Durchbruch im Kampf gegen Corona? Warum auf "Dexamethason" nun so viele Hoffnungen ruhen

Schwere Verläufe oder gar Todesfälle verhindern: Ein Medikament, das dies leistet, wäre ein enormer Gewinn in der anhaltenden Corona-Pandemie. Die Wirkung verschiedener Medikamente, darunter antiviraler Mittel wie Remdesivir, wird derzeit in klinischen Studien geprüft. Vielfach wurde in den letzten Wochen über diese Tests berichtet.

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Nun aber sorgt ein anderes Mittel für Schlagzeilen: Es trägt den Namen Dexamethason und scheint die Sterblichkeit von schwerstkranken Covid-19-Patienten zu senken. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler aus Großbritannien, nachdem sie Daten von Tausenden Covid-19-Patienten ausgewertet hatten. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte, es handle sich um einen „lebensrettenden wissenschaftlichen Durchbruch“ im Kampf gegen Covid-19.

Was hat es mit dem Mittel auf sich? Und was sagen renommierte Infektiologen aus Deutschland zu den Studienergebnissen? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Was ist der Auslöser der Schlagzeilen?

Wissenschaftler der Universität Oxford haben gestern vorläufige Ergebnisse einer großangelegten Medikamentenstudie aus Großbritannien veröffentlicht. Die Ergebnisse sind hier zusammengefasst. Die Daten stammen aus einem Teilbereich des sogenannten „Recovery Trial“, in dem Mediziner die Wirkung verschiedener Therapien bei Covid-19-Patienten untersuchen. 

Wie sind die Forscher vorgegangen?

Im Rahmen der Studie hatten 2104 Patienten das entzündungshemmende Mittel Dexamethason erhalten. Im Anschluss verglichen die Forscher die Sterblichkeit in dieser Gruppe mit der von 4321 Patienten, die standardmäßig therapiert wurden. Dabei zeigte sich: Vor allem schwerstkranke Patienten an Beatmungsgeräten schienen von dem Medikament zu profitieren. Die Sterblichkeit bei diesen Patienten sank um ein Drittel (35 Prozent) im Vergleich zur Kontrollgruppe. Bei Kranken, die lediglich Sauerstoff erhalten haben, sank die Sterblichkeit um ein Fünftel. Bei milderen Krankheitsverläufen zeigte das Mittel dagegen keine Wirkung.

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass Dexamethason jeden achten Todesfall bei schwerstkranken Patienten verhindern könnte.

Was ist Dexamethason überhaupt?

Dexamethason ist ein Kortisonpräparat. Das Mittel steckt in zahlreichen entzündungshemmenden Arzneien, die das Immunsystem unterdrücken. Die Einsatzgebiete sind vielfältig. Dexamethsaon kommt beispielsweise bei der Behandlung von Allergien, rheumatoider Arthritis und Asthma zum Einsatz.

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Nach Angaben der „Gelben Liste“ ist die Gefahr von Nebenwirkungen bei einer kurzfristigen Therapie „gering“. Wird das Mittel in hohen Dosen verabreicht, kann es jedoch unter anderem zu Herz-Rhythmus-Störungen und Störungen des Elektrolyt-Haushalts kommen.

Warum sind die Ergebnisse so bedeutend?

Seit Beginn der Pandemie suchen Forscher und Mediziner nach einem Medikament, das die Sterblichkeit von Covid-19-Patienten senkt. Große Hoffnungen ruhten zunächst auf antiviralen Mitteln wie Remdesivir und Chloroquin beziehungsweise Hydroxychloroquin. Erste Studienergebnisse legen den Schluss nahe, dass beispielsweise Remdesivir die Krankheitsdauer von Corona-Patienten verkürzen kann. Das ursprünglich als Malaria-Mittel zugelassene Chloroquin hatte in den USA zeitweise eine Sondergenehmigung für den Einsatz bei Covid-19-Patienten erhalten. Diese Genehmigung wurde jedoch mittlerweile mit Verweis auf die unklare Wirksamkeit zurückgezogen. 

Sollten sich die Ergebnisse der britischen Studie bestätigen, wäre Dexamethason die erste Behandlungsform, welche die Todesrate schwerstkranker Covid-19-Patienten nachgewiesenermaßen senkt.

Warum ist die Studie noch mit Vorsicht zu interpretieren?

Bislang sind nur wenige Daten der Studie bekannt. Eine wissenschaftliche Publikation zu der Studie gibt es noch nicht. Diese wäre aber wichtig, um die Vorgehensweise der Forscher genauer und kritisch untersuchen zu können.

Was sagen Infektiologen aus Deutschland zu der Studie?

Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Uniklinik Köln, hält die vorläufigen Daten für „sehr überzeugend und auch für glaubwürdig“: „Die Ergebnisse – deren vollständige Veröffentlichung man noch abwarten muss – sprechen dafür, Kortisonpräparate bei schweren Verläufen der Infektion mit Sars-CoV-2 einzusetzen.“

„Aus biologischer Sicht ist dieser Effekt nicht völlig überraschend, da insbesondere die schwer erkrankten Patienten unter einer überschießenden Immunreaktion leiden“, sagt Maria Vehreschild, Leiterin des Schwerpunkts Infektiologie am Universitätsklinikum der Goethe-Universität Frankfurt. „Kortison ist ein klassischer Behandlungsansatz, um das Immunsystem zu unterdrücken. Überraschend ist aber die Stärke des nachgewiesenen Effekts.“

Der beobachtete Effekt durch das Medikament sei vermutlich indirekt und nicht primär gegen das Virus selbst gerichtet, betonte Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin an der Münchener Klinik Schwabing. So könnte das Mittel einschießende Immunzellen abtöten, in der Folge werde ein tödliches Lungenödem verhindert.

Wendtner sprach von einer vergleichsweise „einfachen und billigen Maßnahme“. Gleichzeitig betonte er aber, dass die Studie keine Rückschlüsse zum Einsatz bei mild erkrankten Covid-19-Patienten zulasse. Es seien „ausschließlich schwer symptomatische Patienten“, die einen Krankenhausaufenthalt benötigt hatten, behandelt worden, so Wendtner. Das beste Mittel im Kampf gegen Covid-19 sei seiner Meinung nach wie vor ein wirksamer Impfstoff. 

Quellen: Gelbe Liste /Zitate laut „Science Medica Center“

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