Das Coronavirus ist omnipräsent – auch im Netz. Parallel zur derzeitigen Ausbreitung in der realen Welt verbreiten sich dort gerade massiv falsche Infos und Verschwörungstheorien. Besonders häufig im Mittelpunkt: die chinesische Regierung und die Stiftung von Microsoft-Gründer Bill Gates. Was stimmt – und was kompletter Unsinn ist.
Das Coronavirus ist ein Virus, das Mediziner in dieser Form bisher nicht kannten. Entsprechend verunsichert sind viele Menschen, wenngleich Ärzte, Forscher und Behörden von einem kontrollierbaren Risiko sprechen. Im Internet verbreiten sich aktuell auf verschiedenen Seiten – wie etwa auf Youtube – Falschinformationen über mögliche Symptome, den Ursprung des Virus und eine angebliche Verstrickung der Stiftung von Microsoft-Gründer Bill Gates. Ein Überblick.
Behauptung 1: China wollte das Coronavirus als biologische Waffe gegen die USA nutzen.
Bewertung: Das ist Quatsch.
Fakten: Immer wieder behaupten Verschwörungstheoretiker, das Coronavirus entstamme einem chinesischen Geheimlabor und sollte eigentlich als biologische Waffe eingesetzt werden. Erst am 15. März behauptete der emeritierte österreichische Infektologe Wolfgang Graninger in der Tageszeitung „Kurier“ fälschlicherweise, das Virus „sollte in den USA ausgesetzt werden, damit dort die Bevölkerung hysterisch wird und die Wirtschaft ordentlich kracht.“ Auch Politiker und Anhänger der republikanischen Partei in den USA verbreiten hartnäckig das Gerücht.
Viele Dinge über das Coronavirus sind noch unklar, inklusive des genauen Ursprungs. Und tatsächlich gibt es in der chinesischen Stadt Wuhan, wo die ersten Fälle auftraten, ein Forschungslabor, das sich mit Virologie befasst. Wissenschaftler sind sich jedoch darin einig, dass das Virus der Natur entstammt und nicht dem Labor. Das hatten Dutzende voneinander unabhängige Genom-Analysen gezeigt, wie auch das weltweit führende medizinische Fachjournal „The Lancet“ bestätigt.
Forscher gehen stattdessen aus, dass der Ursprung der Pandemie in einem sogenannten „Wet Market“ liegt. Das sind Märkte, auf denen lebende, teils exotische Tiere feilgeboten und dann erst beim Kauf geschlachtet werden. „Wet Markets“ stehen bereits seit Jahren in der Kritik, weil die mangelhaften hygienischen Zustände optimale Bedingungen bieten für die Verbreitung von Viren. Lebende Tiere werden in Käfigen übereinander gestapelt, Blut und Exkremente und Körperflüssigkeiten gehen von Tier zu Tier und teilweise auch auf den Menschen über. Viele der Bewohner Wuhans, die sich in der Anfangszeit infizierten, hatten den „Wet Market“ besucht. AFP Eine Szene vom Markt in Wuhan (Archivbild aus dem Jahr 2013)
Das von Forschern mittlerweile entschlüsselte Genom weist mit beinahe 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass eine Fledermaus das ursprüngliche Wirtstier des Virus war. Danach ging der Erreger vermutlich auf andere Spezies über. „Epidemiologische Erkenntnisse legen nahe, dass ein Virus mit Fledermaus-Ursprung bislang unbestimmte Tierarten infizierte, die auf einem Markt mit lebendigen Tieren in China verkauft wurden“, schreiben Forscher in der renommierten Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“.
Auch eine statistische Analyse der ETH Zürich kommt zu dem Schluss, dass sich der erste infizierte Mensch höchstwahrscheinlich auf dem Markt in Wuhan angesteckt hat. Ob dieser Mensch ein infiziertes Tier gegessen hat oder auf andere Weise mit ihm in Kontakt kam, ist noch unklar – doch am Ursprung gibt es unter Wissenschaftlern mittlerweile kaum mehr Zweifel.
Mikrobiologen weisen außerdem darauf hin, dass das Genom des Coronavirus ein gigantisches Durcheinander ist, auf das Menschen im Labor niemals gekommen wären – viel zu kompliziert. Und: Das Coronavirus wäre eine eher schlechte Biowaffe. Wer möglichst großen Schaden anrichten will, hat bessere Erreger zur Auswahl als ein Virus, das in den meisten Fällen einen eher milden Krankheitsverlauf auslöst.
Behauptung 2: Supermärkte ändern wegen des Coronavirus bald ihre Öffnungszeiten und schließen an mehreren Tagen der Woche.
