Mein liebes Tagebuch

Die Freude bei den E-Rezept Enthusiasten ist riesengroß: Seit 1. Juli wesentlich mehr E-Rezepte! Jetzt wollen sie eine kundenfreundlichere Gematik-App, schließlich soll es den EU-Versendern einfacher gemacht werden, ans E-Rezept zu kommen. Das neue Digitalgesetz will sogar, dass die E-Rezept-Tokens auch auf die Apps von Krankenkassen und ohne Telematikinfrastruktur verschickt werden dürfen. Der E-Rezept-Wildwuchs ist im Kommen! Außerdem sollen Apotheken assistierte Telemedizin anbieten dürfen – was auch immer das ist. Die Ärzte poltern bereits. Vielleicht schauen sich Apothekers lieber mal die digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) an: Der Arzneimittelverband (BAH) sieht hier Chancen, auch für ein Beratungshonorar. Das Lieferengpass-Honorar gibt’s allerdings immer noch nicht, auch wenn der Apothekerverband eine Zwischenlösung hat. 

31. Juli 2023

Die Einlösung mittels elektronischer Gesundheitskarte (eGK) bringt’s: Seit 1. Juli wurden bereits 38 Prozent mehr E-Rezepte eingelöst als im Monat zuvor. Die Freude beim Verein E-Rezept-Enthusiasten, der das E-Rezept vorantreiben will, ist groß. Aber damit gibt man sich noch nicht zufrieden. Das nächste Ziel der Enthusiasten ist, dass die Gematik-App noch kundenfreundlicher werden soll. Ihnen schwebt vor, dass eine Übermittlung von E-Rezepten an die Apotheke möglich sein soll, ohne dass sich der Versicherte authentifiziert. Damit könnte die Übermittlung des E-Rezepts wohl auch an EU-Versender leichter werden. Mein liebes Tagebuch, mag sein, dass die App auch einige Vorteile bietet. Aber für die Vor-Ort-Apotheke ist es mit Sicherheit besser, wenn sich die Versicherten daran gewöhnen, ihre eGK in der Apotheke ins Lesegerät zu stecken, um ihre Rezepte einzulösen. 

 

Das könnte eine neue pharmazeutische Dienstleistung werden: die Beratung der Versicherten zu den digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Darunter versteht man sogenannte Gesundheits-Apps auf Rezept, also Apps, die der Arzt verordnet und der Patient dann auf Kosten der Kasse herunterladen kann, um bestimmte Funktionen, die der Gesundheit dienen, auszuführen. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) jedenfalls macht in seiner Stellungnahme zum Digitalgesetz des Bundesgesundheitsministeriums deutlich darauf aufmerksam, dass die Apotheken als „verlässliche und hochkompetente Anlaufstellen“ prädestiniert seien, Beratungsleistungen zu den Apps zu übernehmen – natürlich gegen eine angemessene Vergütung. Mein liebes Tagebuch, vollkommen richtig: Das könnte gegen eine entsprechende Beratungsgebühr eine Aufgabe für die Apotheke sein. Denn, so argumentiert auch der BAH, „DiGA haben sich als beratungsintensive Leistungen für Versicherte und Leistungserbringer herausgestellt“. Der persönliche Kontakt zu Beratungsangeboten sei jedoch limitiert und gerade nicht IT-affine Versicherte benötigten einen möglichst niederschwelligen Zugang zu Beratungsleistungen. Mein liebes Tagebuch, diesen Zugang bieten in der Tat die Apotheken. Der BAH weist allerdings auch darauf hin, dass es den Apotheken selbst überlassen bleiben sollte, diesen Service zu erbringen. Auch richtig, mein liebes Tagebuch, zum einen hat nicht jeder Pharmazeut, jede Pharmazeutin oder jede PTA eine ausgesprochene Neigung zum Digitalen. Und zum andern wird es sich auch nicht jede Apotheke leisten können oder wollen, ein Beratungsangebot zu den DiGA aufzubauen: Man muss die DiGAs kennen, zu denen man berät. Umso mehr bedeutet dies: Dieser Service muss angemessen honoriert werden! Mit 50 Cent braucht uns Lauterbach da nicht zu kommen.

