Jeder muss irgendwann Gewinn machen – auch die Pharmaindustrie. Das ist ein ehernes Gesetz unseres marktwirtschaftlichen Systems. Wird aber aus Gewinnstreben Gier und führt diese Gier mittelfristig zu einer ernsthaften Gefährdung unseres solidarischen Gesundheitssystems so muss der Gesetzgeber die handelnden Akteure schon aus Gründen der Vorsorgepflicht in ihre Grenzen weisen, meint Dr. Franz Stadler und verweist als jüngstes Beispiel einer zu gewinnorientierten Industriepolitik auf Polivy der Firma Roche.
Roche hat aus Firmensicht alles richtig gemacht. Am 15. Februar 2020 wurde als Neuerung in der onkologischen Therapie der Antikörper Polivy® in den deutschen Markt eingeführt und natürlich, unter anderem beim Deutschen Krebskongress in Berlin, entsprechend beworben. Der Apothekeneinkaufspreis für die einzige verfügbare Packungsgröße von 140 mg beträgt 12.338 Euro netto, also stolze 88,13 Euro netto je mg Wirkstoff (Polatuzumab vedotin).
Jetzt könnte man trefflich über den Patentschutz und die ständig steigenden Preise von neueingeführten Medikamenten schwadronieren, aber das sind hier nicht die zu diskutierenden Punkte. Denn selbst wenn es den Krankenkassen gelingen sollte, (mehr oder weniger freiwillige) Rabatte zu verhandeln, bleibt der Fakt der (absichtlich?) falsch gewählten Packungsgröße oder genauer: Der Verzicht auf unterschiedliche Packungsgrößen.
Die empfohlene Dosierung liegt bei 1,8 mg pro kg Körpergewicht und soll in der Regel im Abstand von 21 Tage gegeben werden. Ferner hat die Firma Roche die physikalisch-chemische Stabilität der zubereiteten Wirkstoffinfusion für maximal 72 Stunden (bei 2° – 8°C) nachgewiesen und schreibt zudem in der Fachinformation, dass jede Packung nur zur Einmalanwendung gebraucht werden darf. Diese Angaben führen bei der Zubereitung der applikationsfertigen Infusionen geradezu zwangsläufig zu Verwurf und damit zu Mehrumsatz für die Firma und erheblichen Zusatzkosten für die Krankenkassen und damit das Solidarsystem.
Das zeigt die folgende Tabelle
Körpergewicht in kg
Dosis in mg
Verwurf in mg
Nettokosten
Bruttokosten
Verwurf
Verwurf
40
72
68
5.992,84 €
7.131,48 €
50
90
50
4.406,50 €
5.243,74 €
60
108
32
2.820,16 €
3.355,99 €
70
126
14
1.233,82 €
1.468,25 €
77
138,6
1,4
123,38 €
146,82 €
80
144
136
11.985,68 €
14.262,96 €
90
162
118
10.399,34 €
12.375,21 €
100
180
100
8.813,00 €
10.487,47 €
110
198
82
7.226,66 €
8.599,73 €
120
216
64
5.640,32 €
6.711,98 €
Das in der Tabelle hervorgehobene Körpergewicht von 77 kg entspricht dem durchschnittlichen Körpergewicht aller Personen über 18 Jahre in Deutschland (lt. Gesundheitsberichterstattung des Bundes 2017). Immerhin wurde dieses Durchschnittsgewicht vermutlich als Begründung der Packungsgröße von 140 mg herangezogen.
Quelle: Den ganzen Artikel lesen