Bis vor kurzem gingen Experten davon aus, dass es sich bei Sars-CoV-2 ähnlich wie bei Grippe- und Erkältungsviren um ein saisonales Phänomen handelt. Nun änderte sich diese Meinung schlagartig: US-Wissenschaftler haben in einer Studie gezeigt, dass der Frühling das Virus nicht vertreiben wird.
Noch in der vergangenen Woche ging Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, davon aus, dass sich die Infektionen mit Sars-Cov-2 mit steigenden Temperaturen vermindern werden, das Virus also spätestens im Sommer abflauen wird.
Jetzt Artikel für später in „Pocket“ speichern
Eine Studie aus den USA geht aber von einem ganz anderen Szenario aus: Laut ihr könne von einem Rückgang der Infektionszahlen noch lange nicht die Rede sein. Die Forscher simulierten mithilfe von Daten aus den Vereinigten Staaten die Übertragung von Sars-Cov-2 bis zum Jahr 2025. Sie zeigten, dass sich die Ausbreitung mit steigenden Temperaturen nicht deutlich verlangsamen wird.
Epidemiewelle ist unausweichlich – höhere Temperaturen schützen kaum
„Wir müssen wohl damit rechnen, dass wir trotz steigender Temperaturen direkt in eine Epidemiewelle hineinlaufen werden. Der saisonale Effekt war nicht so groß wie bei anderen Erkältungsviren“, erklärte Charité-Virologe Drosten in Reaktion auf die Studie im Rahmen der Bundespressekonferenz am Montag.
Anstatt mit einem Rückgang der Fallzahlen rechne er nun mit einem neuen Höhepunkt in den Sommermonaten: „Im Moment ist meine Einschätzung mehr, dass wir doch eine direkt durchlaufende Infektionswelle bekommen. Das heißt, wir müssen damit rechnen, dass ein Maximum von Fällen in der Zeit von Juni bis August auftreten wird“, sagte Drosten in einem NDR-Podcast.
Gleichzeitig gehe er aber auch weiterhin davon aus, dass sich die Verbreitung durch die warme Jahreszeit verlangsamen wird: „Natürlich wird uns auch bei diesem Virus das Frühjahr und die Temperatur helfen. Man darf aber nicht erwarten, dass die Infektionswelle zum Stillstand kommt.“
Mehr zum Coronavirus
Durchseuchung im Sommer macht Bevölkerung weitgehend immun gegen das Virus
Ressourcen müssten nun eingesetzt werden, wo sie am nötigsten seien: Besonders gefährdet durch das Virus seien junge Menschen mit Grunderkrankungen und Menschen über 65 Jahre. Bei ersteren sei eine Regelung für Arbeitgeber ratsam, damit sie solche Menschen für eine Zeit freistellen oder zum Beispiel ins Homeoffice schicken können.
Drosten plädiert dafür, Risikogruppen besonders gut zu schützen und sie davor zu bewahren, sich mit dem Virus anzustecken. Gleichzeitig rechnet er mit einer „Durchseuchung“ der jüngeren Bevölkerung im Sommer. Das heißt, dass sich die jüngere Generation im Sommer einmal „durchinfizieren“ und somit gegen das neuartige Coronavirus weitflächig immun wird, wie er im NDR-Podcast erläutert. Ziel sei es, diese Sommer-Infektionswelle von der älteren Bevölkerung fernzuhalten.
Alle wichtigen Meldungen zum Coronavirus im FOCUS-Online-Newsletter. Jetzt abonnieren.
Gute Nachrichten: Viele Fälle, aber wenig Tote in Deutschland
Drosten betont aber auch, dass Deutschland das Virusgeschehen sehr früh erkannt und sich damit einen extremen Vorsprung in der Erkennung der Epidemie gesichert habe: „Das hat dazu geführt, dass wir jetzt sehr hohe Fallzahlen in den Statistiken haben, ohne relevant große Zahlen von Todesfällen berichten zu müssen.“ Im Hinblick auf zu erwartende Todesfälle machte er aber zugleich deutlich: „Auch bei uns wird sich das ändern, wir sind da keine Ausnahme.“
Wo tritt Coronavirus auf? Echtzeit-Karte zeigt die Verbreitung der Krankheit
FOCUS Online/Wochit Wo tritt Coronavirus auf? Echtzeit-Karte zeigt die Verbreitung der Krankheit
Quelle: Den ganzen Artikel lesen