Bewertung: Solche Pläne gibt es nicht und wird es vermutlich nie geben.
Fakten: Dieses Gerücht geht auf den Screenshot eines angeblichen FOCUS-Online-Artikels zurück, der in den sozialen Medien und auf WhatsApp kursiert. Darin heißt es, die größten deutschen Supermarktketten hätten sich abgesprochen und würden an mehreren Tagen der Woche schließen. Nur Montag und Freitag sollen die Filialen noch geöffnet haben.
Nehmen Sie's von einer Quelle, die es wissen muss: Einen solchen Artikel hat es auf FOCUS Online nie gegeben. Wer ein bisschen Ahnung von HTML, Quellcodes oder Bildbearbeitung hat, kann einen solchen Fake-Screenshot problemlos selbst generieren. Auch die Supermarktketten selbst widersprechen. „Unsere Märkte haben ALLE TÄGLICH ZU DEN REGULÄREN ÖFFNUNGSZEITEN geöffnet“, heißt es in einem Tweet der Kaufland-Kette. „Lasst euch nicht verrückt machen. Wir sind für euch da!“
Tatsächlich gehören Supermärkte zu den Geschäften, die während der gesamten Dauer der Pandemie geöffnet bleiben dürften. Denn irgendwo müssen die Menschen ja ihre Lebensmittel herbekommen. Selbst auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie in China hatten Supermärkte geöffnet.
Behauptung 3: Die Einnahme von Ibuprofen führt dazu, dass das Virus sich schneller ausbreitet.
Bewertung: Falsch, sagen Forscher.
Fakten: Auf WhatsApp kursiert aktuell eine Sprachnachricht, in der eine bislang unbekannte Person eine gefährliche Behauptung aufstellt: Demnach habe eine Mitarbeiterin der Universitätsklinik Wien ihr erzählt, die Einnahme von Ibuprofen führe dazu, dass sich das Coronavirus schneller ausbreitet.
Die Klinik selbst spricht allerdings von einer Fake-Nachricht. „Achtung, bei den derzeit kursierenden WhatsApp-Text- und Sprachnachrichten rund um angebliche Forschungsergebnisse der 'Wiener Uniklinik' zu einem Zusammenhang zwischen Ibuprofen und Covid19 handelt es sich um Fake News, die in keinerlei Verbindung mit der Medizinischen Universität Wien stehen.“ Immer wieder sind derartige Kettenbriefe im Umlauf, die von Wichtigtuern verfasst wurden. Besser: Nichts glauben, was derzeit so auf WhatsApp kursiert.
Behauptung 4: Das Coronavirus ist gefährlicher als Sars – außerdem hochansteckend und gefährlich.
Bewertung: Stimmt nicht.
Fakten: Das neue Coronavirus sei zwar ansteckender als der Sars-Erreger, erklärt Bernd Salzberger, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie. Allerdings sei bei Sars die Rate von schweren Krankheitsverläufen höher gewesen. Nach Einschätzung von Experten verläuft die neue Lungenkrankheit offenbar in den meisten Fällen mild, zum Teil sogar ohne Symptome. "Das Virus ist sicherlich nicht so ansteckend wie die Masern", ergänzt der Infektiologe. Um sich damit anzustecken, müsste man dem Mediziner zufolge "über einige Zeit Kontakt auf einer Entfernung unter einem Meter zu einem Infizierten haben."
Clemens Wendtner, der behandelnde Chefarzt der vier ersten deutschen Corona-Patienten, teilt diese Einschätzung. Masern seien demnach sehr viel ansteckender als das neue Virus aus China. Der Mediziner warnt daher vor Panik. Dafür gebe es keinen Anlass. „Auch nicht in Bayern.“ Deutschland gelinge es auch, eine Masernwelle einzudämmen. Überhaupt gebe es in Deutschland Viruserkrankungen, die sehr viel ansteckender und gefährlicher seien als aktuell das Coronavirus.
Laut Experten sei die Gefahr, sich hierzulande etwa mit einer Grippe anzustecken, derzeit höher als für eine Ansteckung mit dem Coronavirus. Die Grippe fordere jedes Jahr viele Todesopfer. In der Saison 2017/2018 waren in Deutschland etwa 25.000 Menschen an Influenza gestorben. Es war die schlimmste Grippesaison seit Jahrzehnten.
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Behauptung 5: Juckender Ausschlag mit roten Punkten ist weiteres Corona-Symptom, das Medien verschwiegen.
Fakten: In einem Video, das aktuell durch die sozialen Netzwerke geistert und über Whatsapp verbreitet wird, heißt es, die Medien würden Infos über das Coronavirus zurückhalten. Das Virus sei gravierender als bisher kommuniziert.
