Die Eskalationsstufe mit Liebes-Postkarten ist immer noch ein Thema, zumindest in der Apothekenszene. Während die ABDA-Präsidentin fürs Mitmachen trommelt, hat eine Gruppe engagierter Apothekers sogar ein nett gemachtes Reel auf Instagram veröffentlicht, das sich auf emotionale Art an Patientinnen und Patienten wendet mit der Bitte, die Liebeskarte zu nutzen. Einsatz mit Herzblut, gut gemacht. Ob’s die Politik bewegt, werden wir sehen. Die Hoffnung auf eine Stärkung der Apotheke schwindet allerdings, Habeck und Lauterbach pokern noch, in wessen Ministerium das Apothekenhonorar in Zukunft angesiedelt sein soll. Die ABDA dagegen will Mut machen, preist die mit dem Lieferengpass-Gesetz erreichten Verbesserungen und verkauft sogar das 50-Cent-Honorar fürs Engpass-Management als Erfolg: niedrig, aber immerhin. Kann man so sehen, muss man aber nicht.
21. August 2023
Die einen finden sie eine tolle Idee, die anderen können damit nur wenig bis nichts anfangen und finden sie eher peinlich – die Liebespostkarten-Aktion der ABDA spaltet die Apothekerschaft. Jetzt setzt sich die ABDA-Präsidentin mit großem Engagement für diese Aktion ein und trommelt in einer Videobotschaft fürs Mitmachen. Auch einige Apothekerinnen und Apotheker haben sich enthusiastisch für diese Kärtchen engagiert: In einem netten, emotionalen und abwechslungsreich gemachten Videoclip auf Instagram sagen sie, warum sie „Apotheke lieben“, warum sie ihren Beruf mit Herzblut machen. Aber sie weisen auch auf die schwierige politische und wirtschaftliche Lage vieler Apotheken hin, eine Entwicklung, an deren Ende immer öfter die Schließung der Apotheke steht. Damit Apotheken auch weiterhin für die Menschen da sein können, bitten sie am Ende des Reels die Patientinnen und Patienten um Unterstützung: Sie mögen die Kärtchen nutzen, um der Politik mitzuteilen, warum ihnen ihre Apotheke am Herzen liegt. Mein liebes Tagebuch, gut gemacht! Erst mit diesem Clip könnte die Postkarten-Aktion den Drive bekommen, den sie braucht, um erfolgreich sein. Einfach Kärtchen auslegen oder den Kundinnen und Kunden die Kärtchen in die Tüte zu stecken reicht nicht. Der Video-Clip bringt emotional über, was dahinter steckt. Ob die Kartenaktion letztlich politisch ankommt und die Erwartungen erfüllt, die die ABDA damit verbindet (immerhin ist es eine der vielen Eskalationsstufen!), wird man sehen. Die ABDA-Präsidentin meint zum Für und Wider der Aktion: Auch wenn die Aktion nicht allen gefällt – „runterschlucken und mitmachen“, um mit größtmöglicher Geschlossenheit eine große Zahl an Liebes-Postkarten zu erhalten, die dann der Politik überreicht werden können. „Das wäre unfassbar wichtig“, so die Präsidentin. Übrigens, inzwischen hat die ABDA die Aktion auch auf das Internet ausgeweitet: Ab sofort ist das digitale Ausfüllen und Abschicken der Postkarten rund um die Uhr auf www.apoliebe.de möglich. Die (Apotheken-)Liebe kennt keine Grenzen!
Das liest sich verheißungsvoll: „Apothekenstärkungsgesetz für den Herbst angekündigt“, nimmt der Apothekerverband Nordrhein als Überschrift für seine aktuelle Pressemitteilung. Wirklich? Ist ein neues Apothekenstärkungsgesetz bereits in der Mache? Schön wär’s. Nun ja, die Mitteilung greift Äußerungen des SPD-Gesundheitspolitikers Dirk Heidenblut auf, der auf einer Klausurtagung des Apothekerverbands ein Apothekenstärkungsgesetz noch für diesen Herbst angekündigt habe. Diese Äußerung und Meldung war allerdings wohl auf beiden Seiten von Wunschdenken getriggert. Heidenblut hat gleichwohl sehr viel Verständnis für die schwierige Lage der Apotheke vor Ort gezeigt und meinte, dass „die Struktur der Apotheken gestärkt werden muss“. Allerdings wollte er das dann, wie Heidenbluts Büro auf Nachfrage korrigierte, nicht so verstanden wissen, dass daraus gleich ein Apothekenstärkungsgesetz folgt. Also, im Herbst wird so ein Stärkungsgesetz für die Apotheke nicht kommen. Heidenblut habe lediglich die Hoffnung geäußert, dass ein Gesetzentwurf kommen möge. Mein liebes Tagebuch, wie nett, die Hoffnung auf eine Stärkung der Apotheke, auch mit Cent und Euro, haben wir schon lange. Schade nur: Es kommt einfach nichts.
