In aller Regel findet man auf Melatonin-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) einen Hinweis, dass diese nicht für Kinder geeignet sind. Doch wie erklärt man das den Kindern, wenn die NEM so lecker wie Gummibärchen aussehen? Und wie erklärt man das vor allem den Eltern, die in den sozialen Medien falsche oder gefährliche Informationen über Melatonin und Schlafstörungen bei Kindern erreichen? Eine evidenzbasierte Leitlinie soll künftig helfen und vor allem auch über eine kindgerechte Dosierung aufklären.
Melatonin wird in Nahrungsergänzungsmitteln mittlerweile in Massen angeboten und beworben. Bereits 2022 wurde in der DAZ gewarnt, dass deren Einsatz gerade bei Kindern und Jugendlichen kritisch abgewogen werden muss.
Da „Melatonin in der Praxis sehr oft eingesetzt wird, auch von Laien, soll KinderärztInnen, Kinder- und JugendpsychiaterInnen und SchlafmedizinerInnen“ künftig eine kritische evidenzbasierte Leitlinie zur Verfügung stehen. Das kann man auf der Internetseite der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur Anmeldung der „S2e-Leitlinie Indikationen für Melatonin als schlafförderndes Mittel bei Schlafstörungen im Kindes- und Jugendalter“ nachlesen. Die Fertigstellung ist für Ende März 2025 geplant. Grundsätzlich soll mit der Leitlinie „für zurückhaltendes und differenziertes gut begründbares Verordnungsverhalten“ motiviert werden. So sollen potenzielle langfristige Nebenwirkungen „wie z. B. Beeinflussung des Pubertätseintritts“ vermieden werden [1].
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Die Koordination der Leitlinie hat Prof. Dr. med. Ekkehart Paditz übernommen. Dieser hat aktuell mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) gesprochen und darauf aufmerksam gemacht, dass auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (DGSM) zwischen dem 7. und 9. Dezember in Berlin die Leitlinie vorgestellt werden soll. Ganz allgemein rät er gegenüber der dpa davon ab, den eigenen Kindern ohne Absprache mit einem Arzt ein melatoninhaltiges Nahrungsergänzungsmittel zu geben.
Dosierungen und Applikationszeiten von Melatonin für Kinder
Bislang wisse man noch zu wenig über die Abbauwege von Melatonin bei Säuglingen und kleinen Kindern, sagt Paditz. Sicher sei, dass der Melatonin-Stoffwechsel bei ihnen langsamer laufe. Außerdem gebe es bei den in Studien geprüften Nahrungsergänzungsmitteln erhebliche Konzentrationsschwankungen. „Es wäre fatal, wenn Eltern Geld für irgendwelche Tütchen ausgeben, die nicht über den Rezeptblock des Arztes oder über die Apotheke kommen“ [2].
Wie es auf dem Internetauftritt der AWMF heißt, soll die neue Leitlinie künftig darstellen, „bei welchen Indikationen und Voraussetzungen Evidenzen für die Gabe von Melatonin nachweisbar sind sowie welche Dosierungen und Applikationszeiten auf der Grundlage“ placebokontrollierter randomisierter Studien und pharmakokinetischer Daten empfohlen werden können [1].
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In Deutschland gibt es neben NEM mit Slenyto® auch ein Arzneimittel auf Basis von Melatonin, das aber nur in bestimmten Fällen indiziert ist: Bei der „Behandlung von Schlafstörungen (Insomnie) bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 2-18 Jahren mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) und/oder Smith-Magenis-Syndrom, wenn Schlafhygienemaßnahmen unzureichend waren.“ Laut Fachinformation beträgt die empfohlene Anfangsdosis dann 2 mg [3]. Doch Paditz zufolge sollte die Dosis generell so gering wie möglich sein. Je nach Alter empfiehlt er, vor dem Zubettgehen zwischen 0,25 und 0,5 Milligramm des Melatonin-Medikaments einzunehmen. Allerdings handelt es sich bei Slenyto® um Retardtabletten, die nicht dosisgleich teilbar sind [2,3].
Laut Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt:innen kommt das Melatonin als Arzneimittel in der Praxis nur selten zum Einsatz. Behandlungsbedürftige Schlafstörungen würden vor allem bei schwer chronisch kranken Kindern mit geistiger Behinderung vorkommen, die in einem jungen jugendlichen Alter Einschlafschwierigkeiten haben. Wenn Kinder unter ernstzunehmenden Schlafstörungen litten, sollten Eltern sich nicht auf frei käufliche Mittelchen verlassen, meint Paditz. „Eltern gehen damit ein ziemliches Risiko ein, dass möglicherweise schwerwiegende Krankheiten übersehen werden.“
Währenddessen bewerben Eltern in den sozialen Medien mit Titeln wie „Wie du dein Kind in unter 5 Minuten zum Schlafen bringst“ allerdings Nahrungsergänzungsmittel mit Melatonin als absolutes Wundermittel für Kinder, die einfach nicht einschlafen wollen. In der Apotheke sollten die Eltern also über diesen Widerspruch aufgeklärt werden [2].
Kann man Melatonin überdosieren?
In der Fachinformation von Slenyto® (Stand 06/2023) heißt es zum Thema Überdosierung: „Für den Fall einer Überdosierung ist Schläfrigkeit zu erwarten. Die Clearance des Wirkstoffs wird innerhalb von 12 Stunden nach der Einnahme erwartet. Es ist keine besondere Behandlung erforderlich“ [4].
In einer Stellungnahme der DGSM von 2018 wird darauf hingewiesen, dass die Dosierung beziehungsweise Darreichungsform von Melatonin auch davon abhängt, ob es zur Einschlafförderung oder bei nächtlichem Aufwachen eingesetzt werden soll. Auch der Einnahmezeitpunkt unterscheidet sich je nach erwünschtem Effekt. Wörtlich heißt es beispielsweise [5]:
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