Was bringt die Festbetragsaussetzung für Kinderarzneimittel?

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening hat Zweifel, ob der Beschluss des GKV-Spitzenverbands, die Festbeträge für bestimmte Kinderarzneimittel temporär aufzuheben, die Liefersituation entspannen kann. Auch die Pharmaverbände zeigen sich skeptisch.

Wie heute bekannt wurde, hat der GKV-Spitzenverband am gestrigen Montag beschlossen, die Festbeträge in zehn Festbetragsgruppen vom 1. Februar 2023 bis zum 30. April 2023 auszusetzen. Dabei geht es um Festbetragsgruppen für Arzneimittel mit den Wirkstoffen Ibuprofen, Paracetamol und für bestimmte Antibiotika, die als Zäpfchen oder in flüssiger Anwendungsform vorliegen. So sollen angesichts der aktuell angespannten Versorgungslage mit diesen Arzneimitteln bei Kindern kurzfristig Aufzahlungen vermieden werden.

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Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) geht der Beschluss des GKV-Spitzenverbandes auf eine vor Weihnachten erfolgte Absprache des Bundesgesundheitsministers mit den Krankenkassen zurück. „Damit wird die Zeit überbrückt, bis das angekündigte Arzneimittelgesetz greift, das weit über das Aussetzen von Festbeträgen hinaus greift“, erklärte eine BMG-Sprecherin gegenüber der DAZ. Erst damit könnten die strukturellen Ursachen für Lieferengpässe wirkungsvoll bekämpft werden. Geplant sei, den Referentenentwurf Ende des Monats vorzulegen.

ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwienig erklärte dazu gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Die Lieferengpässe bei Kinderfiebersäften, Antibiotika und anderen Arzneimitteln halten leider weiterhin an“. Ob sich die Liefersituation durch die geplante Preislockerung spürbar entspanne, sei fraglich, da es oft nur wenige Hersteller gebe und somit das Angebot dieser Arzneimittel insgesamt begrenzt sei. Overwiening forderte kurzfristig mehr Entscheidungsspielräume für die Apotheken – etwa bei der eigenen Herstellung von Medikamenten.

Geste, aber keine kurzfristige Lösung

Auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) reagierte zurückhaltend. Ob die Aussetzung der Festbeträge kurzfristig tatsächlich zu einer besseren Verfügbarkeit von Produkten auf dem deutschen Markt führe, bleibe abzuwarten, sagte der BPI-Vorsitzende Hans-Georg Feldmeier der dpa. Systeme, die über lange Zeit kaputtgespart worden seien, könnten nicht per Schnellschuss geheilt werden. Der Verband verwies auf Kostendruck und forderte Erleichterungen im Festbetragssystem, nicht nur bei Kindermedikamenten.

Auch der Geschäftsführer des Pharmaverbands Pro Generika, Bork Bretthauer, zeigte sich skeptisch: Die Aussetzung der Festbeträge sei eine Geste, werde aber das Problem der Engpässe kurzfristig nicht lösen, sagte er dem „Handelsblatt“. „Woher sollen die Fiebersäfte plötzlich kommen?“. Die Unternehmen produzierten rund um die Uhr. Es gebe keine Ware, die kurzfristig auf den Markt kommen könne, nur weil sich der Preis für drei Monate erhöhe.

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) Hubertus Cranz betont, dass der BAH immer wieder darauf hingewiesen habe, dass Reformen beim Festbetragssystem nötig sind. „Insbesondere der Kellertreppeneffekt hat dazu geführt, dass der GKV-Spitzenverband die Festbeträge in den vergangenen Jahren immer weiter abgesenkt hat; mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Arzneimittelversorgung“. Dass der GKV-Spitzenverband nun zahlreiche Festbetragsgruppen aussetze, zeige „wie reformbedürftig das ganze System ist“.


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