Eine konkrete Behauptung: Das Virus äußere sich nicht nur durch Fieber, Husten, Kurzatmigkeit, Atemnot und Abgeschlagenheit, sondern auch durch einen Ausschlag auf der Haut mit roten Punkten, die in der Mitte einen schwarzen Punkt tragen würden. Die pickelartigen Punkte verhärteten sich und juckten stark, heißt es in dem Video weiter.
Bewertung: Dafür gibt es keinen Anhaltspunkt.
Fakten: „Meiner Kenntnis nach hatten Patienten weder bei Sars noch beim neuartigen Coronavirus einen Hautauschlag, geschweige denn so einen spezifischen", erklärt Hartmut Hengel, Virologie-Professor am Universitätsklinikum Freiburg und Präsident der Gesellschaft für Virologie im Gespräch mit der ARD.
Behauptung 6: Ein von der Gates-Stiftung unterstütztes Institut hält ein Patent auf das aktuelle Coronavirus.
Bewertung: Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Fakten: Erste Infektionen der aus China stammenden Lungenkrankheit werden im Dezember 2019 bekannt. Es wird davon ausgegangen, dass das dafür verantwortliche Coronavirus in der Form 2019-nCoV auf einen Markt in der Millionenstadt Wuhan zurückgeht.
Artikel im Netz und Nutzer in sozialen Medien stellen die Mutmaßung auf, das Virus habe keinen natürlichen Ursprung, sondern stehe in Verbindung mit Gates. Dessen Stiftung soll etwa die Entwicklung des Erregers finanziert haben. Als angeblichen Beweis führen sie ein Patent an, das das Pirbright Institut 2015 angemeldet hat. Unter den Förderern der wissenschaftlichen Einrichtung: die Bill und Melinda Gates Stiftung (neben dem britischen Umweltministerium, der WHO und der EU-Kommission).
Tatsächlich gibt es ein Patent von 2015 mit dem Titel „Coronavirus“ dieses Instituts. Allerdings handelt es sich dabei um ein Patent zur Impfstoffentwicklung gegen ein Geflügelvirus. Diese Forschungen haben nichts mit der derzeitigen Ausbreitung zu tun. Der aktuelle Erreger 2019-nCoV gehört auch zur Familie der Coronaviren. Weitere sind etwa das Sars- und das Mers-Virus.
In der Immunologie ist es üblich, dass Forscher das Erbgut von Krankheitserregern verändern, um sie weniger gefährlich zu machen. Diese eignen sich dann zur Herstellung von Impfstoffen. Darin sind Bruchstücke von Viren oder die Erreger selbst in abgeschwächter Form vorhanden. Der geimpfte Organismus soll Abwehrmechanismen gegen die Viren entwickeln.
Nach Angaben des Europäischen Patentamts (EPA) beinhaltet ein Patent keine Erlaubnis, „eine Erfindung zu benutzen, in den Verkehr oder – wie im Fall von Medikamenten – auf dem Markt zu bringen“, teilte ein EPA-Sprecher mit. „Dies regeln andere Gesetze.“
Gates ist häufig Zielscheibe von Verschwörungstheoretikern. Vor allem Impfgegner arbeiten sich an dem US-Multimilliardär ab. Die Gates-Stiftung finanziert weltweit unter anderem Gesundheitsprojekte, darunter auch Impfprogramme.
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Behauptung 7: Die Gates-Stiftung soll Wochen vor dem aktuellen Coronavirus-Ausbruch 65 Millionen Tote prognostiziert haben.
Bewertung: Das ist falsch.
Fakten: Am 18. Oktober 2019 hält ein ranghohes Expertengremium in New York die Simulationsübung „Event 201“ ab. Veranstalter sind das Johns Hopkins Center for Health Security, das Weltwirtschaftsforum und die Gates-Stiftung. Die Übung hat nach Angaben der Veranstalter das Ziel, die Einsatzbereitschaft von Behörden und privaten Organisationen im Falle einer weltweiten Epidemie (Pandemie) zu verbessern, um größere Schäden für Wirtschaft und Bevölkerung zu verhindern.
Vergangene Woche widerspricht das Johns Hopkins Center den Behauptungen, man habe im Oktober einen bevorstehenden Virus-Ausbruch vorhergesagt oder 65 Millionen Tote durch das aktuelle Coronavirus „prognostiziert“. Vielmehr habe man für die Veranstaltung ein fiktives Szenario entworfen. Darin ging man von einer Gesamtzahl von 65 Millionen Toten aus, wenn keine Abwehrmaßnahmen gegen eine Pandemie weltweit koordiniert werden würden.
Wie die Ansteckung läuft – und sich die Krankheit äußert:
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