 

1. August 2023

Gute Ansätze, aber noch unausgegoren – so lautet kurz zusammengefasst die Stellungnahme der ABDA zum Referentenentwurf des Lauterbachschen Digitalgesetzes. Dieses Gesetz soll, wie es so schön vollmundig heißt, die digitale Transformation im Gesundheitswesen vorantreiben. Die Apothekers kommen auch darin vor, z. B. beim Thema E-Rezept. Wie aus der Stellungnahme der ABDA hervorgeht, begrüßt unsere Standesvertretung grundsätzlich, dass es außerhalb der Telematikinfrastruktur keine Übermittlung von elektronischen Verordnungen oder elektronischen Zugangsdaten zu elektronischen Verordnungen geben darf – „ein wichtiger Schritt, um das Zuweisungsverbot zu schützen. Es ist positiv zu bewerten, dass die freie Apothekenwahl der Versicherten gewährleistet bleiben soll“, so die ABDA. Also, keine automatische Weiterleitung von Verordnungen. Vollkommen richtig, mein liebes Tagebuch, da darf es keine Schlupflöcher geben. Auch Krankenkassen dürfen über die Apps der elektronischen Patientenakte keinen Zugriff auf E-Rezepte und deren Verwaltung haben. Außer der Gematik-App sollte es keinen Parallelweg, keine weiteren Apps geben, um die E-Rezepte abzurufen. Was auch im Digitalgesetz vorgesehen ist:  Apotheken sollen in Zukunft die Möglichkeit haben, assistierte Telemedizin anzubieten (was immer das ist). Mein liebes Tagebuch, hört sich zunächst irgendwie gut an, findet wohl auch die ABDA, hält aber den Gesetzentwurf in diesem Punkt noch für unausgereift. Was die ABDA kritisch dabei sieht: Über den telemedizinischen Kanal praktiziere ein Arzt gewissermaßen in einer Apotheke. Die ABDA sieht dies erstmal mit bürokratischen Augen: „Dies widerspricht geltendem Recht, das eine bauliche Trennung der Apothekenbetriebsräume von anderweitig gewerblich oder beruflich genutzten Räumen verlangt.“ Außerdem sieht sie hier eine „gesteigerten Gefahr eines nicht vorrangig am Patientenwohl orientierten, kollusiven Zusammenwirkens“. Nun ja, mein liebes Tagebuch, darüber muss man sich sicher noch mal unterhalten. Aber prinzipiell kann ein telemedizinisches Angebot  in der Apotheke auch Vorteile für die Patientinnen und Patienten bieten. In der Schweiz läuft dies bereits. Problematisch sieht die ABDA natürlich auch, dass Apotheken im Zusammenhang mit telemedizinischen Angeboten einfache medizinische Routineaufgaben übernehmen dürfen sollen – mein liebes Tagebuch, auch da gibt es mit Sicherheit noch reichlich Informations- und Regelungsbedarf. Aber wir erinnern uns ans Impfen in Apotheken: Wie lange und widerborstig hatte sich die ABDA hier gewehrt – und heute fordert sie aktiv auf, Impfungen in Apotheken anzubieten. Ist halt alles noch ungewohnt und manche brauchen einfach ein bisserl Zeit, um sich an neue Aufgaben zu gewöhnen. Die ABDA war bekanntlich noch nie ein Verein, der den Fortschritt gepachtet hat.

 

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) stellt sich im Übrigen, wie zu erwarten, gegen die assistierten Telemedizin-Angebote in der Apotheke. Das macht die KBV in ihrer Stellungnahme zum Digitalgesetz deutlich. Sie möchte, dass diese vorgesehene Regelung gestrichen wird. Die KBV: „Ausführung und Beratung zur Telemedizin sind vertragsärztliche Leistungen, weil es hierbei um die Ausübung der Heilkunde geht. Es ist nicht ersichtlich, welchen Vorteil Patienten aus dieser Regelung ziehen sollten.“ (Och, da wüssten wir schon ein paar Vorteile.) Und weiter meint die KBV: Falls der Passus nicht gestrichen wird, sollte zumindest eine Klarstellung erfolgen, dass es sich „bei den telemedizinischen Leistungen der Apotheken um Leistungen handelt, die mit dem ggf. um pharmazeutische Beratungen erweiterten Leistungsspektrum der Apotheken korrespondieren“. Mein liebes Tagebuch, bevor die Verwirrung um den Begriff der assistierten Telemedizin zu groß wird, sollte vielleicht das Bundesgesundheitsministerium erstmal genauer definieren, was man sich unter den telemedizinischen Leistungen in der Apotheken überhaupt vorstellt. Dass Apothekers ärztliche Leistungen erbringen, kann damit doch wohl kaum gemeint sein.

