Die Bundesregierung möchte die Wirtschaft mit einer verminderten Mehrwertsteuer entlasten. Doch für die Apotheken drohen dadurch Belastungen. Der Kassenabschlag wird netto voraussichtlich um etwa 12 Millionen Euro steigen. Falls die Daten nicht rechtzeitig vorliegen, droht zudem ein Abrechnungschaos. Auch weitere sozialrechtliche Regelungen sind voller Tücken.
Die Bundesregierung hat ein großes Maßnahmenpaket zur Belebung der Konjunktur vereinbart. Ein herausragender und überraschender Aspekt ist dabei die Senkung der Mehrwertsteuer für die Zeit zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember 2020. Die Mehrwertsteuersätze sollen in dieser Zeit von 19 auf 16 Prozent und von 7 auf 5 Prozent sinken. Doch was als Belebung gedacht ist, wird den Apotheken voraussichtlich große Mühe und sogar eine Einbuße bringen.
Konjunkturpaket
Bundesregierung: Eine Milliarde Euro für inländische Arzneimittel-Produktion
Einbuße über den Kassenabschlag
Die Einbuße ergibt sich aus dem Abschlag, den die Apotheken gemäß § 130 SGB V an die gesetzlichen Krankenkassen leisten müssen. Im Apothekerlager wird dieser Abschlag auch als „Kassenabschlag“ bezeichnet. Dieser Abschlag beträgt 1,77 Euro für jede Rx-Fertigarzneimittelpackung und jedes klassische Rx-Rezepturarzneimittel und er ist ein Bruttobetrag, der unabhängig von der Mehrwertsteuer formuliert ist. Wenn Apotheken derzeit für ein Arzneimittel 1,77 Euro brutto weniger erhalten, mindert das ihren Nettoumsatz um 1,487 Euro. Wenn der Mehrwertsteuersatz jedoch auf 16 Prozent sinkt, vermindert der Kassenabschlag den Nettoumsatz um 1,526 Euro. Für jedes abgerechnete Arzneimittel nehmen die Apotheken also netto 4 Cent weniger ein. Dieser Effekt ist auch der Grund, weshalb manche Apotheker bei der seit Jahren immer wieder diskutierten Forderung nach einer generellen Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel etwas zurückhaltend sind. Bei der derzeitigen Konstruktion des Kassenabschlags würde dies die Apotheken zunächst belasten.
Doch zurück zur aktuellen Situation: Im Jahr 2019 haben die Apotheken nach dem jüngsten Apothekenwirtschaftsbericht etwa 760 Millionen Rx-Arzneimittelpackungen abgegeben. Bei einem geschätzten Marktanteil der GKV von etwa 80 Prozent wären dies etwa 608 Millionen Packungen zuzüglich 12 Millionen Rezepturen. Das ergibt etwa 620 Millionen Packungen pro Jahr und damit etwa 310 Millionen Packungen für ein Halbjahr. Eine Einbuße von 4 Cent pro Arzneimittel summiert sich dann zu 12,4 Millionen Euro für alle Apotheken oder etwa 650 Euro pro Durchschnittsapotheke. Um diesen Betrag würden sich die Nettoumsätze der Apotheken durch den Mehrwertsteuereffekt beim Kassenabschlag reduzieren. Wenn das verhindert werden soll, müsste der Abschlag für das zweite Halbjahr 2020 auf 1,73 Euro brutto gesenkt werden.
Beim Zwangsrabatt der pharmazeutischen Unternehmer (Herstellerabschlag) sind entsprechende Konsequenzen wohl nicht zu befürchten. Denn in § 130a SGB V wird dieser Abschlag auf den Abgabepreis „ohne Umsatzsteuer“ bezogen.
Quelle: Den ganzen Artikel lesen