Am Freitag waren es die Neuinfektionen, jetzt verzeichnet Deutschland den zweiten Tag in Folge bei der 7-Tage-Inzidenz einen neuen Rekord. FOCUS Online erklärt, warum die Infektionszahlen so hoch sind – und wie das mit der aktuellen Impfquote zusammenpasst.
Es ist der höchste Wert seit Beginn der Pandemie: Die Inzidenz von 213,7, welche das Robert-Koch-Institut (RKI) am Dienstagmorgen veröffentlichte, markiert einen neuen Rekord. Die Zahl stellt damit den bisherigen Höchstwert von 201,1, den das Institut erst am Montag genannt hatte, in den Schatten.
Warum sind die Zahlen so hoch?
Nachdem Deutschland in der vergangenen Woche mit 37.120 Infektionen binnen eines Tages bereits einen neuen Rekordwert in Sachen Neuinfektionen erzielte, ist nun auch die 7-Tage-Inzidenz den zweiten Tag in Folge so hoch wie nie zuvor seit Beginn der Pandemie. Und das, obwohl mittlerweile 67,2 Prozent, also etwa zwei Drittel aller Deutschen vollständig gegen Corona geimpft wurden. Wie ist das möglich? FOCUS Online erklärt das scheinbar paradoxe Infektionsgeschehen.
1. Die Impfung schützt nicht vor einer Ansteckung
Zwar sind in Deutschland mittlerweile fast sieben von zehn Menschen gegen Corona geimpft. Damit sind sie in der Regel vor einem schweren Verlauf geschützt – nicht aber vor einer Ansteckung. Dafür wurde sie auch nicht entwickelt. Geimpfte können sich also weiterhin mit dem Virus infizieren und dieses, womöglich unbemerkt, weitergeben. Damit steigt die Zahl der Infektionen also weiterhin. Sind die Infektionszahlen nun ohnehin auf einem hohen Niveau, steigt auch das Risiko einer Ansteckung und Weitergabe des Virus.
Den Sinn der Impfungen stellen die hohen Infektionszahlen damit aber keinesfalls in Frage. Vielmehr verdeutlichen sie, mit welcher Kraft sich Corona auch in einer zu zwei Dritteln Geimpften Bevölkerung verbreiten kann. Damit geimpfte Infizierte weiterhin vor einem schweren Verlauf geschützt bleiben, ist es, insbesondere für Risikogruppen, wichtig, den Impfschutz aufzufrischen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sprach sich sogar für eine dritte Impfdosis für jeden zweifach Geimpften aus, der diese möchte. Diese solle ab sechs Monaten nach der zweiten Impfung erfolgen.
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Auch Biontech-Chef Ugur Sahin erklärte unlängst der „Bild am Sonntag“, dass der Impfschutz ab dem siebten, achten oder neunten Monat abnehmen könne.
2. Es gibt viele Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen
Wie wichtig die Auffrischungsimpfungen insbesondere bei Risikogruppen sind, zeigen auch die aktuellen Daten des RKIs. Laut jüngstem Wochenbericht treten aktuell vor allem in Alten- und Pflegeheimen Corona-Ausbrüche auf.
Bei den Betroffenen liegt die zweite Impfung in vielen Fällen schon deutlich über sechs Monate zurück. Ihr Impfschutz lässt also nach, auch der vor einem schweren Verlauf. In der Kalenderwoche 43 (25. bis 31. Oktober) traten laut RKI 115 Ausbrüche in medizinischen Behandlungseinrichtungen (Vorwoche: 78) und 135 in Alten- und Pflegeheimen (Vorwoche: 122) auf. Damit infizierten sich dort binnen einer Woche insgesamt mehr als 2000 Menschen.
Diese Ausbrüche sind mit dafür verantwortlich, dass die Zahlen in ganz Deutschland so stark steigen. Denn auch Pflegepersonal sowie Angehörige und Besucher infizieren sich bei den Betroffenen aus diesen Einrichtungen und können das Virus weitergeben.
3. Im Herbst ist das Infektionsrisiko erhöht
Es gibt noch einen weiteren Faktor, der das aktuelle Infektionsgeschehen erklären kann: der Herbst. In der aktuellen Jahreszeit, so kurz vor dem Winter, kann sich das Virus besser verbreiten als noch im Sommer. So bezeichnete Epidemiologe Timo Ulrichs etwa Herbst und Winter als die „Zeiten bester Ausbreitungsmöglichkeiten“.
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Der Grund: Mit dem Herbst verlagern sich viele Aktivitäten nach drinnen. Während Veranstaltungen im Sommer noch an der frischen Luft abgehalten wurden, treffen sich nun wieder vermehrt Menschen in Innenräumen. Dort ist das Infektionsrisiko deutlich höher – besonders dann, wenn viele Menschen auf engem Raum sind und dieser schlecht belüftet ist.
Auch das Ende der Herbstferien in vielen Bundesländern, in denen viele Familien verreisen, könnte seinen Teil zum erhöhten Infektionsgeschehen beigetragen haben.
4. Wir haben weniger Maßnahmen als im Vorjahr
All das galt natürlich auch im vergangenen Herbst bereits, damals waren die Zahlen allerdings nicht so hoch wie heute. Aber auch dafür gibt es eine Erklärung: Zum einen gab es 2020 mehr Maßnahmen als in diesem Jahr. Es galten Kontaktbeschränkungen, in den Schulen zudem eine Maskenpflicht. Auch Diskotheken und Bars waren geschlossen.
Zudem wurden keinerlei Konzerte und große Veranstaltungen in Innenräumen abgehalten. All das ist 2021, unter der Einhaltung bestimmter Maßnahmen, wieder möglich. Und das verstärkt das Infektionsrisiko.
5. Delta ist infektiöser als der Wildtyp von Sars-Cov-2
Hinzu kommt außerdem, dass die Delta-Variante 2020 in Deutschland noch nicht vertreten war. Heute macht sie hingegen den Großteil der Infektionen aus. Die Corona-Mutation gilt als infektiöser als der Wildtyp und kann somit schneller mehr Menschen infizieren. Auch ihre Verbreitung trägt also zu den hohen Infektionszahlen bei.
RKI: „Lage ist sehr besorgniserregend“
Das Robert-Koch-Institut zeigte sich angesichts der aktuellen Lage alarmiert. Die Entwicklung sei „sehr besorgniserregend“, heißt es im jüngsten Wochenbericht. „Es ist zu befürchten, dass es zu einer weiteren Zunahme schwerer Erkrankungen und Todesfälle kommen wird und die verfügbaren intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten überschritten werden.“
Um das zu verhindern, seien Maßnahmen wie das Tragen von Masken, die Einhaltung des Mindestabstands, die Kontaktreduktion und das Lüften wichtig. Damit ließen sich neben Corona auch andere Krankheitserreger bremsen.
Im Allgemeinen schätzt das Institut die Gesundheitsgefahr besonders für unvollständig oder gar nicht Geimpfte „insgesamt als sehr hoch“ ein. Für vollständig Geimpfte werde die Gefährdung „als moderat, aber aufgrund der steigenden Infektionszahlen ansteigend“ eingeschätzt.
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