"Unverschämt": Medizinstudierende wütend über Jens Spahns Vorschläge in der Krise

Als „krank“, „bodenlos unverschämt“ und „unfair“ bezeichnen Medizinstudierende, die kurz vor dem Abschluss stehen, einen aktuellen Vorschlag des Gesundheitsministeriums. Das will möglichst schnell darüber entscheiden, inwieweit Medizinstudierende in der Covid-19-Pandemie helfen und wann sie ihr Examen schreiben sollen. In der Facebookgruppe „Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland“ äußern sich viele Studierende wütend und verzweifelt über den ersten Vorschlag des Gesundheitsministeriums. Einige kritisieren Jens Spahn. Er hatte den Studierenden versprochen, ihr Einsatz müsse „belohnt und nicht bestraft werden“. Doch das sieht derzeit anders aus. 

Seit fast sechs Monaten lernen manche Medizinstudierende für das bundesweite Examen, die schriftliche Abschlussprüfung des Studiums. Jetzt wissen sie immer noch nicht, ob es in drei Wochen stattfinden wird oder nicht. Wegen des drohenden Ärzte- und Pflegermangels in der Pandemie sollen auch die Studierenden in den Krankenhäusern mithelfen und sofort in ihr Praktisches Jahr starten – ohne Abschluss und ohne Mindestlohn. Die meisten von ihnen sagen, sie würden gerne helfen und hätten Verständnis für Umstrukturierungen. Nicht aber für den Vorschlag, den das Gesundheitsministerium ihnen nun unterbreitet hat.

Darin ist vorgesehen, dass die Studierenden das Examen zunächst nicht schreiben. Es fällt aber auch nicht aus, wie das in Italien der Fall ist. Stattdessen sollen die Studierenden dafür lernen, während sie wie Ärzte im Krankenhaus arbeiten.

Quarantäne-Zeit gilt als Fehlzeit oder Urlaub

„In dem Vorschlag schreibt das Gesundheitsministerium explizit, zu unseren 30 Tagen Urlaub würde nun auch eine mögliche Quarantäne zählen. Das heißt, wenn sich jemand von uns bei dem Kontakt mit den Patienten infiziert, was nicht unwahrscheinlich ist, würde uns eine anschließende Quarantäne auch noch als Urlaub oder Fehltag angerechnet werden“, sagt Peter Jan Chabiera. Er ist ehemaliges Vorstandsmitglied der Bundesvertetung der Medizinstudierenden in Deutschland und lernt selbst gerade für seine eventuell ausfallende Abschlussprüfung.

„Die meisten Medizinstudierenden nutzen einen Großteil der 30 Tage ohnehin fürs Lernen für das mündliche Examen, das nach dem Praktischen Jahr auch noch folgt. Nun sollen wir also für zwei Examina gleichzeitig lernen, während wir möglicherweise krank in Quarantäne sind.“

Über die Facebook-Gruppe erhält Chabiera derzeit viele verzweifelte, ratlose und enttäuschte Nachrichten von Studierenden, die nicht wissen, wann sie ihre Prüfungen schreiben oder wo sie in den kommenden Wochen leben werden. 

„Einige von uns würden möglicherweise auch Bundesländerübergreifend eingesetzt werden“, sagt Chabiera. Das ist vor allem ein Problem für Studierende, die schon Kinder haben. „Natürlich verstehen wir, dass wir da helfen müssen, wo Mediziner gerade gebraucht werden. Viele von uns haben aber schon eine Wohnung in der Stadt gemietet, in der sie ihr Praktisches Jahr eigentlich absolvieren wollten. Es müsste also auch hier Hilfestellungen für uns geben oder uns zugesichert werden, dass wir an einer Klinik bleiben können. Bisher gibt es das nicht.“

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Chabiera schlägt vor, dass das Gesundheitsministerium vor allen anderen Diskussionen erst einmal schnellstmöglichst entscheidet, ob die Prüfungen stattfinden oder nicht – damit die Studierenden, die möglicherweise schon bald ihre Kräfte für Corona-Patienten benötigen, durch die Unsicherheit nicht länger belastet werden. „Ist es uns wegen der derzeitigen Vorschriften oder dem dringend notwendigen Personalbedarf nicht möglich, das Examen zu schreiben, dann sollte man uns zumindest Zugeständnisse machen“, verlangt Chabiera. „Und uns nicht dafür bestrafen, dass sich schon jetzt viele von uns bereitwillig gemeldet haben, in der Pandemie zu helfen, wo immer es nötig ist. Wir hoffen darauf, dass es das Gesundheitsministerium eigentlich gut mit uns meint und den derzeitigen Vorschlag umfassend korrigiert.“

Eine denkbare Lösung wäre beispielsweise, dass die Studierenden statt einem Jahr nur acht Monate in den Kliniken aushelfen. So hätten sie im Anschluss noch vier Monate Zeit, in denen sie selbst entscheiden könnten, in welchem Bereich sie weiter ausgebildet werden möchten. 

Chabiera fordert außerdem, dass auch die Bezahlung angepasst wird. „Für diesen besonderen Fall, den wir mit der Pandemie derzeit haben, sollte die Beschränkung auf den BAföG-Höchstsatz entfallen und es muss abschließend geklärt sein, dass sich weder Einsätze im Praktischen Jahr noch auf freiwilliger Basis auf die BAföG-Leistungen auswirken.“

Der Bundesrat wird voraussichtlich am Freitag über eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes abstimmen. Stimmt der Bundesrat dem zu, erhält Jens Spahn unter anderem die Möglichkeit, entsprechende Änderungen vorzunehmen, wie das Examen zu verschieben und Studierende vorzeitig in das Praktische Jahr zu schicken. 

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