Erst vor kurzem mussten Mediziner einem jungen Mädchen einen riesigen Haarklumpen aus dem Bauch operieren. Sie litt unter dem Rapunzel-Syndrom. Dabei bilden sich lebensgefährliche Haarknäuel im Magen-Darm-Trakt. Welche Erkrankung dahinter steckt und was die Warnsignale sind.
Vor wenigen Wochen erregte ein Fall internationales Aufsehen. Ärzte im osttschechischen Opava entfernten einer Elfjährigen bei einer Not-Operation einen riesigen verfilzten Haarknäuel aus dem Magen. Das Haargebilde, in der Medizin als Trichobezoar bezeichnet, hatte bereits eine Länge von 20 und einen Durchmesser von acht Zentimetern. „Im Extremfall hätte die Magenwand beschädigt oder sogar perforiert werden können“, berichtete der behandelnde Arzt. Das Mädchen hatte also Glück und konnte noch gerettet werden.
Haarklumpen im Magen-Darm-Trakt können lebensgefährlich sein
Bilden sich solche Trichobezoare im Verdauungsapparat, spricht man vom Rapunzel-Syndrom. Dahinter steckt eine psychische Erkrankung, die sogenannte Trichophargie. Dabei reißen sich Betroffene die Haare vom Kopf und essen sie dann.
Da Haare nicht verdaut werden, bildet sich mit der Zeit ein Haarklumpen im Verdauungstrakt, der sich wie ein Zopf bis in den Darm ausdehnt – daher auch die Bezeichnung Rapunzel-Syndrom. Das kann zu einem lebensgefährlichen Darmverschluss führen.
Erstreckt sich dieser bis in den Zwölffingerdarm kann sich zudem auch die Bauchspeicheldrüse entzünden. Durch den Haarklumpen ist außerdem der Verdauungsprozess gestört, so dass Betroffene häufig auch an Nährstoffmangel leiden.
Symptome und Warnzeichen des Rapunzel-Syndroms
Das Haarknäuel ist nicht einfach zu diagnostizieren und nur mittels Ultraschall, Gastroskopie oder Computertomographie feststellbar. Doch es gibt sechs auffällige Warnzeichen, die zu den typischen Symptomen des Rapunzel-Syndroms gehören. Diese sind:
Junge Mädchen vom Rapunzel-Syndrom betroffen
Das Rapunzel-Syndrom tritt relativ selten auf. Betroffen sind in erster Linie junge Mädchen. Laut „Doccheck.com“ seien im deutschsprachigen Raum bis 2022 nur unter zehn Fälle in der Literatur bekannt.
Dennoch haben psychische Erkrankungen in den Pandemie-Jahren deutlich zugenommen. So berichtet das „Deutsche Ärzteblatt“ erst im April 2022 von einer Vierjährigen, der ein schmerzhafter Haar-Tumor im Oberbauch entfernt werden musste.
Zwangsstörungen stecken hinter dem Rapunzel-Syndrom
Hinter dem Syndrom steckt in erster Linie eine Zwangserkrankung, die Trichotillomanie, bei der Betroffene sich zwanghaft die Haare ausreißen. Die Trichotillomanie ist eine Impulskontrollstörung, die mit psychischen Traumata wie Tod, Verlust, Gewalt, Missbrauch sowie Depressionen, Angststörungen, Bulimie und Persönlichkeitsstörungen in Verbindung steht.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Zwangserkrankungen (DGZ) spielten aber auch eine familiäre Veranlagung sowie neurobiologische Faktoren wie eine Überaktivität bestimmter Hirnregionen bei der Entstehung dieser Erkrankung eine Rolle. Sie tritt im Kindesalter auf und kann Monate oder Jahre anhalten. Meistens beginne sie aber zwischen dem elften und 15. Lebensjahr und betrifft häufiger Frauen (3,5 Prozent) als Männer (1,5 Prozent), schreibt die DGZ weiter.
0,5 bis 1,05 Prozent der Bevölkerung in Deutschland leiden unter Trichotillomanie. Da die Erkrankung mit viel Scham behaftet sei und oft verheimlicht werde, sei die Dunkelziffer aber deutlich höher, schreibt die Fachgesellschaft. Unter dem Zwang, die Haare auch zu essen, also der Trichophargie, leidet aber nur ein kleiner Teil davon. Experten gehen von circa 20 Prozent aus.
Das Rapunzel-Syndrom kann aber auch in Zusammenhang mit dem Pica-Syndrom entstehen. Bei dieser psychischen Störung essen Betroffene Dinge, die nicht zum Verzehr bestimmt sind wie Papier, Sand, Erde, Schmutz und unter anderem eben auch Haare, die nicht die eigenen sind.
Rapunzel-Syndrom: Haarklumpen müssen chirurgisch entfernt werden
Haarklumpen im Magen-Darm-Trakt müssen chirurgisch entfernt werden, damit Patienten nicht daran versterben. Die Grunderkrankung, die dahinter steckt und dazu führt, dass die Betroffenen Haare essen, ist damit allerdings noch nicht behandelt.
Diese Ursachen müssen psychiatrisch abgeklärt und psychotherapeutisch behandelt werden. Spezielle Medikamente gegen Trichotillomanie gibt es zwar nicht, aber unter Umständen können auch Antidepressiva dabei helfen, den Drang Haare zu essen, besser zu kontrollieren.
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