 

Nochmal Digitalgesetz: Einerseits will das Digitalgesetz die Bereitstellung und den Betrieb von informationstechnischen Systemen, die eine Übermittlung von elektronischen Verordnungen oder elektronischen Zugangsdaten zu elektronischen Verordnungen außerhalb der Telematikinfrastruktur ermöglichen, untersagen – was sich vollkommen vernünftig liest: Im Prinzip soll das E-Rezept (neben der elektronischen Gesundheitskarte) elektronisch nur über die Telematikinfrastruktur und letztlich über die Gematik-App übermittelt werden. Aber die Unvernunft folgt auf dem Fuß: Es soll, so das Bundesgesundheitsministerium, eine Ausnahme geben! Nämlich: Anbieter dürfen informationstechnische Systeme bereitstellen, (Achtung, jetzt kommt schönstes Amtsjuristendeutsch) mit denen elektronische Zugangsdaten zu elektronischen Verordnungen vom Leistungserbringer mit Zustimmung der Versicherten an die Versicherten zur direkten Weiterleitung an eine Apotheke zur Einlösung der Verordnung ohne Nutzung der Telematikinfrastruktur übermittelt werden. Außerdem sollen Versicherte auf ihr E-Rezept außer über die Gematik-App auch über die ePA-Apps der Krankenkassen zugreifen und es verwalten können. Im Klartext: Das E-Rezept soll auch über andere Apps und Wege übermittelt werden können. Nanu, das sollte doch bisher verhindert werden. Mein liebes Tagebuch, was das im Einzelnen bedeutet, das wagt man sich kaum vorzustellen: die DocMo-App oder die ShopApo-App oder oder… Der Interessensverband Pro Generika befürwortet das, er kann sich mehr Wettbewerb bei solchen Anwendungen durchaus vorstellen. Er möchte mehr Wettbewerb bei den E-Rezept-Apps und kein von der Gematik hergestelltes „Staats-E-Rezept“ bzw. kassenseitig entwickelte Anwendungen. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir, dass sich die ABDA dagegen durchsetzen kann, damit solche vorgesehenen Ausnahmen nicht ins Digitalgesetz aufgenommen werden.

 

2. August 2023

Lieferengpässe? Es darf ausgetauscht werden! Ist ein Arzneimittel nicht lieferbar, darf mit Inkrafttreten des Lieferengpass-Gesetzes eigentlich jedes verfügbare wirkstoffgleiche Arzneimittel abgegeben werden, ohne eine rahmenvertragliche Abgaberangfolge zu berücksichtigen. Eigentlich, mein liebes Tagebuch, aber da ist noch ein bisschen Vorsicht geboten, bevor man munter in die Tiefen der Ziehschränke greift oder die Greifarme des Kommissioniers auf die Reise schickt. Der Apothekerverband Schleswig-Holstein jedenfalls rät dazu, vorerst noch an der Abgaberangfolge, wie sie der Rahmenvertrag ausweist, festzuhalten. Denn es gebe da noch ein paar nicht abgeschlossene rechtliche Prüfungen und Abstimmungen, heißt es. Also, mein liebes Tagebuch, da hoffen wir mal, dass diese Prüfungen rasch über die Bühne gehen. Und bis dahin arbeiten wir die Abgaberangfolge ab und hangeln uns Schritt für Schritt über die vier preisgünstigsten zum jeweils nächstteureren Arzneimittel – solange, bis man eins findet, das lieferbar ist. Hoffen wir, dass wir schon bald die Erleichterungen, wie sie uns das Engpass-Gesetz (ALBVVG) erlaubt, anwenden dürfen.

