Und er hatte doch Recht? Die Schlüsselerkenntnisse aus Drostens großer Corona-Studie

Für die Aussage, dass Kinder das Coronavirus ebenso weitergeben können wir Erwachsene, erntete Christian Drosten heftigen Widerspruch. Der Charité-Virologe sieht sich jetzt aber durch seine in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlichte Studie bestätigt.

Sind Kinder Treiber der Pandemie? Oder können sie kaum jemanden anstecken? Um diese Frage kreisen seit letztem Jahr zahlreiche virologische Untersuchungen. Davon hing vor allem die Entscheidung ab, ob Schulen und Kitas in der Pandemie geschlossen werden sollten oder offen bleiben könnten.

Der Berliner Virologe Christian Drosten, dessen Wort als Coronavirus-Experte besonders schwer wiegt, legte sich frühzeitig fest. Aus ersten Daten von Infizierten schloss er, dass Kinder eine hohe Ansteckungsfähigkeit haben. Sie würde der Infektiosität von Erwachsenen gleichen.

Größte Studie zum Thema Viruslast und Infektiosität

Nach dieser auch unter Fachleuten umstrittenen Aussage war es im vergangenen Jahr zu einem regelrechten Streit zwischen der „Bild“-Zeitung und dem Virologen gekommen. Das Boulevardblatt legte mit der forschen Schlagzeile „Fragwürdige Methoden: Drosten-Studie über ansteckende Kinder grob falsch“ vor. Der angesehene Wissenschaftler konterte empört auf Twitter. An seiner Schlussfolgerung aus ersten Studiendaten hielt Christian Drosten fest.

Nach der jetzt erfolgten Veröffentlichung seiner kompletten Corona-Studie im namhaften Fachblatt „Science“ sieht sich der Charité-Virologe und Pandemieberater der Bundesregierung in seinen Einschätzungen bestätigt. „Mein anfänglicher Eindruck einer ungefähr gleich großen Infektiosität aller Altersgruppen hat sich bestätigt, nicht nur hier, sondern auch in anderen Studien“, sagte er in einer Mitteilung der Charité. Und bekräftigte im „Coronavirus-Update“ bei NDR-Info: Anhand erster Daten habe man als klinischer Virologe gesehen, dass alle ungefähr gleich viel Virus hätten. Dieser Eindruck habe sich gehalten.

Für die Studie – die bisher größte Untersuchung zum Thema Viruslast und Infektiosität – bestimmten die Wissenschaftler um Drosten in mehr als 25.000 PCR-Proben aus Deutschland die Viruslast, also die Menge des vorhandenen Viruserbguts. „Die Erbgutkopien repräsentieren näherungsweise die Virusmenge im Rachen der Patienten und lassen daher Voraussagen über deren potenzielle Infektiosität zu“, erklärte die Charité dazu.

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Drosten bleibt dabei: Kinder nicht weniger ansteckend als Erwachsene

Von mehr als 4000 Fällen lagen mehrere Proben vor, was Rückschlüsse auf den Verlauf der Infektion erlaubte. In die Studie einbezogen wurden Infizierte ohne Krankheitsanzeichen ebenso wie Patienten mit unterschiedlich schweren Symptomen bis hin zu Krankenhausfällen. Auch gut 1500 Proben von Covid-19-Fällen mit der britischen Variante B.1.1.7 waren dabei.

Bei Erwachsenen zwischen 20 und 65 Jahren zeigten sich laut der Charité-Mitteilung „keine nennenswerten Unterschiede“ bei der Viruslast. Bei älteren Kindern und Jugendlichen hätten sich die Werte mit steigendem Alter denen der Erwachsenen angeglichen. In den Proben der jüngsten Kinder zwischen 0 und 5 Jahren seien die niedrigsten Viruslasten gefunden worden. Science/Drosten et al.

Die Grafik veranschaulicht die beiden zentralen Faktoren für Infektiosität: Viruslast und vermehrungsfähiges Virus in der Zellkultur – farblich abgestuft nach Alter und entsprechend der Zeitkurve

Bild A: Veränderung der Viruslast im Zeitverlauf nach Altersgruppen für 4344 Probanden mit mindestens drei PCR-Tests, von denen mindestens zwei positiv waren.

Bild B: Veränderung des vermehrungsfähigen Virus in der Zellkultur im Laufe der Zeit je nach Alter.

Bild C: Altersgruppenunterschiede in der mittleren maximalen Viruslast, entsprechend den Werten am Tag Null in A.Gepunktete Linie zeigt die Mittelwerte für die 4344 Probanden an.

Bild D: Altersgruppenunterschiede in der mittleren maximalen Virusvermehrung in der Zellkultur, entsprechend den Werten am Tag Null in B. Gepunktete Linie zeigt die Mittelwerte für die 4344 Probanden an.

Das würde bedeuten, dass Kinder doch weniger ansteckend sind als Erwachsene. Der Virologe widerspricht jedoch. Die Werte von Kindern sieht Drosten durch eine andere Art der Probenentnahme im Vergleich zu Erwachsenen beeinflusst: Es würden deutlich kleinere Tupfer eingesetzt, die weniger als halb so viel Probenmaterial einbrächten. Statt der schmerzhaften tiefen Nasenrachen-Abstriche würden zudem oft einfache Rachenabstriche gemacht, in denen sich nochmals weniger Virus finde. Deshalb seien bei Kindern von vorn herein geringere Messwerte zu erwarten.

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    Die Studie untermauert auch die Annahme, dass ein relativ kleiner Teil der Infizierten für besonders viele Ansteckungen sorgt. Wie Drosten schilderte, gibt es in allen Altersgruppen, auch bei Kindern, Infizierte mit außergewöhnlich hohen Viruslasten. In der Studie betraf dies etwa neun Prozent der untersuchten Fälle. In „erheblichem Umfang“ befinden sich darunter laut dem Virologen Menschen, die im gesamten Krankheitsverlauf allenfalls milde Symptome bekommen. Auch Menschen ohne Krankheitsanzeichen seien darunter.

    In Anbetracht der Ansteckungsgefahr durch gesund wirkende Infizierte betonen die Wissenschaftler um Christian Drosten im Studien-Fazit die Bedeutung von Maßnahmen wie Social Distancing und dem Tragen von Masken.

    Maximale Infektiosität drei Tage vor den ersten Symptomen

    „Das Maximum der Virus-Ausscheidung liegt ein bis drei Tage vor dem Symptombeginn“, sagte Drosten über ein weiteres Ergebnis der Arbeit. Darum sei das Virus so schwer zu kontrollieren. Und noch etwas sei auffällig gewesen: „Die Leute, die später schwer krank werden, die haben schon am Anfang durchgehend sehr viel Virus.“

    Weiter zeigt die Studie, dass Menschen, die mit der in Großbritannien entdeckten Variante B.1.1.7 infiziert sind, offenbar ansteckender sind als Infizierte mit anderen Varianten. Ihre Viruslasten seien im Vergleich um den Faktor 10 erhöht, sagte Drosten. Das sei erheblich.

    Der Virologe und sein Team wollen weiter an der Infektiosität des Coronavirus forschen. Besonders interessiert sie, was passiert, wenn das Virus durch die Bildung von Varianten auf die zunehmende Immunisierung der Bevölkerung reagiert.

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