EU-Kommission: AstraZeneca muss Verträge einhalten

Nach Biontech/Pfizer bahnt sich nun auch beim Pharmakonzern AstraZeneca ein Lieferengpass beim COVID-19-Impfstoff an. Die Europäische Kommission ist verärgert und fordert Vertragstreue. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bringt eine Exportkontrolle für Corona-Impfstoffe ins Spiel.

Der britisch-schwedische Konzern AstraZeneca hat am Freitag mitgeteilt, nach der für diese Woche erwarteten Zulassung seiner COVID-19-Vakzine zunächst weniger Impfstoff als geplant an die EU liefern zu können. Statt 80 Millionen Impfstoffdosen sollen demnach bis Ende März nur 31 Millionen eingeplant sein. Die EU-Kommission ist darüber verärgert und forderte bei einer internen Sitzung am Montagmittag Erklärungen vom Hersteller. Sie pocht auf die Lieferung der vertraglich vereinbarten Mengen an Corona-Impfstoff ohne Abstriche und ohne Verzug. Dies habe EU-Präsidentin Ursula von der Leyen am Montag in einem Telefonat mit Firmenchef Pascal Soriot bekräftigt, erklärte die Kommission in Brüssel. EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides habe zudem in einem Brief Klarstellungen von dem Pharmakonzern gefordert und an die Vertragspflichten erinnert.

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Die EU-Kommission hatte im August mit der Firma einen Vertrag über bis zu 400 Millionen Impfstoffdosen geschlossen und nach eigenen Angaben einen dreistelligen Millionenbetrag dafür bezahlt, die Produktion schon vor der EU-Zulassung hochzufahren. Nach Darstellung der EU-Kommission hätte der Konzern laut Vertrag bereits seit der verbindlichen Bestellung Ende Oktober Mengen für die EU auf Halde fertigen müssen. Den Hinweis der Firma auf Produktionsprobleme bei einem Zulieferer in Belgien hält die Kommission für nicht stichhaltig. Ein Kommissionssprecher sagte, von der Leyen habe Soriot mitgeteilt: „Wir erwarten von der Firma Lösungen zu finden und alle möglichen Spielräume auszunutzen, um schnell zu liefern.“ Er wollte nicht sagen, wie der Unternehmenschef reagiert hat.

Spahn will Exporte kontrollieren

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schlägt derweil eine Kontrolle möglicher Exporte von COVID-19-Impfstoffen vor. „Wir müssen als EU wissen können, ob und welche Impfstoffe aus der EU ausgeführt werden“, sagte er laut einer Mitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit. „Nur so, können wir nachvollziehen, ob unsere EU-Verträge mit den Herstellern fair bedient werden.“ Eine entsprechende Pflicht zur Genehmigung von Impfstoff-Exporten auf EU-Ebene halte er für sinnvoll.

Erst in der vergangenen Woche hatte sein Ministerium zu Bestellung und Lieferung von COVID-19 Impfstoffen Stellung bezogen. In einem 30 Seiten umfassenden Dokument beantwortete das BMG Fragen, die ihm Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und die SPD-geführten Bundesländer vorgelegt hatten. Manche Beobachter gehen davon aus, dass das aus ihrer Sicht zögerliche Bestellverhalten Spahns und der EU mitverantwortlich dafür ist, dass die Auslieferungen nun stocken.

Was die Exportkontrollen betrifft, scheint die EU-Kommission mit Spahn auf Linie zu sein: Nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur (DPA) will sie künftig alle geplanten Exporte von Vakzinen aus der Europäischen Union in Drittstaaten erfassen und genehmigen lassen. Die Brüsseler Behörde kündigte demnach am Montag in einer Sitzung mit den 27 EU-Staaten ein sogenanntes Transparenzregister an. Das Register solle binnen weniger Tage in Kraft gesetzt werden und erfassen, welche Hersteller welche Mengen von in der EU produzierten Impfstoffen an Drittstaaten liefern. Zudem benötigten die Hersteller künftig eine Lizenz zum Export, die aber bei Gütern für humanitäre Zwecke regelmäßig erteilt werde. Im Vordergrund stehe die Transparenz, hieß es aus EU-Kreisen.

STIKO-Chef: Engpass war nicht abzusehen

Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Professor Thomas Mertens, betonte im ZDF-„Morgenmagazin“, die Impfstoff-Knappheit sei nicht abzusehen gewesen. „Das ist sehr unerfreulich, gar keine Frage, aber das sind Dinge, die nicht in unserer Macht stehen“, sagte er am Montag in der Sendung. Zu der Zeit, als Vorverträge mit Herstellern gemacht worden seien, habe man nichts über die wirkliche Wirksamkeit der Impfstoffe gewusst. „Man musste mehrere Katzen im Sack kaufen, weil man nicht wusste, welcher Impfstoff zuerst zur Zulassung kommt“, so Mertens.

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