Bundesgesundheitsministerium mit Maskenbeschaffung überfordert
Es werden zunehmend Stimmen von Maskenlieferanten laut, die sich über ausbleibende Zahlungen des Bundesgesundheitsministeriums beklagen. Offenbar wurde das Ministerium in mindestens 23 Fällen vor dem Landgericht Bonn angeklagt, weil Schutzmasken im Wert von rund 68 Millionen Euro nicht bezahlt wurden. In einer Anfrage der FDP ist sogar von „Schutzausrüstung im Wert von rund 600 Millionen Euro“ die Rede.
Zudem steht die Behörde unter verdacht, Aufträge im Zuge der Schutzmaskenbeschaffung nicht offiziell ausgeschrieben zu haben, weshalb sich das Ministerium vor dem Bundeskartellamt verantworten muss. Wie kam es zu diesem Chaos?
Industrieriesen beschafften Masken aus China
Nachdem es dem Verteidigungsministerium bis Anfang März 2020 nicht gelungen war, auf dem Weltmarkt ausreichend Schutzmasken zu organisieren, schaltete sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) ein, um weitere Masken zu beschaffen. Hierzu wurden deutsche Industrieriesen wie BASF, Bayer, Daimler, Otto und Volkswagen beauftragt, am chinesischen Markt Masken für die Behörden einzukaufen, während die Deutsche Bahn, Lufthansa und die Firma Fiege für die Logistik zuständig waren.
Beschleunigte Kaufabwicklung
Um die Abwicklung der Kaufaufträge zu beschleunigen, entwickelte das BMG das sogenannte „Open-House-Verfahren“. Dies sicherte allen Händlern einen sofortigen Kaufvertrag zu, wenn sie in der Lage sind, bis zum 30. April 2020 mindestens 25.000 Schutzmasken zum Preis von 4,50 Euro pro FFP2-Maske und 60 Cent pro OP-Maske nach Deutschland liefern zu können. Die Vergütung sollte laut der Vereinbarung innerhalb einer Woche nach Lieferung erfolgen. Die Berliner Anwaltskanzlei Müller-Wrede & Partner half bei der Entwicklung des Konzeptes und erhielt dafür 42.000 Euro.
BMG überfordert von Angeboten
Im Anschluss auf dieses Angebot wurde das BMG mit Aufträgen überhäuft und wandte sich wenige Tage später an die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY), die ohne öffentliche Ausschreibung bei der Abwicklung des Open-House-Verfahrens helfen sollte. Hierfür soll die Prüfgesellschaft 9,5 Millionen Euro erhalten haben. Scheinbar war aber auch EY überfordert von der Angebotsflut, denn zahlreiche Rechnungen aus diesem Angebot sind bis heute noch nicht abgewickelt.
Viel Mangelware unter den Lieferungen
Wie das BMG gegenüber verschiedenen Medien berichtet, wurden insgesamt über 700 Zuschläge erteilt. Rund die Hälfte schied jedoch aus, da die Rahmenbedingungen nicht eingehalten werden konnten. 361 Unternehmen lieferten letztendlich die Schutzausrüstung zu dem gewünschten Termin. 70 der 361 Lieferungen wurden jedoch vollständig abgewiesen, da die Qualität der Schutzausrüstung nicht den Vorgaben entsprach. In den letzten Monaten kam es so auch immer wieder zu Rückrufen von Schutzmasken.
Masken bestanden TÜV-Prüfung nicht
Zusätzlich kam es zu Verzögerungen bei der Bezahlung, da zahlreiche Masken den dreistufigen Qualitätssicherungsprozess des TÜV-Nord nicht bestanden, weshalb einige Hersteller nur 50 Prozent des vereinbarten Preises erhielten. Gegenüber einer Anfrage der Linken-Fraktion gibt das BGM an, auf diese Weise rund 550 Millionen Euro eingespart zu haben.
Erst 194 Lieferanten wurden bezahlt
Nach derzeitigem Stand scheinen erst 194 Lieferanten aus dem Open-House-Verfahren bezahlt worden zu sein. Weitere 100 Lieferanten erhielten Teilzahlungen. Insgesamt wurden bislang 852 Millionen Euro über das Open-House-Verfahren ausgezahlt. (vb)
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