Stöhr wettert gegen Lauterbach: Was hinter seinen „Fehlinterpretationen“ steckt

BA.5 bringt mehr Menschen ins Krankenhaus als BA.2. Das sagt Karl Lauterbach und beruft sich auf eine Studie aus Dänemark. Epidemiologe Klaus Stöhr widerspricht entschieden. Das sei eine Fehlinterpretation. Was tatsächlich in der Studie steht.

Wie schwer verlaufen Ansteckungen mit der Omikron-Variante BA.5 und wie gut schützt unsere Immunität? Diesen Fragen sind Forschende aus Dänemark nachgegangen. Denn dort wie in Deutschland hat dieser Subtyp von Sars-CoV-2 das Infektionsgeschehen übernommen. Wie sich BA.5 auswirkt, untersuchte das Team in einer landesweiten Bevölkerungsstudie Menschen, die zwischen April und Juni 2022 PCR positiv waren. Anhand dessen zogen die Forschenden unter anderem einen Vergleich zwischen den Coronavirus-Varianten BA.2 und BA.5. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie als Vorab (das noch nicht von unabhängigen Fachleuten begutachtet ist) in „Preprints with The Lancet“.

Was Lauterbach schlussfolgert

Gesundheitsminister Karl Lauterbach fasst die Dänemark-Studie für die Twitter-Userschaft folgendermaßen zusammen: „In Dänemark zeigt sich ebenfalls die Zunahme der Hospitalisierten mit BA5 im Vgl. zu BA2. Das bedeutet: der Herbst wird schwieriger als das Frühjahr war. Die Endemie ist nicht erreicht.“

Empört darüber reagiert der Epidemiologe Klaus Stöhr. Es sei „unglaublich“, „wieviel Fehlinterpretationen man auf einmal in einen kurzen Tweet hineinbringen kann. Die Autoren des von Ihnen zitierten Artikels (Pre-print) kommen zu anderen Schlussfolgerungen ihrer Arbeit“.

Was steht in der Zusammenfassung der Studie?

Das Forscherteam schreibt: „Wir fanden bei dreifach geimpften Personen einen hohen Schutz gegen BA.5 aus einer früheren Omikron-Infektion und eine ähnliche Impfstoffwirksamkeit bezüglich einer BA.5-Infektion wie bezüglich BA.2. In einer um Störfaktoren angepassten Analyse war die BA.5-Infektion mit einem erhöhten Risiko einer Krankenhauseinweisung verbunden, was bestätigt und überprüft werden muss, weil die Krankenhauseinweisungen während des Studienzeitraums gering und stabil waren.

Dieser letzte Teil ist der Streitpunkt in der Auseinandersetzung: Ja, hier steht „war die BA.5-Infektion mit einem erhöhten Risiko einer Krankenhauseinweisung verbunden“ – was Karl Lauterbach aufgreift. Was der Gesundheitsminister allerdings nicht erwähnt: Insgesamt waren die Hospitalisierungen während der Untersuchung gering. Das heißt, in der statistischen Betrachtung hängt BA.5 mit einer höheren Hospitalisierung zusammen (korreliert). Genau diesen Zusammenhang gilt es allerdings erst zu erhärten.

Wie krank macht die aktuelle Omikron-Variante?

Dass BA.5 (wie BA.4) wieder schwerere Covid-19-Erkrankungen auslösen kann als BA.2 es getan hat, lässt sich bisher weder ausschließen noch bestätigen. „Ich halte es für möglich, dass BA.5 wieder etwas pathogener sein könnte, aber das ist abschließend nicht geklärt“, sagte Sandra Ciesek, Direktorin der Medizinischen Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main, im NDR-Podcast Mitte Juni. Grund seien die Mutationen an den Schlüsselstellen des Spike-Proteins, die es dem Virus ermöglichen, wieder leichter in die Lungenzellen einzudringen und sie zu infizieren. BA.2 dagegen konnte besser in die Schleimhäute der oberen Atemwege eindringen.

Virologe Ulf Dittmer vom Universitätsklinikum Essen hingegen vertrat zuletzt die These, dass die Evolution nicht im Rückwärtsgang erfolge und dass es unwahrscheinlich sei, dass die Coronaviren wieder tieferes Gewebe infizieren würden. Denn das wäre ein Verbreitungsnachteil. Wie beurteilt der Experte nun also BA.4/5?

„Bisher sehe ich keine überzeugenden Daten, dass BA.4/5 pathogener sind als es BA.1/2 waren“, urteilte Dittmer auf Anfrage von FOCUS Online. „Auch bei uns in Essen gibt es dafür in der Klinik keine Hinweise.“ Die aktuellen Omikron-Subvarianten könnten aber noch besser dem Immunsystem aus dem Weg gehen und seien infektiöser. Daher erlebten wir in vielen Ländern, einschließlich Deutschland, eine erneute Welle. Der Virologe ergänzt: „Bei solchen Wellen gibt es dann leider am Ende immer einige wenige Patienten, die wieder auf der Intensivstation landen. Nicht selten auch mit Sars-CoV-2 als Nebenbefund und einer anderen schweren Erkrankung.“

Die aktuelle BA.5-Welle zeigt sich in jedem Fall in vielen Kliniken. Das Bild der vergangenen Woche hat sich gedreht. Waren es da noch die Normalstationen, die starke Zunahmen verzeichneten, sind es nun die Intensivstationen. Von den Höhepunkten der BA.1- und BA.2-Welle sind sie dennoch ein gutes Stück entfernt. Gleichzeitig verschärft der Personalmangel an vielen Orten die Versorgungssituation für alle Patienten.

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Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) informiert darüber, wie viele Krankenhausbetten mit Covid-19-Patientinnen und Patienten belegt sind. Dort heißt es: „Die Belegungszahlen steigen weiterhin an, die Dynamik des Wochenvergleiches flacht insgesamt jedoch ab. Besonders stark steigen die Belegungszahlen auf den Intensivstationen (19,8 Prozent), während die Belegungszahlen von Corona-positiv getesteten Patientinnen und Patienten im Wochenvergleich insgesamt nur um 7,9 Prozent gestiegen sind.“

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