22. August 2023
Hoffnung auf ein Apothekenstärkungsgesetz, vor allem ein Gesetz, das uns mehr Honorar und Wertschätzung bringt – wird es endlich Realität? Ohne miesepetrig sein zu wollen: Dass sich diese Hoffnung so bald erfüllen könnte, lässt sich bei der angespannten politischen und wirtschaftlichen Lage des Landes beim besten Willen nicht erkennen. Der Clou dabei: Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) sind sich derzeit noch nicht einmal im Klaren darüber, wer weiterhin fürs Apothekenhonorar zuständig sein soll. Bisher liegt die Zuständigkeit für die Arzneimittelpreisverordnung beim Wirtschaftsministerium, während die Ausgestaltung unserer Tätigkeit beim Gesundheitsministerium liegt. An wen soll sich unsere Berufsvertretung also wenden, wenn sie die Forderung nach mehr Honorar und Wertschätzung untermauern soll? Zwei Ministerien in dieser Frage unter einen Hut zu bringen, kann man vergessen. Da muss sich was tun. Mein liebes Tagebuch, es zeichnet sich ab, dass die beiden Minister, Habeck und Lauterbach, das ähnlich sehen. Und oh Wunder: Man sei zu einer möglichen Übergabe der Zuständigkeit für die Arzneimittelpreisverordnung vom Bundeswirtschafts- ins Bundesgesundheitsministerium im Gespräch, heißt es aus dem BMG. Die Anekdote am Rande: Die Frage der Zuständigkeit kam überhaupt erst dadurch auf, dass Habeck in einem Gespräch mit Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Kai Christiansen einräumte, bisher gar nicht gewusst zu haben, dass sein Ministerium für die AmPreisV zuständig sei. Ist das alles nun eine gute Nachricht? Eindeutig Jein. Es wird formal einfacher, nur mit einem Ministerium, dem BMG, übers Honorar zu sprechen, zumal das BMG wohl auch die Aufgaben der Apotheke im Gesundheitswesen besser einordnen kann. Aber angesichts der derzeitigen Besetzung im BMG mit einem Minister, der die Arbeit der Apotheken nur mit Worten anerkennt, aber nicht mit barer Münze, da bleiben Hürden. Und bis solche Gespräche dann wirklich in eine Übergabe der Zuständigkeit münden und sich das dann zuständige Ministerium mit einer neuen Honorarstruktur für Apotheken befasst, dürfte noch einige Zeit vergehen – und weitere Apotheken geschlossen werden.
23. August 2023
Wie erfolgreich die ABDA-Politik ist, machte die ABDA-Präsidentin in dieser Woche in ihrem beliebten Facebook-Livetalk deutlich. Kurz nach dem Apotheken-Demotag sei das Lieferengpass-Gesetz verabschiedet worden. Und ja, man habe doch, wenn auch auf den letzten Metern, einiges erreicht. Als da wären: „Wir haben die Nullretaxation in weiten Bereichen abgeschafft bekommen, wir haben reingekriegt, dass die Präqualifizierung perspektivisch in einem halben Jahr etwa auch für uns für die meisten Hilfsmittel in der Apotheke Vergangenheit sein wird, wir haben die Austauschregeln bekommen für Nichtverfügbarkeiten“, freut sich die Präsidentin vollkommen zu Recht. Was Sie auch sagte: „Wir haben mit Verlaub in einer unerträglich niedrigen Höhe, aber immerhin einen Engpass-Ausgleich zugestanden bekommen. Das sind Teilerfolge, das sind Erfolge, die wir als solche auch gelten lassen müssen.“ Mein liebes Tagebuch, als ich diesen Satz hörte, da bin ich dann doch kurz zusammengezuckt: Im Überschwang der Freude verkauft uns die Präsidentin also den „Engpass-Ausgleich“, also Lauterbachs 50-Cent-Honorar als politischen Erfolg. Habe ich da etwas missverstanden? Hatten wir nicht sogar einen Apotheken-Demotag, der das unsägliche 50-Cent-Honorar anprangerte? War es nicht so, dass die ABDA eigentlich (realistisch oder nicht) 21 Euro statt 50 Cent von der Politik als Honorar fürs Engpass-Management forderte? Und jetzt sollen die 50 Cent sogar ein Erfolg sein? Ja mehr noch, sie fordert die Apothekerinnen und Apotheker sogar dazu auf, diese Teilerfolge immer wieder anzuschauen, „um uns nochmal zu motivieren“. Sorry, wie ist das zu verstehen? Vielleicht so: Niederlagen anschauen, um beim nächsten Mal besser zu sein?
