Verfügung stehen und der Abstand von 1,5 Metern sichergestellt ist“. Auch für öffentliche Räume, in denen dieser Abstand nicht eingehalten werden könne, gelte die Maskenpflicht.

Dabei seien medizinische Mund- oder Atemschutze kein Muss. Es könnten auch selbst genähte Masken, Schals oder Tücher getragen werden, so die Stadt.

Aber wie versorgt man die Menschen in einer Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern mit Masken? „Wir haben als Kommune keine Masken zur Verfügung gestellt. Wir hatten das Problem, dass wir keine auf Lager hatten“, sagte Kristian Philler, Pressesprecher der Stadt, dem stern. Daher habe die Stadt kurzerhand einen Aufruf zum Selbst-Nähen gestartet. Ein Video informiert die Bürger, auf der kommunalen Internetseite werden Näh-Anleitungen bereitgestellt.

https://youtube.com/watch?v=aSZyNABuP2s%3Ffeature%3Doembed

Initiative will mehr als 10.000 Masken für Einrichtungen nähen

„Wir waren erstaunt, dass die Leute auf einmal Masken hatten. Die hatten selbst genähte Masken, einige haben Tücher und Schals benutzt. Sehr viele hatten auch noch Einwegmasken“, erzählt Philler. Viele hätten die Initiative ergriffen und mit dem Produzieren von selbst genähten Mund-Nasen-Schutzen begonnen, etwa Orthopädie- oder Berufsbekleidungsgeschäfte. Stoffläden seien mit einer Sonderverfügung geöffnet worden. Auch diese hätten Masken im Angebot, so Philler. „Drei syrische Schneider haben mehr als 200 Masken für die Stadt genäht und an die Bevölkerung in Jena verteilt.“

Eine dieser Initiativen ist zum Beispiel die „Nasen-Mund-Maske 100 % Jena“ der Initiative Innenstadt Jena. Aufgrund der geschlossenen Geschäfte und dem Mangeln an Mund-Nase-Schutzmasken hätte man den Impuls gehabt, selbst zu nähen, sagt Hannes Wolf von der Arbeitsgruppe dem stern. Man habe aber schon vor der Maskenpflicht damit begonnen. Mit der neuen Regelung sei aber mehr Arbeit auf sie zugekommen.

Die Masken, die Näherinnen und Näher aus örtlichen Geschäften herstellen, würden an Organisationen, Praxen, Kitas, Schulen, Physiotherapien, ehrenamtliche Helfer und Pflegeeinrichtungen verschenkt, die keinen staatlichen Zugang zu geeigneter Schutzausrüstung hätten.

Bislang habe man etwa 5000 bis 6000 Masken in Umlauf gebracht. Das Ziel sind 10.800 – alles spendenfinanziert. „Das ist natürlich super angekommen, weil wir die ja verschenken“, sagt Wolf. An Privatpersonen würden aber keine Masken gegeben. Es gehe darum „Näherinnen mit Arbeit zu versorgen und Einrichtungen zu helfen, die Masken dringend benötigen“. Aber er sehe, dass sich in Jena alle daran halten und einen Mundschutz tragen würden. 

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Auch die Stadt hat Masken besorgt

Das Universitätsklinikum der Stadt ist nach Angaben von Pressesprecher Philler sehr gut aufgestellt. Dieses und auch niedergelassene Ärzte würden über die Kassenärztliche Vereinigung mit Schutzausrüstung und Masken beliefert.

Doch auch die Stadt selbst hat vorgesorgt. So seien für Einrichtungen wie Physio- oder Ergotherapiepraxen sowie Pflegeheime etwa 10.000 Einwegmasken bestellt worden, dazu 1500 mehrfach verwendbare Masken und 1.500 FFP2-Masken. Außerdem noch etwa 1000 selbstgeschneiderte Kittel, die aber noch nicht eingetroffen seien, so Philler. Die Einrichtungen würden von der Stadt beliefert, wenn sie selbst keine Schutzmasken auftreiben könnten. Dazu müssten sie sich an das Gesundheitsamt wenden.

Die Feuerwehr in Jena habe sich um die Beschaffung gekümmert und Chargen aufgekauft. Es habe auch Angebote gegeben, wie etwa die besagten Kittel von Schneidern. „Wir waren überrascht, wie viele Angebote aus wie vielen Ecken kamen“, sagte Philler. Am Tag nach Bekanntgabe der Maskenpflicht hätten die Leitungen „geglüht“. 

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Einige Masken seien auch an Vereine geliefert worden, wie etwa die Diakonie, so Philler. Nach seinen Angaben sind in diesem Rahmen etwa 5000 Masken ausgeliefert worden. Menschen, die selbst nicht nähen könnten, könnten über diesen Weg zur Not eine Maske erhalten.

Laut Philler würden in Jena etwa 90 Prozent der Menschen einen selbst genähten Mundschutz tragen. Die anderen zehn Prozent würden sich mit Schals oder Tüchern behelfen. 

Insgesamt werde die Maßnahme der Stadtverwaltung gut angenommen. „Kein einziges Bußgeld wurde bisher ausgesprochen“, so Kristian Philler. Supermärkte würden die neue Vorschrift umsetzen. Graubereiche gebe es etwa an Kiosken oder auch im Nahverkehr. Dort würden aber Ermahnungen reichen. „Wir sind sehr zufrieden. Wir können unser Glück kaum fassen, wie das hier funktioniert. Wir sind der Meinung, dass das auch in der ganzen Bundesrepublik so sein müsste“, sagt der Stadt-Sprecher.

In sozialen Netzwerken hätten sich aber durchaus einige kritisch geäußert. Drei Eilverfahren gegen die Masken-Pflicht der Stadt habe es gegeben, zwei seien abgelehnt worden, das dritte sei in Prüfung. Man sei aber „guten Mutes“, weil die Pflicht durch die Empfehlung der Leopoldina-Wissenschaftler nun zum Konsens geworden sei.

Quellen: Stadt Jena, Initiative Innenstadt Jena, Nachrichtenagentur DPA

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