Pflegende Roboter: Chance für die Zukunft?



Intelligente Maschinen können bei der Versorgung von Alten und Kranken helfen. Doch vorher bleibt noch vieles zu klären

Zum Greifen nah: Professor Sami Haddadin von der Technischen Universität München zeigt seinem Greifarm, wie man ein Glas Wasser zum Mund führt. Demnächst will der Robotikexperte zweiarmige Maschinen zusammen mit Senioren testen

Er rollt ans Bett und wünscht einen guten Morgen. Dann holt er das  Frühstück aus der Küche und reicht die Tabletten – samt einem Glas Wasser. Er kann Schach spielen, Telefongespräche vermitteln, an wichtige Termine erinnern. Und wenn man stürzt, meldet er das dem Pflegedienst. Der Roboter als Pfleger, Freund, vielleicht sogar Lebensretter.

So ähnlich könnte das Zusammen­leben von Mensch und Maschine in einigen Jahren aussehen, sollte sich Professor Sami Haddadins Vorhaben realisieren lassen. Derzeit lässt der Inhaber des Lehrstuhls für Robotik und Systemintelligenz an der Technischen Universität München die ersten rollenden Alltagshelfer zusammenbauen.

Gerät mit Fingerspitzengefühl

In den kommenden Monaten will er damit beginnen, seine Roboter zu testen – gemeinsam mit Senioren in Garmisch-Partenkirchen. Haddadin: "Der technische Durchbruch ist geschafft. Jetzt wollen wir sehen, wie wir zwei­­armige Roboter am besten einsetzen, damit alte Menschen länger selbstständig wohnen können."

Die entscheidende Neuerung für die zu leistenden Aufgaben hat Haddadins Team entwickelt und dafür im vergangenen Jahr den Deutschen Zukunftspreis erhalten: einen ultraleichten Greifarm, der feinfühlig und lernfähig ist (siehe Bild rechts). Tastsensoren und künstliche Intelligenz befähigen ihn dazu, neue Bewegungsabläufe einzuüben und zu optimieren. Haddadin: "Wir nehmen den Roboter wie ein kleines Kind an die Hand und zeigen ihm, was zu tun ist. Er lernt das dann quasi selbstständig."

Jeder kann mit dem Greifarm hantieren, ohne große Computerkenntnisse und ohne Gefahr, sich zu verletzen. "Beim unerwünschten Kontakt stoppt der Arm innerhalb einer Tausendstel Sekunde seine Bewegung oder zieht sich zurück – je nachdem, wie er zuvor programmiert wurde", erklärt Haddadin. Zum Vergleich: Ein Mensch würde dafür rund 60 Tausendstel Sekunden ­­benötigen.

Roboter als Pflegerersatz?

Sich von einer Maschine pflegen, füttern, waschen, die Windeln wechseln und umbetten lassen? Nur ein Viertel der deutschen Bevölkerung kann sich das gut vorstellen, wie eine repräsentative Umfrage auf Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ergab. Auch die Mehrheit der befragten Heimbewohner lehnt Roboterpflege ab. "Doch manche schämen sich so sehr beim Gewaschenwerden, dass ihnen eine Maschine sogar lieber wäre", sagt Professor Oliver Bendel, der dazu eine eigene, allerdings nicht repräsentative Umfrage durchgeführt hat.

Der Experte für Informations-, Roboter- und Maschinenethik forscht und lehrt an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Windisch (Schweiz). "Ich bin Robotern gegenüber prinzipiell positiv gestimmt. Denn sie können Pflegekräfte entlasten", formuliert Bendel seine Haltung. Doch er sieht Herausforderungen auf uns zukommen, für die es keine einfachen Lösungen gibt.

Für die eigentlichen Pflegetätigkeiten sind Roboter noch nicht einsetzbar: "Es ist schwierig, Maschinen dazu zu bekommen, einen Menschen gefahrlos zu füttern." Und auch das Waschen sei eine hochkomplexe Angelegenheit. Würde ein Roboter etwa Hand an die Geschlechtsteile legen, könnte das ungut ausgehen.

Weiterentwicklung dringend nötig

Das Forschungszentrum Riken in Japan hat im Jahr 2015 Robear vorgestellt. Der Roboter, der aussieht wie ein Bär, kann Menschen aus dem Bett in den Rollstuhl heben und wieder zurück. Allerdings wurde die Produktion von Robear vor Kurzem eingestellt. Dr. Rainer Wieching, Bereichsleiter Gesundheit und Prävention an der Universität Siegen, wundert sich darüber kein bisschen. "Wenn ich mir ansehe, wie Robear mit seinen zwei Armen unter den Nacken und die Kniegelenke greift, kann das der Wirbelsäule einfach nicht guttun."

Doch überall auf der Welt tüfteln Wissenschaftler und Techniker an optimierten Lösungen. Es dauert nicht mehr lange, bis auch solche Maschinen praxistauglich sind, meint Wieching und fordert: "Es darf auf keinen Fall so kommen, dass man in einigen Jahren in einem Heim sitzt, und plötzlich kommt so ein Gerät auf einen zugerollt. Das sollte nur mit dem Einverständnis der Betroffenen erfolgen, und es müssen klare Regeln gelten."

Wieching erforscht derzeit, wie die Bewohner eines Pflegeheims auf Roboter reagieren. Er nutzt dafür eines der wenigen Produkte, die es bereits auf dem Markt gibt: den Animations- und Unterhaltungsroboter Pepper.

Das 1,20 Meter große, menschenähnliche Gerät spricht mit den Heimbewohnern, turnt ihnen vor, spielt mit ihnen Memory und unterhält sie mit ihrer Lieblingsmusik. "Die Mehrheit der Bewohner spricht positiv auf Pepper an – aber nur, wenn andere Menschen dabei sind", sagt Wieching.  Bald will er die Ergebnisse seines Forschungsprojekts veröffentlichen, einer Aktion des Wissenschaftsjahrs 2018, das unter dem Motto "Arbeitswelten der Zukunft" steht.

Mit intelligenten Helfern in die Zukunft

Wieching testet Pepper in enger Abstimmung mit Betreuern und Pflegern –und hat bereits einige Herausforderungen ausgemacht: "Pflegeeinrichtungen haben enge zeitliche Vorgaben und ­viele Vorschriften, etwa zur Hygiene. Hier muss der Roboter sich einfügen. Das funktioniert nur, wenn man das mit ­allen Akteuren erarbeitet."

Trotzdem zweifelt Wieching nicht daran, dass Roboter künftig viele Aufgaben in der Altenpflege übernehmen werden. Allein schon deshalb, weil sich der Personalmangel weiter verschärfen wird. Sein Appell: "Entweder wir gestalten diesen Prozess, oder wir werden von ihm überrollt."

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