Infektionen können offenbar zu psychischen Störungen führen
Eine dänische Studie ergibt verdächtige Überschneidungen in der Statistik zwischen Infektionen und darauf folgenden psychischen Erkrankungen. Die Wissenschaftler vermuten eine Verbindung.
80 Prozent Wahrscheinlichkeit einer psychischen Störung
Ole Köhler-Forsberg und sein Team vom Aarhus University Hospital fanden in einer Beobachtungsstudie heraus: Kinder und Jugendliche, die wegen einer Infektion behandelt wurden, haben ein erhöhtes Risiko, danach eine psychische Störung zu entwickeln. Bei einem Krankenhausaufenthalt wegen einer Infektion liege diese Wahrscheinlichkeit bei mehr als 80 Prozent.
Belegter Zusammenhang?
Die Wissenschaftler weisen ausdrücklich darauf hin, dass eine Beobachtungsstudie einen Kausalzusammenhang nicht nachweisen kann. Sie halten ihn aber für möglich.
Andere mögliche Kausalzusammenhänge
Nicht nur ein direkter Einfluss der Erreger auf das Gehirn sei möglich, auch indirekte Einflüsse wie die durch Antibiotika gestörte Darmflora oder die in Mitleidenschaft gezogene Immunabwehr könnten eine Rolle spielen.
Unterschiedliche psychische Störungen
Laut den Forschern zeigten die Ergebnisse, dass das Immunsystem und die Infektion teilhaben am Entstehen sehr verschiedener psychischer Störungen, von Zwangs- bis zu Persönlichkeitsstörungen.
Umfangreiche Studie
Ein Zusammenhang zwischen einzelnen psychischen Erkrankungen und überstandenen Infektionen war aus älteren Studien bekannt. Die Forscher werteten jetzt umfassend Daten des dänischen nationalen Patientenregisters aus – von Dänen, die zwischen 1995 und 2012 zur Welt kamen. Wer wegen einer schweren Infektion in einer Klinik war, für den stieg das Risiko einer psychischen Erkrankung um 84 Prozent. Wurde eine Infektion rein medikamentös behandelt, betrug das Risiko 40 Prozent mehr.
Unterschiede in den Arzneien
Das Risiko war am größten bei Patienten, die mit Antibiotika behandelt wurden, bei Medikamenten gegen Viren oder Pilze gab es kein erhöhtes Risiko.
Welche psychischen Krankheiten brachen aus?
Das größte Risiko für die zuvor Infizierten bestand bei Zwangsstörungen, Schizophrenie, Persönlichkeits- wie Verhaltensstörungen, Autismus und Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom.
Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit im einzelnen?
Bei Teenagern erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit nach der Infektion für Zwangsstörungen um das Achtfache, für Angst-, Verhaltens- und Entwicklungsstörungen um das 5,6-fache. Kein Zusammenhang erkennbar war bei Depressionen und Essstörungen.
Was könnten die Ursachen sein?
Die Forscher denken, die Erreger können das zentrale Nervensystem direkt beeinflussen. Oder aber, die Antibiotika beeinflussen die Darmflora so sehr, dass Hirnaktivitäten gestört werden. „Wir wissen, dass Darm und Hirn eng miteinander vernetzt sind. Auch das Immunsystem selbst könnte das Nervensystem angreifen, während es den Erreger abwehrt“, betonen die Wissenschaftler. Viviane Labrie und Lena Brundin aus dem Van Andel Research Institute in Michigan unterstützen die dänischen Forscher und halten die Studie für einen Hinweis, dass Krankheitserreger beim Entstehen psychischer Störungen eine Rolle spielen.
Was wären die Auswirkungen?
Bestätigt sich der Verdacht, dass Infektionen nachfolgende psychische Erkrankungen auslösen, wäre das ein wichtiger Ansatz, um psychischen Störungen vorzubeugen, sie zu diagnostizieren und zu behandeln. (Dr. Utz Anhalt)
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