Top-Virologe Drosten zerlegt wirre Corona-These von Lungenarzt

Nicht nur Menschen wie Christian Drosten melden sich in der Corona-Krise zu Wort und bekommen Gehör. In der aktuellen Folge seines NDR-Podcasts räumt der Chef-Virologe der Berliner Charité nun mit wirren Behauptungen des ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Wodarg auf.

Für einen Abend konnte Christian Drosten seinen Job als „Chefaufklärer“ der Nation ruhen lassen. In einer historischen Fernsehansprache versuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel der deutschen Bevölkerung den Ernst der Lage zu vermitteln. Dass jeder Einzelne gefordert ist, mit seinem Handeln dafür zu sorgen, dass sich die Ausbreitung des neuen Coronavirus verlangsamt.  

Während die Kanzlerin mit einem Schlag zu einem Millionenpublikum sprach, ist Drosten, Chef-Virologe an der Berlinre Charité, sozusagen im Dauereinsatz. Jeden Tag informiert er im „Coronavirus-Update“, einem NDR-Podcast, über die aktuellen Entwicklungen und klärt dort unter anderem über falsche Behauptungen auf, die sich rasend schnell immer wieder über die sozialen Netzwerke verbreiten.

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Einer, der solche gefährlichen Thesen verbreitet, ist Wolfgang Wodarg, Lungenarzt und ehemaliger Bundestagsabgeordneter der SPD. Ihm hat Drosten nun in aller Deutlichkeit widersprochen.

Wodarg behauptet: Panikmache statt Pandemie

Was behauptet Wodarg? Im Wesentlichen sagt er, dass das Virus im Prinzip gar nicht neu sei, etwa zehn Prozent der existierenden Viren seien Coronaviren. Die Pandemie sei in Wirklichkeit Panikmache, meint Wodarg. Und wenn man nicht gezielt auf das Virus testen würde, würden die Erkrankungs- und Todesfälle in den Grippestatistiken gar nicht weiter auffallen. Mit solchen Aussagen erreicht Wodarg derzeit Hunderttausende Menschen. 

Drosten hat die Aussagen nun in aller Deutlichkeit zurechtgerückt. „Es gibt natürlich Corona-Viren, vier Stück in der menschlichen Bevölkerung. Die sind endemisch, also saisonal. Die kommen vor allem dann vor, wenn auch Grippezeit ist. Die haben mit dem neuen Coronavirus aber nichts zu tun, das kommt als Pandemie zu uns“, erklärt Drosten in der aktuellen Folge des Podcasts.

„Das heißt: Es gibt eine Infektionswelle, wenn wir nichts tun. Und diese Infektionswelle ist das gleichzeitige Auftreten ganz vieler Infektionen. Selbst wenn diese Infektionen genauso harmlos verliefen wie die mit den vier altbekannten Coronaviren des Menschen, wäre das bedenklich. Es sind einfach zu viele Fälle auf einmal. Dazu kommt dann aber noch, dass der Verlauf mit diesem neuen Coronavirus eben nicht so harmlos ist wie mit den altbekannten Coronaviren.“

  
 
 

Drosten: Es geht nicht nur darum Todesfälle zu verhindern

Auch mit dem Vorwurf, dass die Todesfälle in der Statistik im Prinzip gar nicht weiter auffallen würden, räumt Drosten auf.  

„Es gibt Tote in der Statistik wegen des neuen Coronavirus, aber die sind im Vergleich zur Gesamtletalität der Bevölkerung aktuell verschwindend gering. Das wird sich aber ändern. Wir sind jetzt gerade in der ansteigenden Flanke einer exponentiellen Wachstumskinetik. Wenn wir nicht jetzt etwas tun, und zwar drastisch und einschneidend, dann wird das so weitergehen und wir haben im Juni oder Juli eine Situation, bei der man sehr wohl einen Effekt sehen wird.“ Der Top-Virologe warnt davor, dass wir in eine Lage kommen wie in Italien, wo Patienten nicht mehr behandelt werden können und sterben. „Wenn man das von der Hand weisen will, würde ich das als Verdrängungsmechanismus einordnen. Das habe ich auch manchmal, aber wenn ich die Verdrängung ausschalte und anfange zu rechnen, dann muss ich anerkennen, dass es schlimm kommen wird, wirklich schlimm“, so Drosten. Zumal es nicht nur darum gehe, Todesfälle zu verhindern, es gehe auch um ernsthafte Erkrankungen.  

„Wir möchten doch nicht am Beatmungsgerät hängen. Das ist natürlich eine Option Leute zu retten, aber das ist ja nichts, wo man sagt: Dann gehe ich mal kurz ins Krankenhaus und werde intubiert und beatmet. Und danach geht es mir wiedergut. So ist es ja nicht.“

Deutschland kann die Kurve kriegen

Bei allen Schreckensszenarien macht Drosten aktuell auch Hoffnung, dass es so schlimm eben nicht kommen muss. „Die Rechnungen, die man jetzt irgendwie anstellen kann, deuten an, dass wir es schaffen können in Deutschland, gerade so eben die Kurve zu kriegen, wenn wir jetzt gleichzeitig Beatmungskapazitäten hochfahren und in der Gesellschaft einschneidende Maßnahmen verhängen, um das Anwachsen der Fallzahlen zu stoppen“, erklärt Drosten. 

Am Ende des Podcasts stellt Drosten noch eine weitere Idee in den Raum, um einen Ausweg aus der aktuellen Lage zu finden. Man müsse über Lockerungen für die Zulassung von Impfstoffen nachdenken, wenn die Gesellschaft erhöhte Todesraten in der älteren Bevölkerung nicht akzeptieren wolle. Man müsse für die Risikogruppen irgendetwas machen, sagte er mit Blick auf Modellierungen des Imperial College London zu möglichen Effekten der Eindämmungsmaßnahmen. Die Aussichten seien zum Verzweifeln. 

„Wir müssen uns jetzt hinsetzen und miteinander sprechen über Möglichkeiten“, so Drosten. Er kam etwa auf relativ weit entwickelte Impfstoffe zu sprechen, die für das alte Sars-Virus ausprobiert worden seien. Generell seien all das aber schwierige Entscheidungen.

Drosten zeigt Schreckensszenario für Afrika auf

Ein düsteres Szenario schilderte Drosten im Podcast „Fest & Flauschig“ von Jan Böhmermann und Oli Schulz. Dort zeigte er auf, was passieren kann, wenn sich das Virus in einem Land praktisch ungehemmt ausbreiten kann, ohne dass Maßnahmen zur Verfügung stehen, um die Ausbreitung einzudämmen. 

„Wir haben eine Epidemie, die ziemlich parallel läuft in allen Ländern der Welt. Gerade kommt es im ganzen mittleren Osten an und da ist eine hohe Konnektivität nach Afrika. In afrikanischen Ländern, die nichts dagegen machen können, die organisatorisch nicht in der Lage sind solche sozialen Distanzierungsmaßnahmen zu machen, die nicht in der Lage sind zu testen, wo es aber auch Großstädte gibt – da werden wir Bilder sehen zwischen Juni und August, die wir nur aus Kinofilmen kennen. Da wird es Szenen geben, die wir uns heute noch nicht vorstellen können und ich bin mir nicht sicher, was das dann in uns auslöst.“

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