E-Mail-Aktionen sind out, aber Postkarten- und Brief-Aktionen scheinen gerade Hochkonjunktur zu haben. Nach den Postkarten-Aktionen der ABDA an die Gesundheitspolitikerinnen und -politiker sowie an die Patientinnen und Patienten verschickt auch der Marketing Verein Deutscher Apotheker (MVDA), zu dem die Dachmarke Linda gehört, einen Brief: Adressaten sind rund 650 Landräte und Landrätinnen sowie die Oberbürgermeister und Oberbürgermeisterinnen der Republik. Und warum diese Ebene? Sie können zwar nicht beim Apothekenhonorar mitsprechen, aber sie können Druck machen nach oben, so hofft man. Und in ihren Regionen sind sie näher an den Menschen. Im Brief macht der MVDA darauf aufmerksam, wie geringschätzend die Berliner Politik mit den Apotheken und ihren Teams umgegangen ist, welche abwertenden und zum Teil unzutreffenden Bemerkungen über Apotheken verbreitet wurden. Der MVDA appelliert an die regional tätigen Behördenvertreter in Stadt und Land, die Apotheken und ihre Anliegen zu unterstützen, „damit wir auch morgen noch sowohl in der Stadt als auch in der Fläche Sie und Ihre Wählerinnen und Wähler mit Arzneimitteln versorgen können.“ Mein liebes Tagebuch, sicher nicht verkehrt, auch mal diese politische Ebene von Stadt und Land auf die Probleme der Apotheken aufmerksam zu machen. Ein Bürgermeister, eine Landrätin, die in ihren Gemeinden die Apotheke vor der Schließung bewahren oder dazu beitragen können, einen Nachfolger, eine Nachfolgerin für eine Apotheke zu finden, können durchaus bei der Bevölkerung punkten.
24. August 2023
Dem Bundesgesundheitsminister scheint es nicht entgangen zu sein, dass sein Lieferengpass-Gesetz (ALBVVG) im kommenden Winter noch lange nicht die Wirkung hat, die man von diesem Gesetz erwartet: Es wird wieder Lieferengpässe bei Kinderarzneimitteln, z. B. Antibiotika- und Fiebersäften, geben. Um es nicht so weit kommen zu lassen, bittet Lauterbach nun den Pharma-Großhandel, die Beschaffung und Lagerhaltung bestimmter Kinderarzneimittel zu intensivieren. Der Großhandel darf sich für seine Mühen über ein Zubrot freuen: Der Minister hat ihm zugesagt, dadurch entstehende Zusatzausgaben zu übernehmen. Konkret: Lauterbach stellt dem Großhandel in Aussicht, eine erhöhte Großhandelsvergütung zu prüfen, wenn die Aufwendungen höher werden und über die mit dem ALBVVG beschlossenen zusätzlichen 3 Cent für den Großhandel hinausgehen. Mein liebes Tagebuch, der Minister weiß, dass er sich leere Regale und Ziehschränke von Apotheken bei diesen Kinderarzneimitteln nicht mehr leisten kann. Das käme in der Bevölkerung nicht gut an. Und das sind ihm sogar höhere Ausgaben für den Großhandel wert. Er will außerdem eine offizielle Bekanntmachung des Versorgungsmangels vorbereiten, wodurch der Import knapper Arzneimittel vereinfacht würde. Mein liebes Tagebuch, wenn genug Druck vorhanden ist, bewegt sich was.
Quelle: Den ganzen Artikel lesen