Die Impfungen in Deutschland haben begonnen, doch die Impfquoten sind noch sehr gering. An den ersten drei Tagen wurden in Deutschland lediglich rund 78.000 Menschen geimpft. Das muss künftig schneller gehen – denn wenn Deutschland in diesem Tempo weiter macht, braucht es für alle Einwohner mehr als Tage.
Am Wochenende starteten in Deutschland die ersten Corona-Impfungen. Stand Mittwoch wurden nach aktuellen RKI-Daten bis zum Dienstag mehr als 78.000 Menschen in Deutschland geimpft. Davon entfallen aufgerundet etwa 37.000 auf den Dienstag, 19.000 auf den Montag und 23.000 auf den Sonntag.
Am meisten Impfungen wurden in Bayern durchgeführt, dort liegt die Zahl aktuell bei 12.935 Geimpften. An zweiter Stelle folgt Nordrhein-Westfalen mit 11.385 Impfungen, an dritter Baden-Württemberg mit 8242 Impfungen.
Israel impfte mehr als 100.000 Personen pro Tag
Dass diese Zahlen auf die gesamte Bevölkerung gesehen noch sehr gering sind, zeigt ein Blick in andere Länder. Spitzenreiter in Sachen Impfen ist Israel. Das Land entschloss sich zu einer rasanten Impfstrategie, impfte etwa am Montag mehr als 100.000 Menschen. Insgesamt sind schon mehr als eine halbe Million Menschen geimpft, mehr als fünf Prozent der Gesamtbevölkerung und mehr als 25 Prozent der über 60-Jährigen.
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Damit will das 9 Millionen Einwohner große Land das Coronavirus bereits in wenigen Wochen „hinter sich lassen“, wie Premier Benjamin Netanyahu verkündete. „In einem Monat werden wir alle Bürger über 60 und medizinisches Personal impfen. Wenn wir das geschafft haben, können wir nach weiteren 30 Tagen das Virus hinter uns lassen, die Wirtschaft öffnen und Dinge tun, die kein anderes Land tun kann.“
Impfungen würden bei aktuellem Tempo fast 9 Jahre dauern
In Deutschland wird es bis dahin wohl noch dauern. Denn bleibt die tägliche Impfquote auf dem aktuellen Niveau, impft das Land im Schnitt etwa 26.000 Menschen pro Tag, würde es ganze 3192 Tage dauern, bis die Gesamtbevölkerung von 83 Millionen Menschen geimpft wäre. Das entspricht fast neun Jahren – zudem muss jedem Geimpften außerdem noch eine zweite Dosis verabreicht werden.
Würden wir in Israels Tempo vorgehen, also pro Tag etwa 100.000 Menschen impfen, würde sich die Zeit immerhin auf 830 Tage verkürzen – immer noch mehr als zwei Jahre.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erklärte vergangene Woche, man werde voraussichtlich bis Sommer jedem in Deutschland ein Impfangebot machen können. Er konkretisierte diese Zeitspanne zwar nicht weiter, ebenso wenig, ob damit alle Deutschen bereits bis zum Sommer geimpft werden könnten, oder lediglich einen Termin erhalten würden.
Einmal angenommen, es würden bis Ende Juni alle 83 Millionen Deutschen ein solches Impfangebot erhalten und bis dahin auch tatsächlich geimpft werden, müssten die täglichen Impfquoten bei über 450.000 pro Tag liegen.
Spahn stellte immerhin in Aussicht, künftig über 300.000 Impfungen pro Tag machen zu können. „Wenn die Infrastruktur mal in Volllast gefahren werden kann, werden wir über 300.000 Impfungen am Tag machen können“, sagte er am Mittwoch.
Nur zwei Drittel der Deutschen will sich impfen lassen
Tatsächlich wollen sich nach aktuellen Umfrageergebnissen jedoch gar nicht alle Deutschen impfen lassen – sondern nur etwa zwei Drittel. In einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur gaben 32 Prozent an, sich so schnell wie möglich immunisieren lassen zu wollen. Weitere 33 Prozent sind zwar ebenfalls dazu entschlossen, wollen aber trotzdem erst einmal mögliche Folgen der Impfung bei anderen abwarten. 19 Prozent haben sich gegen eine Impfung entschieden, 16 Prozent sind noch unentschlossen.
Um diese rund 65 Prozent der Deutschen, also etwa 54 Millionen zu impfen, würden wir bei aktuellem Tempo 2076 Tage benötigen – also beinahe sechs Jahre.
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Deutschland hat nicht genug Impfdosen zur Verfügung
Dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern langsamer ist, liegt nicht nur an der hiesigen Bevölkerungsdichte, die es zu impfen gilt. Das Land hat mit maximal vier Millionen Dosen bis Ende Januar außerdem vorerst weniger Impfstoff zur Verfügung, als etwa Israel mit mehr als fünf Millionen.
Um künftig mehr und schneller impfen zu können, gab die EU am Dienstag bekannt, weitere 100 Millionen Impfdosen beim Hersteller Biontech/Pfizer bestellt zu haben. In England erhielt nun auch der Impfstoff von Astrazeneca eine Zulassung – sollte dieser bald auch in der EU angewendet werden, könnten auch hierzulande weitere Menschen geimpft werden: Über die Europäische Union hat Deutschland 56,2 Millionen Impfdosen bei AstraZeneca geordert.
In der EU ist der Impfstoff allerdings noch nicht zugelassen. Und das wird auch noch dauern. Die zuständige Behörde EMA gab kürzlich bekannt, dass das Unternehmen AstraZeneca bisher noch nicht einmal einen Prüfantrag gestellt habe.
Herdenimmunität tritt schon bei 60 bis 70 Prozent Immunität ein
Von Herdenimmunität sprechen Experten jedoch bereits, wenn etwa 60 bis 70 Prozent einer Bevölkerung immun sind. Diese kann durch eine überstandene Infektion erreicht werden, genauso wie durch eine Impfung. Damit müssten in Deutschland, abzüglich der bereits Genesenen 1,3 Millionen und der weiteren 40 bis 30 Prozent also lediglich 50 bis 58 Millionen Menschen geimpft sein, um hierzulande eine Herdenimmunität zu erzielen. Dafür würden wir beim gegenwärtigen Tempo nur 1923 bis 2230 Tage, also „nur“ 5 bis 6 Jahre benötigen, bis jeder seine erste Imfpung erhält – immerhin.
Hinweis: Der Beitrag wurde mit den neuen RKI-Zahlen vom Mittwoch aktualisiert. Zuvor lag die Zahl der Geimpften lediglich bei rund 42.000, damit hätte es bei gegenwärtigem Tempo 10 Jahre gedauert, bis alle 83 Millionen Deutsche geimpft worden wären.
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