Um das Coronavirus besser zu verstehen, werden derzeit pausenlos Untersuchungen durchgeführt. Jetzt haben Wissenschaftler eine Studie publiziert, die sich mit den Arten beschäftigt, auf die sich Menschen mit dem Erreger anstecken können. Demnach sei es möglich, dass das Coronavirus in Form von Schwebeteilchen in der Luft bleibe. Doch die Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen.
Seit dem Ausbruch des neuartigen Coronavirus Ende des Jahres beschäftigt die Wissenschaft vor allem eine Frage: Wie genau wird das Virus übertragen – und ist auch eine Übertragung über die Luft möglich? Eine Studie im angesehenen Fachmagazin "New England Journal of Medicine" (NEJM) hat die Debatte in dieser Woche erneut angefacht.
Darin kommen die Autoren zu dem "beunruhigenden Ergebnis, dass die Übertragung des Virus SARS-CoV-2 per Aerosol", also in Form von Schwebeteilchen, durchaus möglich sei. Experten raten aber von vorschnellen Schlüssen ab: Ihnen zufolge lässt sich aus der Studie keineswegs ableiten, dass das Virus Menschen ansteckt, indem es in der Luft bleibt, wenn ein Kranker hustet.
Virus überlebt laut Studie wohl drei Stunden als Schwebeteilchen in der Luft
Sicher ist bis heute nur, dass SARS-CoV-2 hauptsächlich über die Atemwege – wenn ein Patient beim Husten beispielsweise Speicheltröpfchen ausstößt – sowie durch Körperkontakt übertragen wird. Deshalb raten die Gesundheitsbehörden immer wieder, mindestens einen Meter Abstand zu halten.
In ihrer NEJM-Studie wiesen die Forscher nun nach, dass das Virus drei Stunden lang als Schwebeteilchen in der Luft überleben kann. Dafür versprühten sie das Virus mit einer Art Zerstäuber in der Luft. Kollegen weisen allerdings darauf hin, dass das Experiment mit der Realität wenig zu tun hat. Muss ein Erkrankter husten oder niesen, "fallen die Tröpfchen im Vergleich zu einem Aerosol ziemlich schnell zu Boden", weil sie schwerer sind als die Schwebeteilchen aus einem Sprühnebel, sagt Paul Hunter von der britischen Universität von East Anglia.
Und auch Virologe Christian Drosten erklärte vergangene Woche im NDR-Podcast: "Das Virus ist nun mal in der Luft für eine kurze Zeit. Es wird ausgehustet und steht als grobes bis mittelgroßes tröpfiges Aerosol in der Luft. Und das fällt relativ schnell zu Boden. Das ist nicht so, dass so ein Virus als Wolke in der Luft steht und stundenlang bleibt und sich auch noch in den Nachbarraum verteilt."
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Ob man sich infiziert, hängt von der Menge der Viren ab
In der NEJM-Studie geht es neben der Übertragung des Coronavirus über die Luft auch um die Ansteckung per Oberflächenberührung. Nach dem Kontakt mit kontaminierten Oberflächen besteht nämlich die Gefahr, dass man sich mit der Hand über das Gesicht fährt und sich auf diesem Wege infiziert.
Bis zu drei Tage lang ließ sich der Erreger in der Studie auf Kunststoff- oder Edelstahloberflächen nachweisen, auf Pappe bis zu 24 Stunden. Ob man sich aber tatsächlich infiziert, hänge von der "Menge der Viren" ab, erklären die Forscher. "Unser Rat lautet deshalb immer, sich vorsichtshalber regelmäßig gründlich die Hände zu waschen", sagt der britische Experte Hunter.
Drosten sieht die Ergebnisse der Untersuchung jedoch kritisch. Die "Tagesschau" zitiert ihn mit den Worten: "Wenn man sich diese Daten in diesem Papier mal anschaut, dann es ist gar nicht klar, wie viel Virus in welcher Form das auf diese Testoberflächen aufgetragen wurde. Da steht einfach nur, da wurde Virus auf die Oberfläche gegeben. Aber es ist ein großer Unterschied, ob dieses Virus in einem großen oder in einem kleinen Flüssigkeitstropfen ist – oder in einem Tropfen, der fast gar kein Volumen hat."
Studie bestätigt Notwendigkeit von Schutzausrüstung für medizinisches Personal
Insgesamt kann eine Übertragung des Virus weder über Oberflächen noch über die Luft derzeit völlig ausgeschlossen werden. "Wir können die Idee nicht völlig beiseite wischen, dass das Virus in der Lage ist, eine bestimmte Strecke in der Luft zurückzulegen", sagte der renommierte US-Immunologe Anthony Fauci am Donnerstag dem US-Fernsehsender NBC.
Sollte sich die Hypothese bestätigen, dass das Virus in der Luft überleben kann, würde dies auch die bisherigen Ratschläge zu den geeignetsten Schutzmaßnahmen radikal verändern – beispielsweise die bisherige Annahme, dass es wenig sinnvoll ist, im Alltag Atemschutzmasken zu tragen, wenn man nicht krank ist. Für den Virologen Étienne Simon-Lorière vom Pasteur-Institut bestätigt die Studie in jedem Fall aber eine Notwendigkeit für alle Ärzte und Pfleger, die Corona-Patienten im Krankenhaus behandeln: "Sich immer gut zu schützen".
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