Stiko empfiehlt Corona-Auffrischungsimpfungen für Immungeschwächte

Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat in der Corona-Pandemie vorerst auf eine generelle Empfehlung für Auffrischungsimpfungen bei Senioren verzichtet. Das Gremium empfiehlt die sogenannten Booster bisher allein Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Eine Empfehlung nach Altersgruppen gebe die Kommission derzeit noch nicht, sagte der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens und bestätigte damit einen Bericht der Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag).

Bei der aktuellen Stiko-Empfehlung geht es laut Mertens um Menschen mit Immundefekten oder Erkrankungen, bei denen das Immunsystem medikamentös herunterreguliert wird, etwa bei Autoimmunerkrankungen oder nach einer Transplantation. Es soll aber innerhalb dieser Gruppen je nach Ausmaß der Immunsuppression differenziert werden, sagte Mertens der Deutschen Presse-Agentur. So solle sich der Zeitpunkt der Impfung danach richten, wie weit das Immunsystem geschwächt sei.

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"Wann für Nichtrisikopatienten eine Auffrischungsimpfung nötig sein wird, ist wissenschaftlich deutlich schwerer zu beantworten", sagte Mertens. "Die Entscheidung über eine Empfehlung dazu wird zumindest noch etwas dauern." Stiko-Mitglied Fred Zepp ergänzte, die Impfkommission werde mit Unterstützung des Robert Koch-Instituts prüfen, wie häufig und wie ausgeprägt Covid-19-Erkrankungen aktuell in höheren Altersgruppen auftreten. "Sollte sich herausstellen, dass es ab einem bestimmten Alter gehäuft zu Impfdurchbrüchen kommt, könnte es auch zu einer allgemeinen Impf-Empfehlung etwa ab 60, 70 oder 80 Jahren kommen", sagte Zepp den Funke-Zeitungen.

Dritter Piks bisher ohne Stiko-Empfehlung

Für Auffrischungsimpfungen hatte sich Anfang August die Gesundheitsministerkonferenz ausgesprochen. Seit rund drei Wochen ist der dritte Piks für Senioren und immungeschwächte Menschen deshalb bereits ohne Stiko-Empfehlung bundesweit zu haben. Dabei erhalten vollständig geimpfte Menschen nach rund sechs Monaten eine weitere Dosis eines zugelassenen Impfstoffs. Damit soll ihr Immunsystem nochmals gegen Sars-CoV-2-Viren gestärkt werden. Rund 486.500 Bundesbürger haben dieses Angebot bislang bereits angenommen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigte diese Strategie Anfang September. Er wolle nicht warten, bis in den Pflegeheimen wieder Menschen sterben, sagte er.

Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, kritisiert dagegen das Vorpreschen der Bundesländer. "Das Votum der Stiko galt es abzuwarten", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Er sei auch weiterhin kein Freund von ungeprüften Booster-Massenimpfungen. "Mit einer Blutuntersuchung lässt sich mit Blick auf SARS-CoV-2 der Immunstatus eines jeden Menschen checken", urteilte er.

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An den T-Zell-Werten könne abgelesen werden, wie gut ein Mensch geschützt sei – und ob er bereits eine weitere Impfung brauche. Anders als bei den öffentlich finanzierten PCR-Tests gebe es für diese Immun-Abfrage aber immer noch kein flächendeckendes Labor-System. Wäre das der Fall, gebe es solche Untersuchungen mittlerweile zum Preis eines PCR-Tests, sagte Brysch.

Die Grenzwerte für die T-Zell-Immunität müssten aber dann vom RKI festgelegt werden. "Dann bekämen wir ein lernendes System über den Immunstatus verschiedener Altersgruppen jenseits der Daten der Pharma-Industrie", sagte er. Daran könnten sich auch künftige Impfstrategien ausrichten.

„Aus immunologischer Sicht ist das sehr sinnvoll“

Der Charité-Infektiologe Leif Erik Sander hält Booster-Impfungen für Ältere sowie für Menschen aus anderen Risikogruppen medizinisch für sinnvoll. Im August veröffentlichte er Zwischenergebnisse seiner Forschungsgruppe. Diese bestätigten laut Sander, dass die Immunantwort von älteren Menschen auf die Impfung deutlich stärker nachlasse als bei jüngeren.

Carsten Watzl, Immunologe am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung der Technischen Universität Dortmund, sieht die Lage differenziert. "Aus immunologischer Sicht ist das sehr sinnvoll. Das Immunsystem verbessert bei jedem Kontakt mit einem Erreger die Immunreaktion auf diesen deutlich", sagte er kürzlich. Auch israelische Studien zeigten bei Senioren jüngst solche Effekte.

Sowohl ethisch als auch virologisch stellten diese Impfungen indes Probleme dar, ergänzte Watzl. "Weltweit herrscht immer noch Impfstoffmangel. Durch diesen sterben mehr Menschen als hierzulande durch eine dritte Impfung gerettet würden." Für andere Experten ist es mit Blick auf das Infektionsgeschehen zudem wichtiger, auch in Deutschland erst einmal junge und gesunde Menschen zu impfen, die bislang noch gar kein Vakzin erhalten haben.

Noch ist die aktuelle Stiko-Empfehlung mit ihren Einschränkungen nicht publiziert. Gültig werde sie, sobald sie veröffentlicht sei, sagte Mertens. Er rechne damit in einigen Tagen. Das übliche Verfahren mit Stellungnahmen verschiedener Institutionen und Experten sei bereits gelaufen.

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