 

3. August 2023

Mit dem Lieferengpass-Gesetz gesteht uns der Bundesgesundheitsminister Lauterbach eine Vergütung von 50 Cent pro ausgetauschtem Arzneimittel für die Mühen zum Auffinden eines Ersatzpräparats zu. Wir wissen: Das ist viel zu wenig! Die ABDA hatte seinerzeit nachgerechnet und 21 Euro für die Austauscharbeit gefordert. Worüber Lauterbach vermutlich nur lächelte und die Forderung in die Ablage P beförderte. Ja, mein liebes Tagebuch, obwohl die 50 Cent mittlerweile Gesetz sind, hält die ABDA weiterhin an der Forderung nach 21 Euro fest. Wie realistisch sind denn eigentlich die 21 Euro? DAZ-Wirtschaftsredakteur Dr. Thomas Müller-Bohn hat da mal nachgerechnet und die Rechenschritte der ABDA unter die Lupe genommen. Er zeigt, dass das ABDA-Rechenverfahren es den Kritikern leicht machen würde, vermeintlich zu hohe Honorare anzuprangern. Er hat in seiner Analyse Vorschläge für ein alternatives Honorarkonzept entwickelt. Noch besser wäre es allerdings, für einen höheren Festzuschlag für Rx-Arzneimittel zu kämpfen. Seine Analyse finden Sie in der neuesten DAZ.

4. August 2023

Ab 1. August gibt es für die Apotheke das mickrige 50-Cent-Honorar pro ausgetauschtem Arzneimittel bei Lieferengpässen. Dumm nur, dass es noch nicht abgerechnet werden kann – das Lieferengpass-Gesetz ist so plötzlich quasi über Nacht in Kraft getreten, so dass alle, die für die Umsetzung der Abrechnungsmodalitäten verantwortlich sind, dermaßen überrascht wurden: Sie hatten die Details der Abrechnung, wie und wo das Sonderkennzeichen zur Abrechnung der 50 Cent aufs Rezept gedruckt wird, noch gar nicht ausgearbeitet. Na, sowas! Und nun? Der Deutsche Apothekerverband hat sich vor Kurzem dafür stark gemacht, rasch eine Übergangslösung zu finden, bis alle Detailfragen geklärt sind. Mittlerweile hat er wohl eine Lösung gefunden: Die Apotheken sollen bei den rosa Rezepten die bekannten Nichtverfügbarkeits-PZN und die Werte 2, 3,und 4 verwenden, heißt es in der Pressemitteilung. „In den Warenwirtschaftssystemen der Apotheken wird die abzurechnende Rezeptbrutto-Summe – je nach Anzahl der Positionen auf dem Rezept – um 60 Cent, 1,20 Euro oder 1,80 Euro erhöht“, schreibt der Deutsche Apothekerverband. Allerdings rät er davon ab, das Sonderkennzeichen „Lieferengpass“ aufzudrucken, da für die Übergangslösung vorgesehen ist, dass die Apotheken-Rechenzentren dieses Sonderkennzeichen automatisch berücksichtigen. Also mein liebes Tagebuch, allein schon für diese Arbeit der Zwischenlösung sollten uns 50 Cent extra zustehen. Etwas einfacher scheint es beim E-Rezept zu gehen: Hier wird, so schreibt der Verband, eine mögliche Nichtverfügbarkeit schon heute digital abgebildet. Das Warenwirtschaftssystem der Apotheken ergänzt im Abgabedatensatz hinter der abgegebenen PZN eine neue Abgabezeile mit dem Sonderkennzeichen „Lieferengpass“ und dem Preis in Höhe von 50 Cent netto plus 10 Cent Umsatzsteuer. Also, hoffen wir, dass es funktioniert. Und ja, ganz so schnell geht dann alles doch wieder nicht. Denn, so der Verband, beide Übergangslösungen sind erst nach einer kurzfristigen Korrektur der Software-Systeme einsatzfähig. Na, so machen Lieferengpässe und ihr Management doch noch mehr Freude!


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